Freitag, 19. April 2024

Archiv


Die Kunst der Kopie

Kopien von Kunstwerken hat es schon immer gegeben. Maler wie Renoir haben auf diese Weise ihre Technik verfeinert, andere haben bewusst Bilder in andere Zusammenhänge gesetzt. Die Ausstellung "Déjà-vu" zeigt, dass die Re-Inszenierung von Kunst mehr ist, als nur "copy und paste".

Christian Gampert im Gespräch mit Dina Netz | 19.04.2012
    Dina Netz: Die Piratenpartei hat gerade eine Urheberrechtsdebatte angezettelt, die sich im Kern um die Frage dreht, ob ein künstlerisches Werk in Zeiten der allgemeinen digitalen Verfüg- und Kopierbarkeit noch geschützt werden kann und muss. Man könnte den Eindruck haben, dieses Problem sei durch die ja im Verhältnis zur Kunstgeschichte noch ziemlich neuen Möglichkeiten von "copy and paste" erst entstanden – aber das stimmt so nicht, Kunstwerke sind zu allen Zeiten kopiert worden, wenn auch nicht so leicht wie heute.

    Die Kunsthalle Karlsruhe nimmt die Kopierdiskussion jetzt zum Anlass für eine Ausstellung mit dem Titel "Déjà-vu", in der sie die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YouTube untersucht, also den Bogen vom späten Mittelalter bis zum Internet spannt. - Christian Gampert, unsere Kenntnis von Werken der Kunstgeschichte läuft ja überhaupt sehr häufig über Kopien. Wie thematisiert die Ausstellung das?

    Christian Gampert: Also wir kommen rein und eine junge Künstlerin konfrontiert uns mit einem Wiesenstück von Dürer, das in ganz verschiedenen Reproduktionsfassungen ineinandergeschachtelt ist, und dann sieht man, dass die Farbigkeit ganz anders ist und dass man bestimmte Teile des Bildes betonen kann. Also schon die Reproduktion ist ja im Grunde eine Eigenleistung.

    Netz: Kopieren großer Meister war ja zum Beispiel für viele Maler Teil der Ausbildung. Welche anderen Funktionen haben solche Kopien denn in der Kunstgeschichte erfüllt?

    Gampert: Na ja, die Ausbildung von Malern ist nicht denkbar, ohne dass man die Werke großer Meister zitiert und kopiert. Aber auch da verunsichert uns die Ausstellung, denn natürlich hat Renoir den halben Louvre kopiert, um sich Stilformen anzueignen. Aber wenn man jetzt zum Beispiel in der Ausstellung ein Werk von van Gogh sieht, eine Pietà, dann fragt man sich, hat jemand da einen van Gogh gefaked, was ist das eigentlich, hat van Gogh Pietàs gemalt, und siehe da: es ist ein echter van Gogh, der nach Delacroix eine Pietà gemalt hat, in seinem typischen Stil mit diesen flammenden Farben, aber er hat eben das Motiv von Delacroix entliehen. Was ist das jetzt? Ist das eine Kopie, oder ist das ein eigenständiger van Gogh? Ich würde sagen, es ist ein van Gogh.

    Netz: Die Ausstellung thematisiert auch Re-Inszenierungen von berühmten Kunstwerken. Was hat man sich denn darunter vorzustellen?

    Gampert: Na ja, es gibt bestimmte berühmte Kunstwerke, die in andere Medien überführt werden können. Das fängt schon im Mittelalter an übrigens, dass man auch Dürer-Werke, Stiche als Glasmalerei gemacht hat, oder als Gemälde, oder als Holzrelieff. Re-Inszenierung in der Moderne heißt, ich nehme mir ein eingeführtes Thema, zum Beispiel Goyas "Der Traum der Vernunft", und stelle das nach, also im Sinne eines Reenactments.

    Der Fotograf Yinka Shonibare, ein Afrikaner, hat das im Studio nachinszeniert mit diesen bedrohlichen Vögeln, aber die Hauptfigur, die depressiv am Tisch sitzt, ist ein Schwarzer und er steckt in einer Kleidung, die zwar modern geschnitten, aber vom Stoff her afrikanischen Stammeskleidungen nachempfunden wird. Da treffen also eine Vielzahl von Faktoren aufeinander, und wenn man dann noch einen historisierenden Rahmen darum herumzieht, dann ironisiert man das ganze noch mal und überführt das sozusagen in einen Zustand von Verwirrung, von Verunsicherung, den ja auch die ganze Ausstellung uns mitteilen will.

    Netz: Die Kopie von einer Dürer-Zeichnung, wie Sie es am Anfang genannt haben, ist ja was anderes als schlichtes copy-paste. Wie hat sich denn die Wertschätzung von Kopien im Laufe der Jahrhunderte verändert?

    Gampert: Ein kopierter Dürer-Stich war natürlich immer noch ein großes Kunstwerk und der wurde dann auch von dem Kopisten gezeichnet mit seinen Initialen. Manche haben auch die Dürer-Initialen reingesetzt. Raimondi hat das, glaube ich, mal gemacht und wurde von Dürer daraufhin ziemlich angegangen und musste das zurücknehmen. Aber heute gibt es auch Künstler, die sogar in die Identität eines Kollegen schlüpfen. Zum Beispiel gibt es einen Künstler aus dem Balkan, der mit Kasimir Malewitsch zeichnet und eben auch genauso malt. Also das magische schwarze Quadrat kommt da ausgiebig vor, es wird auch in Rot und Grün dargeboten, man sieht schon, das ist ein anderer, der da malt, aber er gibt sich für Kasimir Malewitsch aus.

    Es gibt eine polnische Künstlerin, die die sowieso schon nachgestellten Filmklischees von Cindy Sherman noch mal nachstellt. Also da gibt es eine ganze Reihe von Nachfolgern, die einfach auf einen Zug aufspringen und auch ironisch damit spielen. Ich würde sagen, die meisten Kopien sind doch kreative Akte und wir sollten uns daran gewöhnen, dass es einfach nicht so ist, dass der Künstler auf einen Knopf und da was runterzieht, sondern dass er eben selber tatsächlich tätig ist.

    Netz: …, sagt Christian Gampert, angeregt von der Ausstellung "Déjà-vu" in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.