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Die Kraft der Algen

Energie.- Wenn fossile Energieträger in absehbarer Zeit ausgehen, stellt sich die große Frage: Was könnte als Ersatz dienen? Die Antwort könnte im Wasser liegen: Algen.

Von Volker Mrasek |
    Auf einer Fachkonferenz über die Nutzung von Algen würde man nicht unbedingt mit großen Gefühlsausbrüchen rechnen. Doch in Frankfurt am Main, auf der Tagung der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, Dechema, wurde jetzt sehr emotional debattiert. Dafür sorgte vor allem der Vortrag eines Mannes: Ulrich Steiner, Spezialist für neue Strategien zur Energieerzeugung im Bereich Anlagenbau der Bayer AG in Leverkusen:

    "Aus meiner Sicht völlig unrealistisch."

    So kommentierte der ausgebildete Kernphysiker Visionen, die es von der Algen-Biotechnologie der nahen Zukunft gibt. Demnach könnten die pflanzlichen, Photosynthese betreibenden Organismen helfen, unsere Energieprobleme zu lösen. Große Mikroalgen-Zuchten würde man dazu bringen, aus nichts als Sonnenlicht und Kohlendioxid Bio-Ethanol herzustellen, einen Ersatz für Benzin. Oder auch Bio-Kerosin, wie die Luftfahrtindustrie hoffnungsfroh verkündet. Ein weiterer Vorteil: Algen beanspruchen kein Ackerland. Man könnte sie selbst in der Wüste aufziehen. Ulrich Steiner aber stellt dieses Zukunftskonzept in Frage:

    "Das Problem ist einfach, dass wir eine sehr dünne Energiequelle haben. Das ist das Sonnenlicht, was auf dem Erdboden ankommt. Und dass wir zur Ernte dieser Energie einen Prozess einsetzen, der selber eine sehr geringe Effizienz hat, einen sehr geringen Wirkungsgrad hat, nämlich die Photosynthese."

    Selbst in den strahlungsreichsten Gebieten der Erde müsse man in die Produktion von Biosprit aus Algen deshalb am Ende mehr Energie hineinstecken als dabei herausspringe.

    "Für Pumpen, für die Extraktion, für Trocknungen, für Temperaturregelungen und so weiter. Das heißt, ich habe eine negative Energiebilanz, die für eine Produktion von Energie natürlich völlig unsinnig ist."

    Steiners Vortrag löste eine hitzige Diskussion aus, und - Widerspruch. Tagungsteilnehmer betonten, die Forschung über Mikroalgen stecke noch in den Kinderschuhen und es gebe ein durchaus großes Entwicklungspotenzial – auch und gerade auf der Seite der Anlagentechnik. Die meisten Forscher favorisieren die Algenaufzucht in sogenannten Photo-Bioreaktoren. Denn in einem geschlossenen System lassen sich die Wachstumsbedingungen der Organismen kontrollieren. Olaf Kruse, Professor für Algen-Biotechnologie an der Universität Bielefeld:

    "Es hängt sehr, sehr viel davon ab, inwieweit die Verfahrenstechnik in der Lage ist, effiziente, kostengünstige Photobioreaktoren zu bauen, die dann auch in der Lage sind, mit positiven Energiebilanzen aufzuwarten. Das wird sich zeigen. Die Biologie kann versuchen, effizientere Algenstämme zu konstruieren. Das machen wir auch ganz erfolgreich eigentlich. Wir können versuchen, den Energie-Gewinnertrag zu maximieren. Aber es steht sicherlich an, dass ein gewisser Flaschenhals in der zukünftigen Nutzbarkeit von Mikroalgen in der Verfahrenstechnik steckt."

    Zusammen mit einem Kollegen aus Australien leitet Olaf Kruse ein neues internationales Forschungskonsortium. Sein Ziel ist es, die Produktion von Bio-Kraftstoffen mithilfe von Mikroalgen voranzutreiben. In einem Artikel für die Fachzeitschrift "Nature Biotechnology" schlagen die beteiligten Wissenschaftler jetzt vor, Algen mehrfach zu nutzen. Und zwar in großen Bio-Raffinerien, die neben Ethanol oder Biodiesel auch noch andere Wertstoffe ausspucken:

    "Das können sogenannte Hochwertprodukte sein. Das sind oft Produkte, die in der pharmazeutischen oder kosmetischen Industrie von Interesse sind. Das können aber auch Futtermittelprodukte sein, für die Fischzucht, für die Zucht von Hühnern zum Beispiel. Ich denke, dass eine Kombination von Bioenergie mit stofflicher Mehrfachverwertung sehr wohl dazu geeignet ist, auch eine bioenergetische Nutzung von Mikroalgen in der Zukunft als realistisch zu sehen."

    Einigkeit bestand übrigens darüber, dass es – wenn überhaupt - noch eine ganze Weile dauern wird, bis nennenswerte Mengen Algen-Sprit zur Verfügung stehen. Und dass die Luftfahrtbranche schief liegt, wenn sie glaubt, damit schon in ein, zwei Jahrzehnten große Teile ihrer Flotte betanken zu können. In diesem Punkt wurde dann auch Biologe Kruse sehr deutlich:

    "Realistisch ist das in keiner Weise."