Das Hafenviertel von Cebu City auf der zentralphilippinischen Insel Cebu. Im Schatten imposanter Kirchen zahllose kleine Geschäfte; ein Gewusel aus Lastwagen, Motor- wie Fahrrad-Rikschas und der so typischen "Jeepneys", den reich verzierter Kleinbussen. Schulmädchen in weißer Bluse und dezent grün-lila kariertem Rock bahnen sich ihren Weg über den mit Karren und Kisten voll gestellten Gehweg.
Cebu City, mit Vororten inzwischen zwei Millionen Einwohner groß, ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. Bitterarme Landbewohner vor allem sind in die Stadt geströmt, haben die Slums anschwellen lassen - und die Kleinkriminalität. "Wir ertrinken in Taschendiebstählen und Drogenhandel", klagt Joey Baranguera, "Barangay Captain", Ortsvorsteher, im Hafenviertel Tinga.
"Opfer der Verbrecher werden vor allem unsere Gäste - Bewohner benachbarter Provinzen und Inseln, die nach Cebu kommen, um hier Handel zu treiben. Kaum haben die Besucher unseren Hafen erreicht, werden sie schon überfallen und bestohlen. Stellen Sie sich das vor: Wir wollen attraktiv sein als Stadt; tatsächlich aber werden unsere Besucher beraubt. So etwas ist einfach ein Schlag ins Gesicht von Cebu und verschafft der Stadt ein sehr schlechtes Image."
Weil die unter Personal- wie Ausrüstungsmangel leidende Polizei völlig überfordert ist, üben unbekannte Bürger Cebus seit Anfang 2005 Selbstjustiz gegen das Verbrechen: Sie haben effizient operierende Killertrupps in Marsch gesetzt: Maskierte Attentäter erschießen von Motorrädern aus vermeintliche Kleinkriminelle- rund 180 in den letzten 18 Monaten. Vor wenigen Wochen hat "Barangay Captain" Baranguera ein Attentat hautnah miterlebt.
"Es geschah in unmittelbarer Nähe eines Baches - bei nahezu völliger Dunkelheit. Der bereits von einer Kugel getroffene junge Mann versuchte, über den Bach zu springen, landete aber im Wasser. Daraufhin schalteten die Attentäter einen Suchscheinwerfer ein, leuchteten den Bach aus und erledigten ihr wie ein Krokodil im Wasser strampelndes Opfer. Diese Leute sind stets mit allem ausgerüstet, was sie für eine perfekte Exekution brauchen."
"Hier sind Profis am Werk", sagt der Ortsvorsteher. Noch kein Täter wurde dingfest gemacht; und die so genannten Vigilantenmorde stoßen bei vielen Bürgern auf Zustimmung - bei Purita Sanchez zum Beispiel, Oberschwester in einem Krankenhaus.
"Aus der Zeitung erfahren wir über den Hintergrund dieser Erschossenen regelmäßig, dass sie Kriminelle waren und Stammgäste im Gefängnis; eine Plage für die Gesellschaft und offenbar frei von Reue für ihre Verbrechen. Meinen Enkeln, wissen Sie, wurden schon jede Menge Handys geklaut, einem allein drei Stück; und meine Schwiegertochter wurde im "Jeepney", im Bus, bestohlen. Wird dann einer der dafür verantwortlichen Kriminellen von einem Schuss getroffen, soll es mir nur recht sein."
Auf dem Polizeipräsidium von Cebu City zuckt Superintendent Ernesto Labra mit den Schultern und gibt, verbindlich lächelnd, unverbindliche Antworten.
"Wir haben das Problem, tun jedoch unser Bestes, es zu lösen - was nicht ganz einfach ist: In keinem der bisherigen Fälle von Vigilantenmorden nämlich gab es zur Aussage bereite Zeugen. Und auch die Angehörigen der Opfer kooperieren nicht mit der Polizei. All das behindert natürlich die Aufklärung der Morde."
Zu den wenigen Journalisten, die die Vigilantenmorde von Cebu kritisieren, zählt Leo Lastimosa, Moderator eines lokalen Fernsehsenders. Lastimosa berichtet von Gerüchten, dass Geschäftsleute die Auftraggeber seien, Polizisten die Killer und Bürgermeister Tomas Osmena der "spiritus rector" der Morde.
"Der Bürgermeister setzte in einer öffentlichen Erklärung Belohnungen aus für Polizisten, die - wie er sagte - kriminelle oder verdächtige Elemente töten. Für im Dienst vollzogene Exekutionen sollten Polizisten aus einem speziellen Fond 15.000 Pesos erhalten, für Exekutionen außerhalb der Dienstzeit 20.000 Pesos."
20.000 Pesos, 300 Euro, entsprechen zwei Monatsgehältern eines Polizisten. Ähnlich unverhohlen wie der Bürgermeister von Cebu City unterstützt auch sein Kollege in Davao die Vigilantenmorde. Seit Bürgermeister Rodrigo Duterte 2001 seine dritte Amtszeit antrat, wurden in der Hauptstadt der Insel Mindanao über 500 angebliche Kriminelle exekutiert. Und in seiner sonntäglichen Fernsehkolumne kündigt Duterte manche Morde sogar offiziell an, berichtet die Deutsche Liselotte Schmelcher, Mitarbeiterin einer Kinderschutzorganisation in Davao.
"Im Juni 2006 führte Duterte die Mülltrennung ein. Nachdem sie eingeführt wurde, wurden zwei Mülltonnen zerstört und eine angebrannt. Das kam offiziell dann auch zu ihm; und seine offizielle Reaktion war im Fernsehen wie auch in der Zeitung, dass Mütter ihre Kinder erziehen sollen, das nicht zu tun, beziehungsweise er warnt alle davor, die das tun: Wenn so etwas noch mal passiert, ist derjenige, der das tut, ein toter Mann, ein totes Kind. Er wird es auf die Liste setzen und dafür sorgen, dass es umgebracht wird."
Auf die von lokalen Behörden geförderte Selbstjustiz in Davao, Cebu und anderen Städten hat die philippinische Zentralregierung bislang nicht reagiert. Im Gegenteil: Immer mehr Vertreter der politischen Opposition in Manila werden auf ganz ähnliche Weise ermordet wie vermeintliche Kleinkriminelle in der Provinz. Journalist Leo Lastimosa beklagt, dass die Medien der Philippinen über die Morde oft gar nicht berichten - oder im Stil von Wasserstandsmeldungen. Die journalistische Pflicht, auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu pochen, werde viel zu selten wahrgenommen.
"Wer hierzulande als Journalist Menschenrechtsverletzungen kritisiert, wird sofort als so genannter "Linker" gebrandmarkt. Deshalb fassen unsere Medien solche Themen nur mit spitzen Fingern an - ganz anders als in den siebziger und frühen achtziger Jahren, als viele Journalisten Menschenrechtsverletzungen vehement anprangerten.
Wir Journalisten sind denn auch mitverantwortlich zum Beispiel dafür, dass bis heute Vigilanten morden in unseren Städten. Wir haben es versäumt, die Bürgermeister unter Druck zu setzen, sie und die Polizei zur Verantwortung zu ziehen dafür, dass sie mit den Gesetzen spielen, anstatt sie durchzusetzen. Wir als - eigentlich zur Kritik verpflichtete - Journalisten tolerieren praktisch einen Zustand der Gesetzlosigkeit - aus purer Angst, als Terroristen, Linke oder Staatsfeinde gebrandmarkt zu werden."
Cebu City, mit Vororten inzwischen zwei Millionen Einwohner groß, ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. Bitterarme Landbewohner vor allem sind in die Stadt geströmt, haben die Slums anschwellen lassen - und die Kleinkriminalität. "Wir ertrinken in Taschendiebstählen und Drogenhandel", klagt Joey Baranguera, "Barangay Captain", Ortsvorsteher, im Hafenviertel Tinga.
"Opfer der Verbrecher werden vor allem unsere Gäste - Bewohner benachbarter Provinzen und Inseln, die nach Cebu kommen, um hier Handel zu treiben. Kaum haben die Besucher unseren Hafen erreicht, werden sie schon überfallen und bestohlen. Stellen Sie sich das vor: Wir wollen attraktiv sein als Stadt; tatsächlich aber werden unsere Besucher beraubt. So etwas ist einfach ein Schlag ins Gesicht von Cebu und verschafft der Stadt ein sehr schlechtes Image."
Weil die unter Personal- wie Ausrüstungsmangel leidende Polizei völlig überfordert ist, üben unbekannte Bürger Cebus seit Anfang 2005 Selbstjustiz gegen das Verbrechen: Sie haben effizient operierende Killertrupps in Marsch gesetzt: Maskierte Attentäter erschießen von Motorrädern aus vermeintliche Kleinkriminelle- rund 180 in den letzten 18 Monaten. Vor wenigen Wochen hat "Barangay Captain" Baranguera ein Attentat hautnah miterlebt.
"Es geschah in unmittelbarer Nähe eines Baches - bei nahezu völliger Dunkelheit. Der bereits von einer Kugel getroffene junge Mann versuchte, über den Bach zu springen, landete aber im Wasser. Daraufhin schalteten die Attentäter einen Suchscheinwerfer ein, leuchteten den Bach aus und erledigten ihr wie ein Krokodil im Wasser strampelndes Opfer. Diese Leute sind stets mit allem ausgerüstet, was sie für eine perfekte Exekution brauchen."
"Hier sind Profis am Werk", sagt der Ortsvorsteher. Noch kein Täter wurde dingfest gemacht; und die so genannten Vigilantenmorde stoßen bei vielen Bürgern auf Zustimmung - bei Purita Sanchez zum Beispiel, Oberschwester in einem Krankenhaus.
"Aus der Zeitung erfahren wir über den Hintergrund dieser Erschossenen regelmäßig, dass sie Kriminelle waren und Stammgäste im Gefängnis; eine Plage für die Gesellschaft und offenbar frei von Reue für ihre Verbrechen. Meinen Enkeln, wissen Sie, wurden schon jede Menge Handys geklaut, einem allein drei Stück; und meine Schwiegertochter wurde im "Jeepney", im Bus, bestohlen. Wird dann einer der dafür verantwortlichen Kriminellen von einem Schuss getroffen, soll es mir nur recht sein."
Auf dem Polizeipräsidium von Cebu City zuckt Superintendent Ernesto Labra mit den Schultern und gibt, verbindlich lächelnd, unverbindliche Antworten.
"Wir haben das Problem, tun jedoch unser Bestes, es zu lösen - was nicht ganz einfach ist: In keinem der bisherigen Fälle von Vigilantenmorden nämlich gab es zur Aussage bereite Zeugen. Und auch die Angehörigen der Opfer kooperieren nicht mit der Polizei. All das behindert natürlich die Aufklärung der Morde."
Zu den wenigen Journalisten, die die Vigilantenmorde von Cebu kritisieren, zählt Leo Lastimosa, Moderator eines lokalen Fernsehsenders. Lastimosa berichtet von Gerüchten, dass Geschäftsleute die Auftraggeber seien, Polizisten die Killer und Bürgermeister Tomas Osmena der "spiritus rector" der Morde.
"Der Bürgermeister setzte in einer öffentlichen Erklärung Belohnungen aus für Polizisten, die - wie er sagte - kriminelle oder verdächtige Elemente töten. Für im Dienst vollzogene Exekutionen sollten Polizisten aus einem speziellen Fond 15.000 Pesos erhalten, für Exekutionen außerhalb der Dienstzeit 20.000 Pesos."
20.000 Pesos, 300 Euro, entsprechen zwei Monatsgehältern eines Polizisten. Ähnlich unverhohlen wie der Bürgermeister von Cebu City unterstützt auch sein Kollege in Davao die Vigilantenmorde. Seit Bürgermeister Rodrigo Duterte 2001 seine dritte Amtszeit antrat, wurden in der Hauptstadt der Insel Mindanao über 500 angebliche Kriminelle exekutiert. Und in seiner sonntäglichen Fernsehkolumne kündigt Duterte manche Morde sogar offiziell an, berichtet die Deutsche Liselotte Schmelcher, Mitarbeiterin einer Kinderschutzorganisation in Davao.
"Im Juni 2006 führte Duterte die Mülltrennung ein. Nachdem sie eingeführt wurde, wurden zwei Mülltonnen zerstört und eine angebrannt. Das kam offiziell dann auch zu ihm; und seine offizielle Reaktion war im Fernsehen wie auch in der Zeitung, dass Mütter ihre Kinder erziehen sollen, das nicht zu tun, beziehungsweise er warnt alle davor, die das tun: Wenn so etwas noch mal passiert, ist derjenige, der das tut, ein toter Mann, ein totes Kind. Er wird es auf die Liste setzen und dafür sorgen, dass es umgebracht wird."
Auf die von lokalen Behörden geförderte Selbstjustiz in Davao, Cebu und anderen Städten hat die philippinische Zentralregierung bislang nicht reagiert. Im Gegenteil: Immer mehr Vertreter der politischen Opposition in Manila werden auf ganz ähnliche Weise ermordet wie vermeintliche Kleinkriminelle in der Provinz. Journalist Leo Lastimosa beklagt, dass die Medien der Philippinen über die Morde oft gar nicht berichten - oder im Stil von Wasserstandsmeldungen. Die journalistische Pflicht, auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu pochen, werde viel zu selten wahrgenommen.
"Wer hierzulande als Journalist Menschenrechtsverletzungen kritisiert, wird sofort als so genannter "Linker" gebrandmarkt. Deshalb fassen unsere Medien solche Themen nur mit spitzen Fingern an - ganz anders als in den siebziger und frühen achtziger Jahren, als viele Journalisten Menschenrechtsverletzungen vehement anprangerten.
Wir Journalisten sind denn auch mitverantwortlich zum Beispiel dafür, dass bis heute Vigilanten morden in unseren Städten. Wir haben es versäumt, die Bürgermeister unter Druck zu setzen, sie und die Polizei zur Verantwortung zu ziehen dafür, dass sie mit den Gesetzen spielen, anstatt sie durchzusetzen. Wir als - eigentlich zur Kritik verpflichtete - Journalisten tolerieren praktisch einen Zustand der Gesetzlosigkeit - aus purer Angst, als Terroristen, Linke oder Staatsfeinde gebrandmarkt zu werden."