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Die konkurrenzlose Schavan

Dass Annette Schavan (CDU) in ihrer Dissertation plagiiert haben soll, können sich nur wenige aus ihrem Heimat-Wahlkreis vorstellen. Und so stellten sich viele hinter die Wissenschaftsministerin - aber mit hörbaren Abstrichen.

Von Michael Brandt |
    Paul Glökler sitzt an seinem Schreibtisch in der Sparkasse Blaubeuren und weiß überhaupt nicht, warum sich die Leute so über Anette Schavans Doktorarbeit aufregen:

    "Wir haben überhaupt keinen Anlass, an der Richtigkeit und der sachlichen Vollständigkeit dieser Arbeit zu zweifeln. Im Übrigen wird das ja auch bestätigt durch ihren Doktorvater, der ja hochbetagt noch lebt, und die Geschichte genauso sieht."

    Der Mann ist entspannt, der oberste Hemdknopf steht offen und er sieht ganz anders aus, als man sich einen Anlageberater bei der Kreissparkasse vorstellt. Kein smarter Anzugträger sondern einer, der daherkommt, wie die Handwerker und Landwirte, mit denen er täglich zu tun hat und denen er dann einen der Sparkassenkalender für das Jahr 2013 in die Hand drückt, die sich im Augenblick an der Wand hinter ihm stapeln.

    Seit 20 Jahren ist Glökler Kreisvorsitzender der CDU Alb Donau Ulm und als solcher ist er stolz auf die Bundestagsabgeordneten, die seinen Wahlkreis im Laufe der Zeit vertreten haben. Zuerst Ludwig Erhard, dann der heutige Landrat Heinz Seiffert und seit 2005 Bundesforschungsministerin Annette Schavan:

    "Generell kann festgestellt werden, dass die Wahlkreisabgeordnete insgesamt eine hervorragende Arbeit abliefert. Was wir natürlich berücksichtigen müssen, ist die Problematik, dass wir es mit einer Ministerin zu tun haben. Und die zusätzliche Arbeit im Kabinett bedeutet natürlich in der Konsequenz, dass wir gewisse Abstriche machen müssen bei der Präsenz im Wahlkreis."

    Glökler war zu Beginn der Woche einer der Ersten, der sich hinter die Ministerin gestellt hat, als Details aus dem Ausschuss bekannt wurden, der sich an der Uni Düsseldorf mit Schavans Dissertation befasst. Und er hat keinen Zweifel daran, dass die Parteimitglieder das genauso sehen und sie am 25. Januar 2013 erneut als Bundestagskandidatin nominieren.

    "Und derzeit zeichnet sich auch nicht ab, dass innerhalb des Kreisverbandes großartig personelle Bewegung stattfindet, sondern ich gehe davon aus, dass Frau Schavan aus meiner Sicht nach momentanem Stand der Dinge konkurrenzlos ist."

    "Aus meiner Sicht" und "nach momentanem Stand der Dinge", sagt Glökler und lässt auch die Abstriche bei der Präsenz von Schavan im Wahlkreis nicht unerwähnt. Kleine Trübungen scheint es also doch zu geben im Verhältnis zwischen Schavan und ihren Wählern. Und was für den Kreisverband Alb Donau Ulm gilt, gilt für den baden-württembergischen Landesverband der CDU erst recht.

    Ministerpräsident Erwin Teufel war es, der die junge Kommunalpolitikerin Schavan 1995 aus Neuss nach Stuttgart holte und zur Kultusministerin machte. Zehn Jahre war sie in seinem Kabinett. Teufel selbst sagt, er kenne Schavan durch und durch und traue ihr keine Schummeleien zu. Anders als ihr Förderer Teufel tat sich die baden-württembergische CDU aber immer ein wenig schwer mit der Katholikin aus dem Rheinland. Und die mit der Partei - so zumindest formuliert es ein Kenner der Partei, der seinen Namen nicht nennen will.

    Das zeigte sich auf offener Bühne, als Teufel sie 2004 als Nachfolgerin favorisierte, sie aber am Ende nach einer Mitgliederbefragung gegen Günter Oettinger unterlag. Und es zeigte sich noch deutlicher im Sommer 2011, als Schavan sich als Bundesministerin für die Abschaffung der Hauptschulen aussprach - und damit der Position des eigenen Landesverbandes, die früher auch ihre eigene war, widersprach. Das führte auf einem Landesparteitag bei einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer bemerkenswerten Szene:

    "Nun hatten wir auf dem letzten Parteitag in Stuttgart miteinander verabredet, dass der nächste Parteitag mit Bildung sich befassen soll (Zwischenrufe: aber nicht so) Was? Aber net so? Ist ja noch gar nicht sicher."

    Zwischenrufe und vereinzelte Buhs, als die Kanzlerin über das Konzept ihrer Freundin Annette Schavan spricht, die aus dem eigenen Landesverband kommt - so etwas gab es in CDU Baden-Württemberg bis dahin noch nie. Schavan verteidigte sich und lenkte am Ende ein. Es ginge ihr nicht um die Abschaffung des Hauptschulabschlusses, sondern darum möglichst viele Schulstandorte zu erhalten, und daher Haupt- und Realschüler an einem Ort zu unterrichten

    "Ob das zweigliedrig heißt oder nicht, ist mir, unter uns gesagt, völlig egal. Und ob das Oberschule oder Mittelschule oder Sek…, total egal. Das Entscheidende ist der Erhalt des Hauptschulabschlusses."

    Damit war der Riss zwischen der Ministerin und dem Landesverband gekittet, zumindest äußerlich. Paul Glökler vom Kreisverband Alb Donau steht natürlich auch bei diesem Thema zu seiner Abgeordneten, aber dass da etwas war, räumt er ein:

    "Wenn man sich mal im Lande in einer Position mal etwas abweichend äußern darf, dann gehört das zum politischen Geschäft dazu, also ich häng das ganze Ding nicht so hoch, also da ist kein Bruch drin, sondern das war mal eine atmosphärische Unstimmigkeit und damit ist das Thema dann auch erledigt."

    Dass aber doch noch nicht alles in bester Ordnung war, zeigte sich in diesem Sommer bei der Frage, ob Schavan wieder als Stellvertreterin von Angela Merkel in den Parteivorstand einzieht. Schon 2010 hatte sie von den vier Stellvertretern das schlechteste Ergebnis bekommen, nun war fraglich, ob es diesmal überhaupt reichen würde. Sie zog die Konsequenz und kündigte an, auf dem Bundesparteitag im Dezember nicht mehr als Stellvertreterin zu kandidieren.

    Bundestagsabgeordnete will Schavan bleiben, aber auch da hat die Landespartei mitzureden. Zuerst bei der Nominierung am 25. Januar, wo es "nach momentanem Stand der Dinge" keinen Gegenkandidaten gibt. Und dann im nächsten Jahr beim Aufstellen der Landesliste.