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Die Kunst an den Nagel gehängt

Als Mitglied der Künstlergruppe "ZERO" wurde er durch seine Nagelbilder berühmt: Mittlerweile zählt der Bildhauer und Maler Günther Uecker zu den populärsten Vertretern der deutschen Nachkriegskunst. Am 13. März 1930 wurde er im mecklenburgischen Wendorf geboren.

Von Rainer Berthold Schossig |
    Günther Uecker im Jahr 2005 in der Bremer Kunsthalle - im Ambiente seines lärmenden, legendären Terrororchesters, das er im rebellischen Jahr 1968 erstmals in Szene gesetzt hatte. Uecker war damals bereits ein international bekannter Künstler. Insbesondere durch seine Geste des Nagelns: Das Benageln von Bildern und Gegenständen hatte ihn über Nacht berühmt gemacht. Zur documenta 1984 attackierte er ein ganzes Klavier flächendeckend mit Nägeln. Rückblickend relativierte er diese frühen Aktionen:

    "Also, ich habe mich nie als Attackierer gesehen, auch diese Aggression, die man mir unterstellte, ist eigentlich gar nicht vorhanden. Es ist Zärtlichkeit, die aber eine Impertinenz hat, eine Aufdringlichkeit. Und diese Zärtlichkeit ist eine Liebessehnsucht."

    Günter Uecker wurde am 13. März 1930 im mecklenburgischen Wendorf geboren. Er machte eine Lehre als Reklamegestalter und studierte dann Malerei in Wismar und an der Kunstakademie in Berlin-Weißensee. 1955 verließ er die DDR; um an der Kunstakademie Düsseldorf bei Otto Pankok weiterzustudieren.

    "Es ist ja vielleicht auch eine gewisse Prägung noch aus der DDR, mich als Handwerker zu sehen, und nicht als einen Intellektuellen, der sich was ausdenkt, und dann geht er ins Atelier und versaut seine Klamotten und wird ein Künstler."

    Waren seine Nagelbilder fertig, schlämmte er sie mit weißer Farbe ein. Bald fanden sich die Nägel in symmetrischen, ja choreografisch rhythmisierten Formationen auf Platten und Brettern zusammen. So tanzen Ueckers Nagelreliefs im Wechselspiel von Licht und Schatten, hoch-ästhetische konkrete Kunst, gleichsam wie entmaterialisiert.

    In den frühen 60ern - hektische Gründerjahre der Westkunst - heiratete seine Schwester Rotraud den Franzosen Yves Klein. So geriet Uecker in den Sog des "Nouveau Réalisme". Er begann, mit den deutschen Kinetik-Künstlern Heinz Mack und Otto Piene zusammenzuarbeiten und wurde 1962 in die legendäre Künstlergruppe "ZERO" aufgenommen. Viele kinetische Lichtkunstwerke, Lichtlandschaften, Nagelprägebilder und Sandspiralen entstanden. Fahrten nach New York, durch Lateinamerika und Afrika schlossen sich an.

    1970 vertrat Uecker die Bundesrepublik auf der Biennale in Venedig; 1974 wurde er Professor in Düsseldorf. Weitere Weltreisen führten ihn nach Japan und China, in die Mongolei und nach Sibirien. Durch das konkrete Erleben bedrohter Natur reagierte er sensibel, ja anklagend auf industriellen Raubbau und Umweltzerstörung, wie etwa 1986, angesichts der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl:

    "Mitgefühl zu entwickeln und Gottesnähe herzustellen, also dieses Thema, besonders durch die Erfahrung nach Tschernobyl in den Bildern, erkennbar als Aschefelder und Aschebilder, und in den Aufrichtungen der Aussagen der Propheten, dass der Mensch aufgefordert ist auch seine Quellen in der Gegenwart zu bedenken, um friedvolle Handlungen zu ermöglichen."

    In den 90er-Jahren schlossen sich weitere Reisen an, nach Japan, Indonesien und Kambodscha; in Angkor Wat studierte er die Khmertempel und wandte sich den Kulturen des Fernen Ostens zu. Er begann zunehmend, sich mit gesellschaftlichen und friedenspolitischen Aspekten der Kunst auseinanderzusetzen.

    Die Welt ist aus den Fugen, und Günther Uecker weiß, dass er sie nicht mehr zusammennageln kann. Inzwischen ist er Weltbürger geworden, nicht nur zu Hause hoch angesehen. Er trägt den Kaiserring der Stadt Goslar und das Bundesverdienstkreuz, und er ist Mitglied des Ordens Pour le Mérite. Sein künstlerisches Credo ist so einfach wie bescheiden:

    "Was mich persönlich ganz tief berührt, das wird als Erschütterung wahrgenommen, und drängt dann zu einer bildhaften Aussage, weil ich mich auch schwer artikulieren kann im Alphabetischen, ist ja das, was man sich vorstellen kann und was man verbindet mit der Bedrohung des Menschen durch den Menschen. Das ist fast wie ein manischer Charakter, der da in mir Ausdruck findet, und der dann zu einem Bild drängt, zu einer Bildaussage durch Erschütterung."