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Die Kopftuch-Diskussion

Fünf Bundesländer haben bis jetzt mit Gesetzentwürfen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes reagiert. Die anderen beraten noch darüber oder sehen keinen Handlungsbedarf. Ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen wollen definitiv Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, das Saarland und Hessen an ihren Schulen durchsetzen. Bis zur Sommerpause soll in den Parlamenten darüber abgestimmt werden.

Von Agnes Steinbauer |
    Hessen geht dabei am weitesten. Dort soll das Tragen eines Kopftuchs nicht nur Lehrerinnen, sondern allen Beamtinnen verboten werden. In den anderen Ländern hat die Kopftuchdebatte die parlamentarische Ebene noch nicht erreicht. In Berlin soll im März ein Gesetzentwurf vorliegen. Dort wird – wie in Hessen – darüber nachgedacht, das Kopftuchverbot auf alle Beamtinnen auszuweiten.

    Andere Länder, wie Rheinland-Pfalz, Sachsen, Bremen oder Hamburg sehen überhaupt keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung. Laut Bildungssenator Reinhard Soltau (FDP), gebe es in Hamburg ohnehin nur eine kopftuchtragende Lehrerin, die sich großer Beliebtheit erfreue.

    Das sibyllinische Urteil der Karlsruher Richter vom 24. September 2003 bewirkt genau das Gegenteil dessen, was es eigentlich erreichen sollte: Den Kampf der Kulturen einzudämmen. Es lässt die Länder mit schwammigen Formulierungen wie, sie sollten "im Rahmen ihrer Schultradition und im Lichte der Religionsfreiheit handeln" zurück. Die Quittung kam als erstes aus Baden-Württemberg.

    Der Gesetzentwurf dort erlaubt christlichen und jüdischen Lehrern, was er muslimischen verbietet. Das Kopftuch muss weg, aber christlich-abendländische Symbole dürfen schon sein. Dem Vorwurf der Ungleichbehandlung ist damit Tür und Tor geöffnet.
    Besonders heftig tobt der Streit zur Zeit in Hessen und Berlin. In Hessen erntete die CDU-Landtagsfraktion für ihren Gesetzentwurf empörte Schelte. So kritisierte die Gewerkschaft ver.di, dass neben schweren verfassungsrechtlichen Bedenken das Kopftuchverbot eindeutlich frauenfeindlich sei, weil es nur Frauen treffe und keine Männer. Ähnlicher Meinung ist auch die grüne Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck. Auch barttragende männliche Muslime würden schließlich nicht unter den Generalverdacht gestellt, islamistische Terroristen zu sein, argumentiert sie und plädiert für die Freiheit, Kopftuch zu tragen, solange keine politischen Motive darunter vermutet werden können.

    Auch Bundespräsident Johannes Rau trat für die Kopftuchfreiheit ein: "Die öffentliche Schule muss für jeden zumutbar sein", betonte er in kürzlich in einer heftig umstrittenen Rede. Eine große Mehrheit, derer, die das Kopftuch aus den Schulen verbannen wollen, hat pikanterweise ihre Wurzeln in der islamischen Welt. Etwa die drei muslimischen Parlamentarierinnen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, die eine überparteiliche Fraueninitiative gegen das Kopftuchverbot als "blauäugig" und "naiv" kritisierten.

    Auch für den grünen Berliner Migrationsexperten Özcan Mutlu helfen gegen den Kampf der Kulturen nur klare Regeln: Das heißt, keine sichtbaren Symbole jedweder Religion bei Lehrerinnen und Lehrern. Die iranisch-französische Autorin Chahdortt Djavann verteufelt das Kopftuch als das Symbol für die Unterdrückung der Frau schlechthin. Der Koran schreibe es nicht vor, nur die Islamisten, so Djavann und hätten mittlerweile gefährlichen Einfluss in Europa gewonnen.