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Die Krippe der Hurrikans

Meteorologie. - Rund ein Jahr nach "Katrina" und dem Desaster von New Orleans hat im Atlantik wieder die Hurrikan-Saison begonnen. Um der Natur der gewaltigen Stürme besser auf die Spur zu kommen, reisen Forscher bis nach Westafrika - denn hier haben die Hurrikans ihre Geburtsstätten.

Von Volker Mrasek |
    Normalerweise verbindet man mit der Nasa aufwendige Satelliten-Missionen ins Weltall. Doch die US-Raumfahrtbehörde unterhält auch Forschungsflugzeuge. Ihr größtes, eine umgebaute DC-8, schickt sie jetzt quer über den Atlantik auf die Kapverdischen Inseln, vor der Westküste Afrikas. Dort startet die Nasa heute eine rund vierwöchige Messkampagne. Projektleiter ist der Meteorologe Ed Zipser von der University of Utah in den USA:

    "Manchmal dauert es Tage, bis sich aus einer atmosphärischen Störung ein tropischer Wirbelsturm entwickelt. Manchmal passiert das aber auch innerhalb von 24 Stunden. Wir wissen noch nicht, wodurch diese Intensivierung gesteuert wird - warum sie mal so langsam abläuft und mal so zügig."

    Über dem Atlantik hat die Hurrikan-Saison schon wieder begonnen. In Westafrika gilt das gleiche für die diesjährige Monsun- und Regenzeit. Beides hat miteinander zu tun:

    "Nirgendwo sonst auf der Erde entstehen so viele atmosphärische Störungen wie in Afrika während des Sommer-Monsuns. Das kommt durch den starken Temperatur-Unterschied zwischen dem Atlantischen Ozean und der Sahara. Dadurch entstehen starke Bodenwinde. Sie erzeugen die atmosphärischen Störungen, aus denen dann über dem Atlantik tropische Wellen werden, wie wir sie nennen."

    Diese tropischen Wellen erstrecken sich oft über Hunderte von Kilometern. Wenn der Atlantik warm genug ist und sich dazu noch Sommergewitter mit aufsteigenden Luftmassen einstellen, dann werden aus diesen atmosphärischen Wellen rotierende Tiefdruckwirbel. Sie driften weiter westwärts auf Amerika zu und können am Ende Hurrikans hervorbringen. Wenn Meteorologe Zisper und seine Kollegen jetzt Messflüge durch den Monsun absolvieren, dann begeben sie sich also in eine der wichtigsten Geburtsstätten atlantischer Wirbelstürme ...

    "Es gibt zwei Thesen zur Hurrikan-Entstehung. Eine besagt, dass die Eigenschaften der Ausgangsstörung wie über Westafrika maßgeblich sind. Die ursprüngliche atmosphärische Welle müsse nur groß genug sein, dann entwickle sich aus ihr am Ende auch ein Hurrikan. Nach der anderen Theorie genügt das jedoch nicht. Danach braucht man nicht nur dieses riesige Tiefdruckgebiet, sondern auch noch zusätzliche Störungen durch kleinere Verwirbelungen über dem Ozean, vergleichbar vielleicht mit Tornados."

    Mit ihrer DC-8 wollen die Forscher jetzt durch die Atmosphärenwellen vor Westafrika fliegen. Messen werden sie dabei unter anderem Windgeschwindigkeiten, Luftdrücke und die Eigenschaften von Wassertröpfchen und Eispartikeln in Gewitterwolken. Am Ende wissen die Forscher vielleicht mehr darüber, was sich genau in den Geburtsstunden atlantischer Wirbelstürme abspielt. Das soll helfen, die Hurrikan-Vorhersage zu verbessern. Auch das deutsche Forschungsflugzeug Falcon ist zurzeit vor Ort, des Weiteren britische und französische Maschinen. Das Nasa-Projekt ist in eine viel größere Forschungskampagne eingebunden. Sie befasst sich ganz allgemein mit dem westafrikanischen Monsun. Er bringt den Ländern südlich der Sahara alljährlich überlebenswichtige Niederschläge. Cornelius Schiller, Atmosphärenphysiker vom Forschungszentrum Jülich, direkt aus dem Kampagnen-Stützpunkt in Burkina Faso:

    "Insgesamt 70 Leute aus Europa sind mitgekommen, um Instrumente - auf jedes Flugzeug etwa 15 - zu installieren, während der Messflüge eben zu betreiben und dort die Zusammensetzung der Atmosphäre zu messen. Um dann hinterher die Vorhersagen für diese Region der Welt, die bisher noch relativ unerforscht ist, zu verbessern."

    Der westafrikanische Monsun schwächt sich seit Jahren ab - offenbar eine Folge des Klimawandels. Die Länder der Sahara leiden deshalb zunehmend unter Wasserknappheit. Ackerpflanzen verdorren, weil der Regen ausbleibt. Bessere Wettervorhersagen sollen es den Landwirten künftig erlauben, im richtigen Moment zu säen - dann, wenn wirklich Monsun-Regenfälle bevorstehen.