Dienstag, 30. April 2024

Archiv


Die Künstliche Lunge wird kleiner und besser

Herz-Lungen-Maschinen sind große Geräte auf Intensivstationen. Sie kommen nur bei schweren Erkrankungen und akuter Lebensgefahr zum Einsatz - wenn die natürliche Atmung nicht mehr möglich ist. Doch die Beatmung mit dieser Maschine, die das Blut mit Sauerstoff anreichert, hat erhebliche Nebenwirkungen. Die Verbesserung und Verkleinerung dieser Geräte ist deshalb eines der wichtigsten Ziele heutiger Medizintechnik.

Von Michael Engel | 09.01.2007
    Es war ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem auch die Lunge des jungen Mannes stark geschädigt wurde. Seit Tagen liegt der Patient auf einer Intensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover und wird beatmet. Allerdings nicht mit Hilfe einer herkömmlichen Herz-Lungen-Maschine, sondern mit einer kleinen Box, kaum größer als ein Buch im DIN-A-5-Format.

    " Die Situation des Patienten war so, dass die Lungenfunktion durch den Unfall in schwerstem Maße gestört war, sowohl die Sauerstoffaufnahme als auch die Abgabe von Kohlendioxid war praktisch nicht mehr möglich, sodass wir eine künstliche Lunge brauchten, aber die Herz-Lungen-Maschine ist eben doch ein sehr komplikationsträchtiges Verfahren. Und um diese Komplikationen zu vermeiden, haben wir es zunächst einmal mit diesem wesentlich weniger aufwändigen und vor allem auch weniger komplikationsträchtigen Verfahren versucht, und es hat auch ausgesprochen gut funktioniert, und wir können jetzt mit diesem Gerät die Intensivtherapie ausleiten."

    Das Gerät, von dem der Lungenexperte Prof. Marius Höper spricht, ist vor allem deswegen schonend, weil es das Herz des Patienten als "biologische Pumpe" nutzt. Einer der beiden Katheter kommt an die unter Druck stehende Leistenschlagader, der andere an die drucklose Leistenvene. Durch den Druckunterschied in den Gefäßen fließt das Blut wie von selbst durch die angeschlossene künstliche Lunge. Im Inneren des kastenförmigen Gerätes befindet sich eine Membrane, die mit Sauerstoff aus einer Druckflasche umspült wird. Blut wird mit Sauerstoff angereichert und von Kohlendioxid befreit.

    " Die klassischen Pumpengeräte, also die echte Herz-Lunge-Maschine, das ist zwar ein ausgesprochen effizientes Verfahren, mit dem man die Herz-Kreislauf-Funktion komplett ersetzen kann, aber eben doch mit einer enormen Komplikationsbelastung. In aller Regel ist der Einsatz der echten großen Herz-Lungen-Maschine mit der Pumpe auf maximal auf fünf bis sieben Tage begrenzt, weil doch viele Komplikationen mit Schädigung des Blutes, mit Enzündungsaktivitäten, mit Gerinnungsaktivierung einsetzen, die das wirklich begrenzen. Und das fällt bei diesem Gerät praktisch vollständig weg. Das kann man auch über mehrere Wochen einsetzen, was wir in Einzelfällen auch schon getan haben. "

    Noch aber ist ILA - der so genannte "Interventional Lung Assist" der Hechinger High-Tech-Schmiede "NovaLung" - kein vollkommender Lungenersatz. Die Sauerstoffanreicherung funktioniert immer noch ungenügend, das heißt, ILA braucht die Unterstützung der Lunge. Ist nicht einmal eine Restfunktion der Lunge vorhanden, hilft nur noch die konventionelle Herz-Lungen-Maschine. Gleichwohl: die Entwicklung geht weiter. Hin zu effektiveren Systemen für den Sauerstofftransfer, hofft Prof. Tobias Welte.

    " In der Kardiologie haben diese Assist-Systeme teilweise die Transplantation ersetzt. In der Lungenheilkunde haben wir das Problem, immer mehr Transplantationsbedürftige zu haben: Einer der Hauptgründe ist, dass Rauchen bei Frauen über die letzten Jahrzehnte so stark zugenommen hat und Frauen empfindlicher für Tabak sind. Und wir immer mehr Frauen sehen, die immer früher ein schweres Lungenemphysem haben. Und wir haben nicht genug Organe, um alle Patienten zu transplantieren. Und hier ist die Entwicklung eines dauerhaft funktionsfähigen Lungenersatzes ein medizinisch wirklich dringliches Ziel. "

    Schon im nächsten Jahr bringt NovaLung ein mobiles Gerät heraus, das die Lunge vollständig ersetzen kann und ohne Luftschläuche auskommt. Der Trick dabei: es saugt venöses Blut mit Hilfe einer kleinen Pumpe an. Venöses Blut enthält viel weniger Sauerstoff als arterielles. Deshalb kann der Luftsauerstoff, der mit einem Ventilator herbeigefächelt wird, viel schneller durch die Membrane ins Blut gelangen. Obwohl die neue Gerätegeneration für eine Implantation geeignet wäre, soll sie - vorerst - außerhalb des Körpers getragen werden. Patienten sind dann nicht mehr durch Zuleitungsschläuche ans Bett gefesselt. Und könnten nach Hause. Vielleicht erübrigt sich auf diese Weise sogar eine Lungentransplantation.