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Die Konjunkturlokomotive lahmt

Ein Wachstum von 7,7 Prozent im ersten Quartal – davon können Industrieländer wie Deutschland nur träumen. Für China ist die Entwicklung aber enttäuschend. Nun machen sich Sorgen um die Weltkonjunktur breit.

Von Markus Rimmele |
    Peking stemmt sich gegen den Abwärtssog. Allein im März pumpten die staatlichen chinesischen Banken umgerechnet 120 Milliarden Euro in die Wirtschaft, um die Konjunktur zu beleben. Doch die Kreditflut hat offenbar wenig gebracht. 7,7 Prozent Wachstum im ersten Quartal. Das ist nicht der erhoffte Impuls für die Weltwirtschaft. Die Quote liegt unter der des Vorquartals. Beobachter sind enttäuscht. Sie hatten mit mindestens acht Prozent gerechnet. Die Börsen in Shanghai und Hongkong reagierten prompt mit deutlichen Kursverlusten. Vor allem die Industrieproduktion und der Export haben sich schwach entwickelt. Die Krise in Europa und die langsame Erholung in den USA machten sich negativ bemerkbar, so ein Vertreter des Nationalen Statistikamtes bei der Vorstellung der Zahlen. Die chinesische Konjunktur entwickelt sich also weiterhin schleppend. Im vergangenen Jahr war Chinas Wirtschaft bereits so langsam gewachsen wie seit 13 Jahren nicht mehr. Allein an äußeren Faktoren liegt die Wachstumsschwäche nicht, sagen Kritiker.

    "China hat ein strukturelles Problem. Das lässt sich nicht durch regelmäßige Konjunkturpakete lösen, so der Shanghaier Ökonom Andy Xie. Die Regierung redet schon seit zehn Jahren von Reformen, aber ich sehe keine konkreten Maßnahmen. China muss Ressourcen vom staatlichen in den privaten Sektor umschichten. Die Gesellschaft wird das Geld dann schon nach Marktregeln einsetzen. Als erste Maßnahme bieten sich etwa Steuersenkungen an."

    Weniger Staat, mehr Privatwirtschaft. Weniger Investitionen, mehr Binnenkonsum. Dahin muss sich China entwickeln, sagen die meisten Experten im In- und Ausland unisono. Das bisherige Wachstumsmodell habe ausgedient. Tatsächlich rechnet auch Peking nicht mehr mit zweistelligen Wachstumsraten wie in der Vergangenheit:

    "In den vergangenen 30 Jahren wuchs unsere Wirtschaft um ungefähr zehn Prozent pro Jahr, sagt Shen Laiyun vom Statistikamt. Das war möglich durch die vorhandene Menge an günstigen Arbeitskräften und die Größe des chinesischen Marktes. So konnten wir unsere Industrieproduktion entwickeln. In den vergangenen Jahren wurde die Arbeitskraft aber teurer, weil das Angebot knapper wird. Heute sind höhere Löhne notwendig, um Arbeitskräfte anzuziehen."

    Die Regierung will nach eigener Aussage weniger Tempo als früher, dafür mehr Qualität des Wachstums, etwa durch Innovation und Hightech. Die jüngsten Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache. Das Wachstum hat sich zwar verlangsamt, allerdings stärker als erwünscht. Und nach wie vor dominieren die Investitionen. So legten etwa die Ausgaben auf dem bereits überhitzten Immobilienmarkt um 20 Prozent zu. Und die Regierung pumpt weiterhin Milliarden in die Infrastruktur. Eine Neuausrichtung der Wirtschaft lässt auf sich warten. 7,7 Prozent klingen für entwickelte Wirtschaften nach einem Traumergebnis. Für das Schwellenland China mit seinem großen Nachholbedarf ist das allerdings wenig. Jedes Jahr strömen zumal Millionen Arbeitskräfte neu auf den Markt. Peking befürchtet soziale Unruhen, sollte es zu einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit kommen.