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Die Königsmacher

Die Freien Demokraten kriechen in bayerischen Umfragen derzeit um die Drei-Prozent-Marke herum. Die Freien Wähler dagegen liegen bei satten zehn Prozent. Damit könnte deren Vorsitzender Hubert Aiwanger bei der nächsten Landtagswahl zum Königsmacher werden.

Von Michael Watzke | 08.09.2011
    Der Weißbierstadel von Abensberg. Hier, auf dem Gillamoos-Volksfest in Niederbayern, wetteifern die bayerischen Parteien darum, wer den besten Redner hat. Auf der Bühne der Holzscheune wippt ein Mann mit weißem Hemd und orangefarbener Krawatte, als habe er eine Aufziehfeder im Rücken. Er fühlt sich stark wie nie:

    "Ja, meine Damen und Herren, die Freien Wähler haben heute hier mehr Bürgermeister, als bei der FDP insgesamt im Zelt san!"

    Die Freien Demokraten kriechen in bayerischen Umfragen derzeit um die Drei-Prozent-Marke herum. Die Freien Wähler dagegen liegen bei satten zehn Prozent. Damit könnte Hubert Aiwanger bei der nächsten Landtagswahl zum Königsmacher werden. Ohne den Bundes- und Landesvorsitzenden der Freien Wähler wäre in Bayern dann nur eine große Koalition möglich. Aiwanger genießt diese Rolle. Er sieht sich als Anwalt der Landbevölkerung. Als Kämpfer für die zu kurz gekommenen Dorfgemeinden, die vom Wirtschaftswachstum kaum profitieren. Und die sich von der CSU verraten fühlen.

    "Sie hat in der letzten Zeit vergessen, sich auf die Durchschnittsbürger auf dem Land zu konzentrieren. Das ist zum Großteil ein Markenzeichen der Freien Wähler geworden."

    Viele Menschen in Nord- und Ostbayern stöhnen auf, wenn sie vom boomenden München hören. Auch dessen intellektueller Oberbürgermeister Christian Ude ist auf dem Land eher unbeliebt. Die SPD hat Ude gerade als Gegenkandidat von CSU-Ministerpräsident Seehofer aufs Schild gehoben. Ude aber kann Seehofer nach Lage der Dinge nur beerben, wenn die Freien Wähler mit ihm und den Grünen koalieren. Aiwanger betont gern, dass seine Partei in den bayerischen Kommunen mehr als doppelt so viele Bürgermeister stellt wie die SPD.

    "Wir sagen ganz klar: mehr Freiheit für die Kommunen, kommunale Entscheidungsträger stärken, der ländliche Raum kann sich auf die Freien Wähler verlassen."

    Nach jeder Pointe spielt die schon leicht angetrunkene Blaskapelle hinter Aiwanger einen Tusch wie sonst nur beim Fasching. Das passt gut zu Aiwangers Stimme, die bäuerlich und guttural klingt, mit vielen "oous" und "uuus". Egal ob der Redner gegen Ärzte aus Bangladesh wettert, die den Bayern angeblich die Jobs streitig machen, oder ob er die Griechen aufs Korn nimmt.

    "Es hat keinen Sinn, einen Fußkranken bei der Fußball-Weltmeisterschaft aufzustellen und ihn so lange zu prügeln, bis er ganz kaputt ist, und zu sagen: Rühr Dich halt endlich, Du fauler Hund! Wenn der ned kann, dann kann er ned, und dann muss man ihn auch in Ruhe lassen."

    Die Griechen und der Euro – ein Thema wie geschaffen für die Freien Wähler. Nirgendwo ist die Ablehnung gegen Europas Südosten so stark wie in Deutschlands Südosten. Nirgendwo schimpfen mehr Bürger über die faulen Griechen als in Bayern. Bürger wie Anton Meierhofer aus Freilassing.

    "Meiner Meinung nach ist das eine Frechheit. Die sind eines der zufriedensten Länder, und wir sollen arbeiten, damit die a Geld ham. Steuererhöhungen zum Beispiel, damit wir die anderen Länder finanzieren können, und so weiter. Ich tät's besser finden, wenn man die Mark wieder einführen tät. Weil das ist die eigene Währung, damit können die anderen nix anfangen. Das ist unser eigenes erwirtschaftetes Geld, da haben die anderen nix davon."

    Hubert Aiwanger spürt, dass die CSU den Europa-Frust der Bürger nicht nutzen kann. Schließlich darf die Partei von Theo Waigel, dem Vater des Euro, kaum die Wiedereinführung der Mark fordern. Hubert Aiwanger schon - wenn die Zeit reif ist:

    "Also ich glaube nicht, dass es uns heute schlechter ginge, wenn wir die Mark noch hätten. Jetzt aktiv die Mark zu fordern, passt noch nicht in die politische Landschaft. Aber noch mal klare Botschaft: Ich glaube nicht, dass Deutschland unterginge, wenn wir die Mark noch hätten."

    Die Rückkehr zur Mark: Noch ist sie nicht spruchreif. Aber das kann sich ändern. Und dann will Aiwanger sie zur Sprache bringen. Denn der Vorsitzende der Freien Wähler will aus seiner landesweiten Partei eine bundesweite machen. Das ist schon aus bayerischer Perspektive geboten. Den Freien Wählern fehlt bisher, womit die CSU und Seehofer seit Jahrzehnten punkten: Einfluss in Berlin. Ohne diesen Machtfaktor, das erkennt Aiwanger, kann er sich auf Dauer nicht gegen die Christsozialen behaupten.

    "Das Aufbauen der Freien Wähler auf Bundesebene ist in vollem Gange. Mittlerweile sind fast alle Bundesländer hinter der Fahne der Freien Wähler vereinigt. Und ich gehe persönlich davon aus, dass wir 2013 als, ja, Alternative im bürgerlichen Lager bei der Bundestagswahl teilnehmen werden."

    Bisher laufen die Freien Wähler außerhalb Bayerns nur unter "Sonstige". In Rheinland-Pfalz, Thüringen oder Sachsen-Anhalt kam die Partei bei Landtagswahlen auf ein bis vier Prozent. Will Aiwanger die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, braucht er ein bundesweites, emotionales Thema. Die Wiedereinführung der D-Mark? In seinen Reden heizt Aiwanger schon jetzt die Anti-Euro-Stimmung an:

    " ... weil sonst der Bürger auf die Barrikaden gehen wird. Und wird sagen: Ich bin doch nicht dafür da, 12 Prozent Zinsen für die Großbanken zu bezahlen. Und ich seh' mein Geld nimmer wieder. Wir wollen den Bürger im Mittelpunkt. Und wir wollen, wenn's passt, 2013 mitregieren, weil das gut wär' für Bayern. Danke!"

    Die Blasmusik spielt den Tusch gleich dreimal. Dann schmettert sie "Ein Prosit der Gemütlichkeit" hinterher. An den Biertischen stemmen Aiwangers freie Wähler die Maßkrüge in die Höhe. Auf den Euro stoßen sie nicht an.