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"Die kulturelle Bildung hat so ein bisschen ein Schattendasein"

"Das sind Klischees, dass die konservative Partei und die liberale Partei da Vorbehalte hätten", sagt Hans-Joachim Otto vom Bundeskulturausschuss und meint damit beispielsweise das freie Theaterwesen. Die FDP halte am Staatsziel Kultur im Grundgesetz fest.

    Doris Schäfer-Noske: Der Wahlabend ist vorbei, nun haben die Spekulationen begonnen. Wer wird was in einem neuen schwarz-gelben Kabinett? Guido Westerwelle könnte Außenminister werden, Guttenberg könnte Wirtschaftsminister bleiben, Finanzminister oder auch Verteidigungsminister werden. Im Justizministerium wird eine Rückkehr von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erwartet, Ronald Pofalla könnte das Arbeitsministerium übernehmen, Ursula von der Leyen könnte das Familienministerium weiterführen oder Gesundheitsministerin werden, und in der Kultur wäre eine weitere Amtszeit von Kulturstaatsminister Neumann denkbar, aber auch eine Übernahme des Amtes durch die FDP. Frage an den Vorsitzenden des Bundestagskulturausschusses, Hans-Joachim Otto: Herr Otto, soll Herr Neumann jetzt seinen Stuhl für Sie freimachen?

    Hans-Joachim Otto: Nein, Staatsminister Neumann tut einen sehr guten Job, wir sind mit ihm sehr zufrieden. Er hat für die Kultur sehr viel erreicht und es gab eine vorbildliche Zusammenarbeit zwischen dem Staatsminister und dem Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien. Nach meiner Meinung könnte man diese gute Zusammenarbeit in der Koalition noch erfolgreicher fortführen.

    Schäfer-Noske: Wird er denn Kulturstaatsminister bleiben oder vielleicht sogar Minister werden?

    Otto: Wir würden uns als FDP durchaus wünschen, dass die Kultur noch ein bisschen aufgewertet wird, also, wenn Frau Merkel ihm statt eines Staatsministerpostens den Titel eines echten Bundesministers geben würde, dann würde das sicherlich nicht am Widerstand der FDP scheitern.

    Schäfer-Noske: Besonders wichtig ist der FDP die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz. Dagegen gibt es aber beim Koalitionspartner CDU noch starke Vorbehalte.

    Otto: Ja, das ist leider richtig. Es gibt aber durchaus eine gute Chance, dieses jetzt durchzusetzen, denn es gibt auch innerhalb der CDU/CSU-Fraktion sehr namhafte Unterstützer eines solchen Staatszieles Kultur, insbesondere auch Staatsminister Neumann, aber auch der Bundestagspräsident Lammert und viele andere. Und das ist, ich will das betonen, das Staatsziel Kultur ist ohnedies wichtig und hilfreich für die Kultur, aber in diesen Zeiten wäre es besonders wichtig, ein Signal für Kultur und für die Verantwortung des Staates für die Kultur zu setzen und deswegen ist es uns sehr wichtig, dass dieses Ziel jetzt durchgesetzt wird, auch in den Koalitionsverhandlungen.

    Schäfer-Noske: Die kulturelle Bildung spielt im Wahlprogramm der FDP eine wichtige Rolle, die Union sieht hier allerdings vor allem die Länder am Zug. Wie wollen Sie die Union davon überzeugen, dass das auch Sache des Bundes ist, dort was zu tun?

    Otto: Es ist kein Zweifel, dass Bildungsfragen prioritär in der Verantwortung der Länder sind, aber der Bund kann natürlich auch da Impulse setzen, Signale setzen, und darum geht es uns. Die kulturelle Bildung hat so ein bisschen ein Schattendasein, wir stellen fest, dass an vielen Schulen die Musikerziehung, der Malunterricht ausfällt und dass auch viele Musikschulen unter sehr schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen leiden. Da können wir als Bund natürlich nur Impulse, Rahmen setzen, aber das wollen wir auch ausnutzen, und deswegen bin ich auch da zuversichtlich, dass wir zumindest für einen längeren Zeitraum hier eine Trendwende einleiten können. Wir müssen uns zur kulturellen Bildung bekennen und dazu gibt es Bereitschaft bei beiden Koalitionspartnern. Deswegen glaube ich, dass dieses wichtige Ziel tatsächlich auch in dieser Legislaturperiode ein gutes Stück nach vorne gebracht werden kann.

    Schäfer-Noske: Noch mal zurück zur reinen Kulturpolitik: Muss sich denn die Kultur abseits des Mainstreams und abseits der großen Institutionen vor einer schwarz-gelben Bundesregierung fürchten?

    Otto: Sowohl die FDP als auch Staatsminister Neumann haben Innovatives immer mit großer Begeisterung gefördert: Ich glaube, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Beide Parteien bekennen sich auch zu soziokulturellen Zentren, beide Parteien bekennen sich auch dazu, dass wir ein freies Theaterwesen haben. Das sind Klischees, dass die konservative Partei und die liberale Partei da Vorbehalte hätten. Wir wissen sehr wohl, dass gerade in der freien Szene vieles bewegt wird, und viele Entwicklungen, die dann später dann auch die großen Häuser, die angesehenen Häuser erreichen, sind in der freien Szene entstanden. Wenn wir Kultur fördern wollen, dann gilt das natürlich auch für diesen Teil, für diesen wichtigen, innovativen Teil der Kultur.

    Schäfer-Noske: Das war der Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses, Hans-Joachim Otto von der FDP.