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Die Kosovokrise und die Verhandlungen in Rambouillet

DLF: Die Verhandlungen in Rambouillet drehen sich im Kreis. Man verhandelt nicht einmal an einem Tisch: Blockadehaltung auf beiden Seiten. Es klingt wie Dayton 95 – und ist doch Rambouillet bei Paris 99. Heute wollen sich erneut der französiche und britische Außenminister in die Gespräche einschalten, und auch der serbische Präsident Milutinovic hat seine Teilnahme angekündigt. Noch ist Zeit, denn bis zum 19. Februar erst muß der Friedensplan vorliegen. Ich habe vor dieser Sendung mit der Finnin Elisabeth Martha Rehn gesprochen. Frau Rehn ist stellvertretende UNO-Generalsekretärin und Sonderbeauftragte für Bosnien-Herzegowina. Der Arbeitsplatz dieser Frau, die 1994 fast Präsidentin von Finnland wurde, und die die erste Vertei-digungsministerin überhaupt in der Welt war, ihr Arbeitsplatz ist Sarajewo. Ich habe sie zunächst gefragt, welche Rolle die UNO derzeit auf dem Kriegsschauplatz Kosovo – in der direkten Nachbarschaft zu Bosnien-Herzegowina – spielt.

    Rehn: Wenn im Kosovo etwas Dramatisches geschieht, dann müssen wir damit rechnen, daß es Auswirkungen auch auf Bosnien-Herzegowina haben wird. Das können wir bereits jetzt beobachten. Die serbische Seite schaut nicht nur zu und sie wartet auch nicht ab. Dazu ist sie alles andere als kooperativ. Wenn sich die Internationale Gemeinschaft tatsächlich zu einem ernsten Schritt entschließt, dann haben wir natürlich auch die Sicherheit für das UN-Personal im Auge, das in Sarajewo eingesetzt ist. Bosnien-Herzegowina bekommt die Kosovo-Krise zu spüren. Etwa 13.000 Albaner sind geflüchtet, sind jetzt in Sarajewo und anderen Orten, aber das ist noch nicht das eigentliche Problem. Vor allem möchte ich vor einer Unabhängigkeit des Kosovo warnen, denn wenn der Kosovo seine Unabhängigkeit erlangt, dann werden die Republik Skabska und auch Kroatien nachziehen. Schon deshalb haben wir großes Interesse an einem entsprechenden Ergebnis bei den Verhandlungen von Rambouillet.

    DLF: Die Kosovo-Verhandlungen in Rambouillet verlaufen schleppend, so daß Erinnerungen an die Dayton-Friedensverhandlungen wach werden, die ja ebenfalls alles andere als einfach waren. In Dayton hat der amerikanische Präsident sein ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen, um den Verhandlungen zum Erfolg zu verhelfen. Wer hat in Rambouillet das Gewicht? Sehen Sie eine solche Persönlichkeit, die dies – im Falle eines Falles – leisten könnte?

    Rehn: Es stimmt, Präsident Clinton hat die Verhandlungen aus der Sackgasse geführt, als beide Parteien sie wieder einmal blockierten, ihre Spiele spielten und Tricks versuchten. Ich kann mich gut daran erinnern. Ich war dabei, als es um die Menschenrechte ging. Ich weiß noch gut, wie gespannt die Atmosphäre war. Clintons Hilfe war enorm wichtig. Ich bin sicher, daß es in ähnlichen Situationen jetzt, wenn die Seiten sich wieder querstellen und ihre Tricks probieren, oder was auch immer, daß es auch in Rambouillet ebenfalls eine starke Persönlichkeit geben wird, vielleicht auch mehrere Personen. Ich denke da an die beiden Außenminister von Frankreich und Großbritannien. Sie sind beide starke Persönlichkeiten. Und denken Sie an die Russen. Auch sie vertreten eine starke Position oder könnten sie zumindest vertreten. Sie könnten mit der Faust auf den Tisch hauen. Also, ich sehe mehr als eine Person. Ich sehe eine Runde von Skatspielern, vielleicht sogar ein Quartett.

    DLF: Haben Sie eine Veränderung der russischen Position nach dem Massaker von Recak bemerkt?

    Rehn: Ich war vor kurzem in Moskau und habe dort einen ähnlichen Willen gespürt, bei der Lösung des Kosovo-Problems mitzuhelfen. Recak war ein so grausames schreckliches Verbrechen, so daß ich schon sagen würde, daß die Russen mehr Druck machen möchten. Allerdings muß man auch an die Schwierigkeiten denken, die Rußland hat. Es ist nicht klar, wer nun tatsächlich das Land führt. Präsident Jelzin ist schwach, körperlich auf jeden Fall. Auch die wirtschaftliche Situation ist schlecht. Das alles zusammen bedeutet, daß Rußland nicht so viel Druck machen kann, wie es gern würde. Aber vergessen Sie nicht die wirklich guten russischen Diplomaten, die bei den Verhandlungen dabei sind, wie den russischen Außenminister Ivanow, der auch schon Dayton-Erfahrungen hat. Ich hoffe, alle, die in Dayton dabei waren und jetzt wieder am Tisch sitzen, haben ihre Lektion gelernt, denn das kann jetzt nur nützlich sein bei den Kosovo-Verhandlungen.

    DLF: Welches Ergebnis kann Rambouillet bringen?

    Rehn: Welche Optionen haben wir? Bodentruppen, ja, die können eingesetzt werden. Allerdings braucht man dafür eine recht große Truppenstärke. Luftschläge, die könnten den Druck auf den serbischen Präsidenten Milosevic erhöhen. Aber ob sie tatsächlich die Probleme lösen?

    DLF: Sie haben noch während der Dayton-Friedensverhandlungen für einen starken Kurs gegenüber Milosevic plädiert. Sie warnten die Internationale Gemeinschaft davor, auf Milosevic zuzugehen, ihm für seine Kooperation bei Dayton zu danken, solange er die Albaner im Kosovo so massiv unterdrückt. Wird Milosevic noch einmal einen solchen Vertrauensvorschuß erhalten?

    Rehn: Ich glaube nicht, daß die Internationale Gemeinschaft Präsident Milosevic sonderlich vertraut, vor allem nach den schlechten Erfahrungen. Wenn er allerdings an Vereinbarungen gebunden ist, dann ist die Sache ziemlich klar. Ich meine, wir sollten daran denken, welchen Hintergrund er hat, mit welchen Leuten er sich umgibt, wie er die Regierung führt, all das. Es ist schwer vorauszusagen, welches Ergebnis die Verhandlungen bringen. In Dayton sind schwere Fehler gemacht worden, zum Beispiel in bezug auf die Menschenrechte. Auch sind Punkte einfach ausgelassen worden, wie eben der Kosovo.

    DLF: Stimmen Sie denjenigen zu, die kritisieren, daß die Internationale Gemeinschaft im Kosovo zu lange zugeschaut und abgewartet hat, wo sie doch eigentlich hätte handeln müssen?

    Rehn: Ja, jeder wußte, daß die Kosovo-Frage hätte einbezogen werden müssen, aber es war absolut unmöglich. Wir hätten das Dayton-Abkommen nicht erzielt, wenn auch der Kosovo ein Verhandlungspunkt gewesen wäre. Der Kosovo mußte damals beiseite gelassen werden. Und nun stehen wir diesem neuen alten Problem erneut gegenüber.

    DLF: Elisabeth Rehn war das. Die finnische Politikerin ist stellvertretende UNO-Generalsekretärin und Sonderbevollmächtigte für Bosnien-Herzegowina.