Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die Kosten künftiger Fluten

Dass die Klimaerwärmung Überschwemmungen fördert, ist bekannt. Wie eine neue Studie erörtert, verschärfen Landabsenkung und starkes Bevölkerungswachstum in Küstenstädten das Problem aber noch. Vor allem verteuern beide Phänomene potenzielle Flutkatastrophen ungemein.

Von Volker Mrasek | 19.08.2013
    Die Industriestadt Guangzhou in China belegt Platz 1. Auf den nächsten Rängen folgen die drei US-Metropolen Miami, New York City und New Orleans. Das sind die Küstenstädte mit den höchsten zu erwartenden Flutschäden in der Zukunft. Mitte des Jahrhunderts werden sie sich auf jeweils über 500 Millionen US-Dollar belaufen – pro Jahr und sofern die Städte ihren Küstenschutz nicht verstärken.

    Das ist das Ergebnis der neuen Studie, in der die größten Küstenstädte der Welt untersucht wurden, und zwar genau 136.

    Allerdings müssten alle von ihnen mit steigenden Schäden durch Überschwemmungen rechnen, wie Robert Nicholls betont, Professor für Ingenieurwesen an der Universität Southampton in England und einer der Studienautoren:

    "Die Studie ist ein Weckruf an alle Küstenstädte. Jede von ihnen muss Vorkehrungen treffen. In unserer Studie tritt ein wichtiger Trend zu Tage. Er zeigt: Das Risiko für Flutschäden wächst überall! Das heißt, alle Küstenstädte bekommen Probleme, wenn sie sich nicht auf das steigende Flutrisiko vorbereiten."

    Dass das Schadenspotenzial durch Sturmfluten vom Meer weltweit wächst, hat gleich mehrere Gründe.

    "Die Bevölkerung in Küstenstädten wächst rapide. Es entstehen mehr Häuser und so auch mehr Infrastruktur, die überflutet werden kann. Hinzu kommt, dass der Meeresspiegel global steigt, als Folge der Klimaerwärmung. Fluten können deshalb weiter landeinwärts vordringen. Und schließlich gibt es auch noch das Phänomen der Landabsenkung, insbesondere in vielen Küstenstädten Asiens. Dort wird Grundwasser in großem Umfang aus dem Untergrund gepumpt, so dass die Städte absinken. Das kann die Sache noch viel schlimmer machen."

    Die Forscher arbeiteten in ihrer Studie mit einer ökonomischen Größe. Sie nennt sich "durchschnittlicher Jahresverlust". Damit lässt sich abschätzen, welche Schadenssummen zusammenkommen, wenn eine Sturmflut bestehende Dämme durchbricht oder hinüberschwappt.

    Heute, so die Studie, beträgt die Summe dieser Schäden in allen Küsten-Großstädten zusammen noch sechs Milliarden Dollar pro Jahr. Mitte des Jahrhunderts dagegen eine Billion – das ist ein Anstieg um den Faktor 160! Und macht klar, wie gewaltig das Risiko für Flutschäden in Zukunft wächst.

    Colin Green, Professor am Forschungszentrum für Flutgefahren der Middlesex University in London, auch er Mitautor der neuen Studie:

    "Die finanziellen Schäden sind in reichen Ländern größer als in ärmeren. Aber wenn man sich die wirtschaftlichen Folgen anschaut, dann ist die Situation genau umgekehrt. In Miami zum Beispiel stehen sicher höhere Werte auf dem Spiel als in Hanoi. Aber dort, in Vietnam, sind Flutschäden eine viel stärkere ökonomische Belastung als in Miami."

    Das drückt sich auch in einer zweiten Rangliste aus, die Colin Green und seine Kollegen erstellten. In ihr stehen die 20 Küstenstädte, bei denen die potenziellen Flutschäden am höchsten sind, wenn man sie mit dem Bruttosozialprodukt vergleicht, also mit der Wirtschaftskraft. In dieser Liste stehen nur wenige Metropolen aus Industrieländern. Es überwiegen Küstenstädte in Asien wie Hanoi oder Mumbai; auch Abidjan in der Elfenbeinküste in Westafrika ist dabei. Lauter Städte, die ökonomisch nicht so gut aufgestellt sind. Gleichwohl sollten auch sie ihren Küstenschutz verstärken, rät Colin Green. Der Wasserwirtschaftler sieht nun die Politik am Zug:

    "Wir werden nicht den Planeten durch Fluten ausradieren. Aber das Problem ist doch so groß, dass wir es nicht ignorieren dürfen. Unsere Studie gibt Politikern den Anstoß, vorauszuplanen und aktiv zu werden. Sie können jetzt nicht mehr sagen: ‘Wir wissen nicht, wie hoch die Schäden sein werden und ob wir etwas tun sollen.’"

    Tatsächlich lässt sich das Risiko stark mindern. Nicht nur durch den Bau von Deichen, sondern auch durch kluge Stadtentwicklung, wie die Forscher empfehlen. Angebracht sei das vor allem in jenen Küstenstädten, denen ein starkes Bevölkerungswachstum erst noch bevorsteht. Dort könnte man zum Beispiel Neubausiedlungen nur noch landeinwärts errichten oder Häuser auf Pfähle stellen. Hohe Flutschäden ließen sich so vermeiden.