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Die Koalition, die keiner erklären könnte

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht ihre Partei und die Union bei der Klimapolitik noch weit auseinander. Widerspräche doch eine Koalition den gezielt gegen die schwarze Umweltpolitik geführten Wahlkampf. Schwarz-Grün – eine Sondierung auf Zeit?

Von Georg Ehring | 10.10.2013
    "Das grüne Klimaschutzgesetz: Das ist nichts Anderes als eine CO2-Bremse für Deutschland. Wir zeigen mit diesem Gesetz, wie das Versprechen von 40 Prozent Reduktion umgesetzt wird. Wir definieren nicht allgemeine unverbindliche Ziele, sondern konkrete Ziele für Strom, Wärme, Verkehr, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft und wir nennen die Instrumente und wir sagen, was das kostet."

    Für den einstigen grünen Umweltminister Jürgen Trittin ist der Klimaschutz ein Herzensthema – aber damit auch ein Knackpunkt für jede Regierungsbeteiligung seiner Partei. Große Zugeständnisse können sich die Grünen in diesem Punkt nicht leisten, sagt Christoph Bals vom umwelt- und entwicklungspolitischen Verband "Germanwatch".

    "Die Grünen können keine Koalition mit der CDU/CSU machen, indem sie nicht ein Klimaschutzgesetz durchsetzen. Für die Grünen ist es ohnehin sehr schwierig, mit der CDU, gegen die sie massiv Wahlkampf geführt haben, eine Koalition zu vereinbaren, und wenn dann in dem zentralsten Teil, der für die Identität der Grünen steht, Klimaschutz und Energiewende, nicht ganz deutlich die grüne Handschrift zu spüren ist, und die Versprechen, die man im Wahlkampf gemacht hat, umgesetzt werden, dann ist eine solche Koalition überhaupt nicht den Mitgliedern zu erklären.""

    Da trifft es sich gut, dass auch die Union mit ihren Umweltministern Norbert Röttgen und Peter Altmaier in den vergangenen Jahren versucht hat, beim Klimaschutz zu punkten und mehr Ehrgeiz eingefordert hat. Gegen ein Gesetz zum Thema würden sich CDU und CSU deshalb wohl nicht sperren. Doch entscheidend ist natürlich, was drin steht. Auch wenn eine Koalition Kompromissbereitschaft erfordert – nach Ansicht von Christoph Bals liegt die Latte hier für die Grünen ziemlich hoch.

    "Aber dass es sich am Schluss an einem Ziel von 80 bis 95 Prozent CO2-Reduktion, wie es in der Energiewende festgelegt ist, orientieren muss, und dass es einen vernünftigen Pfad dorthin zeigen muss, und die Schritte klar festlegen muss, das ist die Grundlage von so einem Gesetz. Sonst ist es kein Klimaschutzgesetz."

    Wenn es konkret wird, zeigen sich schnell die Bruchlinien
    Beim Klimaschutz und Energie haben die großen Parteien in den vergangenen Jahren viele ursprünglich Grünen-Themen übernommen. Die Energiewende gestalten in den letzten Jahren Andere: Die schwarz-gelbe Regierung hat nach Fukushima nicht nur den Atomausstieg organisiert, sie kann sich auch den Ausbau der Erneuerbaren mit auf die Fahnen schreiben; sie verantwortet aber auch die Kostenexplosion in den vergangenen Jahren. Wie die zu stoppen ist, darüber gehen die Ansichten zwischen Schwarz und Grün bisher auseinander.

    Das deutsche Klimaschutzziel von minus 40 Prozent bei den CO2-Emissionen bis 2020 hatte die bisherige Regierung von ihren Vorgängern übernommen, hieran will keiner rütteln - auch die SPD nicht. Jedenfalls in der Theorie. Wenn es konkret wird, zeigen sich schnell die Bruchlinien. Etwa beim Beitrag der Autoindustrie zum Klimaschutz. Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich intervenierte kurz nach der Bundestagswahl gegen EU-Pläne für strengere CO2-Ziele für die Branche.

    "Das ist in der Tat, was wir im Autobereich sehen, ein sehr schlechtes Omen und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Blockadepolitik im Klimabereich möglich wäre für Frau Merkel, wenn sie tatsächlich in eine schwarz-grüne Koalition gehen würde."

    Die stellvertretende Grüne-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn sieht das ganz ähnlich – Ausnahmen vom Klimaschutz für bestimmte Industriezweige würde sie zumindest auf Dauer nicht durchgehen lassen.

    "Aus diesem Klimaschutzgesetz heraus folgen in den Jahren danach, wenn die Klimaschutzziele nicht erreicht werden oder auch in Sektoren nicht erreicht werden, folgen Maßnahmen, damit man dann am Ende gemeinsam das Klimaschutzziel schafft."


    Mehr Beiträge zur Regierungsbildung auf unserer Themenseite "Regierung gesucht"


    Es gäbe also genügend Stoff für Streit zwischen Unionsparteien und Grünen - auch beim Klimaschutz. Bei einer Koalition mit der SPD wäre das allerdings nicht anders gewesen. In beiden großen Parteien hat ein ehrgeiziger Klimaschutz auch Gegner, sagt Christoph Bals von Germanwatch.

    "Mit etwas unterschiedlichem Zungenschlag: In der SPD eher 'pro Kohle', in dem CDU-Wirtschaftsflügel eher 'pro energieintensive Unternehmen'."

    Das Fazit
    Ein Klimaschutzgesetz wäre in einer schwarz-grünen Koalition aus grüner Sicht unverzichtbar und für die Union machbar – aber beide Partner sind sich hier höchstens im Grundsatz einig. In der Praxis beginnen die Differenzen, wenn es um Rücksicht auf Industrie- und Arbeitsplatz-Interessen geht. Das wäre allerdings bei einem Zusammengehen der Grünen mit der SPD genau so der Fall gewesen, denn auch dort gibt es Gegner einer schärferen Gangart bei dem Thema. Beide Seiten müssten Kompromisse schließen – unüberbrückbar scheinen die Differenzen bei diesem Thema jedoch nicht zu sein. Und ein Klimaschutzgesetz wird bei den Koalitionsverhandlungen ohnehin zur Sprache kommen – die Forderung danach steht schließlich auch im Regierungsprogramm der SPD.

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