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Die Kritik der Kirche an eingetragenen Lebenspartnerschaften

    Capellan: Ist die Basis also weiter als die Parteispitze, gilt das möglicherweise auch für die Kirche? Darüber möchte ich nun mir Kardinal Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz sprechen. Guten Morgen, Herr Lehmann. Lehmann: Guten Morgen.

    Capellan: Herr Lehmann, glauben Sie wirklich, dass Sie in der katholischen Kirche eine Mehrheit und Zustimmung haben für Ihre Ablehnung gegenüber der sogenannten Homo-Ehe? Lehmann: Ich glaube, dass wir da eine sehr hohe Mehrheit haben. Aber wenn man mal unterscheiden muss: Es geht ja in erster Linie eigentlich gar nicht darum, dass man gegen eine eingetragene Lebenspartnerschaft sein muss, schon gar nicht, dass man Homosexuelle diskriminiert. Da sind die Menschen, denke ich, in einem hohen Maße dafür und selbstverständlich auch in den Kirchen. Aber das ist ja nicht die Frage. Die Frage ist, ob diese Parallelisierung mit der Ehe und die strukturelle Ähnlichkeit mit der Ehe nicht eigentlich den besonderen Schutz von Ehe und Familie in unserer Gesellschaft aushöhlt. Das ist eigentlich für uns die entscheidende Frage.

    Capellan: Nun haben aber die Richter gestern gesagt: Eine Lebensgemeinschaft von Homosexuellen steht eben nicht in Konkurrenz zur Ehe, denn Gleichgeschlechtliche sind nun mal nicht für die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau zu gewinnen. Warum also sehen Sie die Ehe in Gefahr? Lehmann: Wenn Sie sagen, "die Richter", dann gibt es ja immerhin drei von den Argumenten her gewichtige Minderheitsquoten, und wenn ein Richter in einem solchen Senat ein Minderheitsvotum öffentlich formuliert, dann ist das ein Zeichen dafür, dass eine gewichtige Auseinandersetzung, die nicht entschieden werden konnte, im Senat stattgefunden hat. Das zeigt natürlich die ganze Brisanz der Geschichte, und diese Argumente leuchten mir sehr ein.

    Capellan: Trotzdem ist mir das nicht ganz klar. Kardinal Meisner hat gestern als Reaktion auf das Urteil gesagt: In einer Zeit, wo Deutschland einen absoluten Tiefstand bei der Kinderzahl erreicht hat, da ist es anachronistisch die Homoehe zu genehmigen. Wo besteht der Zusammenhang? Lehmann: Ich bin nicht Kardinal Meisner. Ich habe als Vorsitzender eine eigene Erklärung abgegeben und da ist für mich die Frage des Abstandes zwischen der sogenannten Homoehe - das Wort Ehe ist ja hier schon einfach mal problematisch - und der besonderen Ehe von geschlechtlich verschiedenen Menschen nicht gewahrt, und das ist das Entscheidende. Über die anderen Dinge kann man reden, aber die sind sekundär.

    Capellan: Also geht es Ihnen im Kern eigentlich nur darum, dass Sie Angst haben, homosexuelle Paar könnten schon bald Kinder adoptieren, denn das sind die weitergehenden Forderungen? Lehmann: Ja, das sind die weitergehenden Forderungen, aber das ist ja auch unsere Sorge, dass nach diesem ersten Schritt jetzt später die Schritte noch kommen werden, die man jetzt im Moment - vielleicht auch nur aus taktischen Gründen, wie bei der Adoption - ausschließt. Das zeigt ja, dass unsere Befürchtungen nicht so fern und realitätsfremd sind.

    Capellan: Herr Kardinal Lehmann, wenn Sie jetzt sagen würden, die wilde Ehe, die nicht eheliche Lebensgemeinschaft, sei eine Alternative zur Ehe im traditionellen Sinne, dann könnte ich das nachvollziehen. Aber warum ist es ihrer Ansicht nach auch die gleichgeschlechtliche Partnerschaft? Lehmann: Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft erfüllt ja in gar keiner Weise denn Sinn von Ehe, also deswegen ist es für meine Begriffe schon ein semantischer Betrug, wenn man dafür das Wort Ehe heranzieht, denn Ehe ist eben eine Vereinigung von Mann und Frau, also von verschiedengeschlechtlichen Menschen. Da fängt für meine Begriffe die Sache eigentlich schon an. Ich sehe nicht, wie man hier noch einen besonderen Schutz von Ehe und Familie wirklich wahren kann.

    Capellan: Also, geht es im Grunde nur um die Wortwahl? Lehmann: Es ist nicht nur die Wortwahl. Worte haben einen Sinn, Wort haben einen Gehalt, und darüber habe ich ja eben gesprochen.

    Capellan: Aber ist es nicht ohnehin schon Tatsache, dass nicht eheliche Gemeinschaften nichts Ungewöhnliches mehr sind, wenn Sie jetzt sagen, dass die Ehe eine beliebige Lebensgemeinschaft, wenn man das jetzt gleichsetzt mit der sogenannten Homoehe? Lehmann: Es geht ja nicht darum, ob solche Dinge faktisch existieren. Es geht auch nicht einfach nur darum, ob Menschen das verlangen, sondern es geht um die Grundwerte in unserer Gesellschaft, und da gehört eben für meine Begriffe und nach unseren Vorstellungen der besondere Schutz und der Abstand eben auch zu anderen Lebensgemeinschaften zu den Grundsäulen der Gesellschaft. Hier ist für unsere Begriffe etwas geschehen, was doch das Wertebewusstsein verschiebt.

    Capellan: Nun hat Edmund Stoiber gestern gesagt, dass auch er, sollte er Kanzler werden, das bestehende Gesetz nicht verändern wolle. Ist das für Sie ein neuer Grund, einmal mehr über das C im Namen der CDU zu diskutieren? Lehmann: Ich habe mich bisher in diesem Streit zurückgehalten, wie Sie vielleicht feststellen können und dann werde ich bei dieser Gelegenheit auch nicht einen neuen beginnen.

    Capellan: Also ist es auch nicht richtig, was zu lesen war, dass sich die Bischofskonferenz in ihrem Wahlhirtenbrief kurz vor dem 22. September gerade in dieser Frage von der Union abgrenzen will? Lehmann: Wir haben unseren Wahlhirtenbrief natürlich schon seit vielen Monaten vorbereitet. Wir machen ein längeres Papier mit einigen Seiten und einem sehr kurzen Aufruf, und Sie können sich vorstellen, dass die Familienpolitik ganz unabhängig von diesen Aktualitäten der letzten Tage und Wochen schon längst eine wichtige Rolle spielt. Ich denke, wir arbeiten hier längerfristig auch mit langem Atem und haben nicht vor, da auch Eigenstellung zu nehmen.

    Capellan: Wird da eine Rolle spielen, dass es die Union auch offenbar nicht ganz so eng mit der Ehe im traditionellen Sinne sieht, siehe das Beispiel Frau Reiche. Lehmann: Ich möchte jetzt dazu keine Stellungnahme abgeben. Ich habe es bisher nicht gemacht und Sie werden es mir heute Morgen auch nicht entlocken.

    Capellan: Trotzdem muss ich noch einmal nachfragen: Haben Sie in Sachen Frau Reiche seitens der Bischofskonferenz bei der CDU interveniert? Das war auch zu lesen. Lehmann: Was heißt interveniert? Wenn Gespräche stattgefunden haben, wo das Thema ohnehin am Rande einmal vorkommt, dann ist das keine Intervention. Es gab jedenfalls keine formelle Intervention, wenn wir auch keinen Zweifel ließen, auf verschiedenen Formen und Wegen, dass wir diese Entscheidung nicht begrüßen können, wobei ich ganz deutlich sagen möchte, dass es nicht gegen die Person und gegen die konkrete Lebensgeschichte einer einzelnen jungen Frau geht, sondern die Frage ist, wer die Familienpolitik einer Partei in der Öffentlichkeit vertritt. Aber ich betone noch einmal: Es gab keine Intervention und mehr möchte ich zu diesem Thema auch nicht sagen.

    Capellan: Lassen Sie mich noch ein Wort aus ihrer gestrigen Presseerklärung zitieren. Da sagen Sie: Die Ehe ist die Lebens- und Liebesgemeinschaft von Mann und Frau, und sie ist darauf angelegt, Kindern das Leben zu schenken. Kardinal Lehmann, haben Sie Verständnis dafür, wenn auch viele katholische Christen hinterfragen, warum katholische Priester, die im Zölibat leben, überhaupt definieren können, was Ehe ausmacht? Lehmann: Wir haben doch jeden Tag in der Seelsorge - fast möchte ich sagen, von morgens bis abends - mit Frauen und Männern mit Ehen und Kindern zu tun, mit glücklichen und gescheiterten Ehen. Ich weiß nicht, ob es so viele Leute gibt, die außerhalb ihrer Ehen auch noch täglich die Erfahrungen anderer Glücklicher mitteilen oder unter Umständen auch schmerzlich begleiten. Also, das ist eigentlich wirklich kein Argument.

    Capellan: Kardinal Lehmann war das, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Lehmann, haben Sie vielen dank und auf Wiederhören.

    Link: Interview als RealAudio