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"Die künstlerische Eigenständigkeit" bewahren - und trotzdem sparen

Der Kulturdezernent von Essen, Andreas Bomheuer, will betriebsorganisatorische Ausgaben wie Bewachung, Facility Management und Einkauf der großen Häuser in der Region zusammenlegen. Damit könnten schätzungsweise zehn Prozent der Kosten gespart werden - ohne dass das Programm eingeschränkt werden müsste.

Andreas Bomheuer im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Burkhard Müller-Ullrich: "Kultur unter Sparzwang" heißt die Sendereihe, die wir jetzt im Gespräch mit dem Essener Kulturdezernenten Andreas Bomheuer fortsetzen. Wie so viele Städte des Ruhrgebiets steckt Essen in einer extremen Finanzklemme. Da hilft der Titel "Kulturhauptstadt" nicht viel, zumal er nur noch viereinhalb Monate lang gilt. Es muss also auch in Essen stark gespart werden, und das betrifft in Museen, Theatern und sonstigen Kulturbetrieben meistens den inhaltlichen Bereich, denn das Personal ist ja fest angestellt und kann nicht entlassen werden, die Gebäude müssen auch ohne Abstriche unterhalten werden, und so, Herr Bomheuer, so läuft es stets auf eins hinaus: Weniger zeigen, weniger spielen, weniger machen, ja?

    Andreas Bomheuer: Ja, und wir versuchen halt, mit unserem Anstoß zunächst einmal zu untersuchen, wie kann man bei den Produktionsbedingungen, das heißt bei den Gebäuden beispielsweise, lässt sich denn da nicht Geld einsparen in erheblichem Maße – wir haben das für Essen mal erhoben, ganz grob über den Daumen ermittelt; das sind etwa zehn Prozent, die man sparen könnte -, wenn man zusammenarbeiten würde bei Bewachung, Facility Management, weiß ich nicht, Klempnern und so weiter und so fort. Da sind also Einsparpotenziale da, die zunächst einmal nicht für die Kunst sind, denn ich glaube, wir beide wissen, dass die Künstler und die Kulturschaffenden nicht diejenigen sind, die die großen Kosten bei den Etats bewirken.

    Müller-Ullrich: Also das war Ihre Idee und Sie haben versucht, andere mit ins Boot zu kriegen. Wie war die Reaktion?

    Bomheuer: Gut. Das ist ein Gedanke – das hat mich sehr gewundert -, der unmittelbar vielen Menschen, auch Kulturpolitikerinnen und –Politikern einleuchtete, die gesagt haben, ja, daran hat so noch keiner gedacht, das einfach mal betriebswirtschaftlich oder betriebsorganisatorisch oder vom Management her zu betrachten. Insofern habe ich offene Ohren gefunden. Das Kultursekretariat in Wuppertal hat den Gedanken mit aufgenommen und wird jetzt gemeinsam mit uns jemand finden, der uns eine sogenannte Potenzialanalyse macht. Ich habe auch das Land gebeten, dort noch keine Reaktion bekommen, aber ich bin sicher, dass wir das Land Nordrhein-Westfalen dazu bewegen können, uns zu helfen, denn es ist ja nicht alleine eine Aufgabe jetzt der fünf Städte, sondern wir wollen ja als fünf Dezernenten dieser großen Städte stellvertretend auch für die anderen Städte, in Moers beispielsweise, die jetzt nicht so schnell auch mit dabei sein können, diesen Gedanken mit erheben. Es geht nicht nur allein um die Kooperation der fünf Städte, sondern es geht um die Kooperation in der gesamten Region.

    Müller-Ullrich: Sie sagen, Sie waren überrascht, weil Sie auch davon ausgingen, dass die lokalen Eifersüchteleien dem erst mal entgegenstehen.

    Bomheuer: Ja, das ist richtig. Und diese lokalen Eifersüchteleien sind in dem Augenblick, wo wir die künstlerische Eigenständigkeit halten können – und das wollen wir ja; wir wollen ja die künstlerische Vielfalt erhalten, wir wollen ja erhalten, dass es dort ein Ensemble gibt und dort ein Ensemble gibt. Wenn ich nur ein Ensemble im Ruhrgebiet habe, dann habe ich nur ein Ensemble und insofern auch nur eine künstlerische Note. Das Spannende an dieser Region ist ja, dass wir verschiedene künstlerische Noten haben.

    Müller-Ullrich: Also Ihr Vorschlag war, mal über die Bücher zu gehen und zum Beispiel den Einkauf zusammenzulegen von Bühnenmaterial, Glühbirnen, Wandfarbe, was da ist, bis hin zum Gebäudemanagement. Sie sagten es. Kommt das wirtschaftlich hin? Haben Sie schon ein paar Prozentzahlen?

    Bomheuer: Ich habe im Augenblick nur das Beispiel aus Essen, wo wir das mal grob über den Daumen geprüft haben. Das waren dann zehn Prozent. Das sind natürlich bei Gebäudekosten, das kann schon ein siebenstelliger Bereich sein.

    Müller-Ullrich: Die Ziellinie sind die Sparvorgaben des Landes. Wie sind die definiert, wie viel Prozent müssen Sie da insgesamt, oder sagen wir es in absoluten Zahlen erreichen?

    Bomheuer: Es gibt keine Sparvorgabe des Landes, sondern es gibt eine Sparvorgabe des Kämmerers. Die lag bei dem Theater und Philharmonie über vier Jahre insgesamt bei über 16 Millionen aus dem Zuschussetat heraus. Das ist durch die Politik und durch den Beschluss des Rates abgefedert worden, abgemildert worden, weil in dieser Schnelligkeit, in diesen vier Jahren ein solcher Betrag aus dem Unternehmen Theater und Philharmonie GmbH nicht herauszuholen ist, ohne wirklich Angebote erheblichst einzustellen bis zu Spartenschließungen. Da hat sich die Essener Politik dazu entschlossen, diesen Weg nicht zu gehen, sondern auch ein Stück weit zunächst einmal abzuwarten. Das Land selber hat natürlich keine Sparvorgaben, das kann ich im Augenblick nicht sagen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dankenswerterweise in der letzten Legislatur den Etat verdoppelt, von 70 Millionen auf 140 Millionen. Aber mein Etat in Essen ist bereits schon 80 Millionen. Insofern können Sie die Relation in etwa sehen, was es bedeutet, 70 Millionen, den Kulturetat des Landes zu verdoppeln.

    Müller-Ullrich: Und hat das Kulturhauptstadt-Jahr außer dem Gedöns, oder positiv gesagt dem besseren Image, etwas Finanzielles gebracht, was hängen bleibt?

    Bomheuer: Also ich glaube nicht, dass wir richtig Gelder in das Jahr 2011 fortfolgend retten können. Ist mir jedenfalls im Augenblick nicht bekannt, dass da ein richtiger Cashflow ist. Dass es ein Mehrwert ist, auf jeden Fall. Es ist eine Anerkennung einer 30-jährigen Kulturarbeit in dieser Region, diese Kulturhauptstadt. Aber dass es ein richtiger Cashflow ist in der Nachhaltigkeit – also in diesem Jahr sicherlich, ohne Frage. Aber dass wir Gelder im Jahre 2011 fortfolgende generieren können aus dem Jahre 2010, kann ich im Augenblick nicht beurteilen, sehe ich aber auch nicht.

    Müller-Ullrich: Andreas Bomheuer, Kulturdezernent von Essen, über den Sparzwang und wie man damit umgeht. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet. Nach der Sendung wäre ja auch Quatsch.