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Die Kunst der Sophie Taeuber-Arp

"sophie, für dich war die welt nie dunkel und zerklüftet, du schrittest mir voran mit frohem glanz und frohem schein". Das dichtete Jean Arp seiner Frau, kurz nachdem sie 1943 verstorben war. Sophie Taeuber-Arp war knapp über 50 Jahre alt und teilte das Schicksal vieler großer Frauen an der Seite großer Künstler. Ihre Kunst blieb im Schatten der Männer. Was sie hervorgebracht hat, ist jetzt in Zürich zu sehen.

Von Christian Gampert | 01.03.2007
    "Sie ist voller Erfindung, Caprice, Bizarrerie", schrieb der Dichter Hugo Ball über sie. "Jede Geste ist hundertmal gegliedert, scharf, hell, spitz". Am 29.März 1917 tanzte Sophie Täuber-Arp in Kostümen und einer Maske von Hans Arp eine abstrakte Choreographie von Hugo Ball. Arp hatte sie im Umfeld der Züricher Dada-Bewegung kennen gelernt, aber schon vorher hatte sie bei dem Ausdruckstänzer Rudolf Laban und dessen Schülerin Mary Wigman Unterricht genommen, war auch zum Zwecke der Bewegungskunst (und wohl nicht nur deshalb) auf dem Monte Verità bei Ascona gewesen, das freie Leben, die freie Liebe, die freien Künste, die dann auch in Zürich als Tanz-Ton-Wort-Gesamtkunstwerk dadaistisch durchdekliniert werden mussten.

    Erstaunlicherweise aber behielt Sophie Täuber-Arp diesen ständigen, fliegenden Wechsel zwischen den Disziplinen bei, das Tanzen gab sie einfach wieder auf beziehungsweise sie transformierte Bewegung und Rhythmus in andere Medien; denn eigentlich war sie ja ausgebildete Kunsthandwerkerin, die an der Züricher Gewerbeschule unterrichtete – und die später dann noch ganz anderes machte, Kleider, Teppiche, Innenarchitektur, streng gegliederte Möbel, Gebäude-Entwürfe sogar.

    Die antibürgerliche Dada-Verrücktheit wurde bei Sophie Täuber-Arp allerdings konstruktivistisch abgedämpft. Sehr schön sieht man das in der Ausstellung an ihrem "König Hirsch"-Ballett aus kubischen, zylindrischen, kegelförmigen, quadratischen Figuren in ganz klaren Farben. Außer Oskar Schlemmers "Triadischem Ballett" gibt es nichts Vergleichbares. Es handelte sich bei "König Hirsch", uraufgeführt 1918 während der Züricher Werkbundausstellung, um eine Bearbeitung eines Carlo-Gozzi-Stücks aus der Commedia dell’Arte-Tradition: König Deramo sucht eine Frau, und alle stellen ihm ihre Töchter vor. In Zürich traten noch zwei seltsame streitende Libido-Theoretiker hinzu: ein Herr Freud-Analytikus und ein Doktor Komplex alias C.G. Jung.

    Diese Marionetten sind nun im Musée Bellerive, einer wunderbaren Jugendstil-Villa am Seeufer, liebevoll drapiert; und auch andere Werkphasen von Täuber-Arp sind sehr wirkungsvoll in Szene gesetzt: man durchschreitet ein im originalen Raummaß gestaltetes Rekonstruktions-Modell jener "Aubette-Bar", die Sophie Täuber zwischen 1926 und 1928 in Straßburg gestaltet hat. Es handelt sich um die Innenräume eines Vergnügungspalasts an der Place Kleber, die kürzlich restauriert wurden. Täuber-Arp hat hier mit streng geometrischen Wandbemalungen höchst unterschiedliche Atmosphären geschaffen, der chinesisch anmutende "Salon de thé" ist ganz anders als die Foyer-Bar. Immer ist es eine Kombination ganz frischer, lebendiger Farben mit gedämpften, blasseren Abtönungen, die das Auge ruhen lassen, aber die Welt eben abstrakt, als eine gestaltete erkennbar machen. Die quadratische Anordnung der Farben erinnert an Paul Klee und seine Tunis-Reise.

    Kunsthandwerklich hat Täuber-Arp Wandteppiche mit arabischen Mustern geschaffen, Formkompositionen aus ineinander verschobenen Dreiecken, Rauten, gezackten Figuren, die zum Teil aus Gouachen in Stickereien überführt wurden. Manchmal schimmern Elemente des Jugendstils durch. Es gibt auch Halsketten und kleine Stoffhandtaschen, die später in der Hippie-Kultur Wiederauferstehung feierten, Häkelarbeiten aus Glasperlen – immer sind es ganz einfache Materialien. Für das eigene Wohnhaus, das sie zwischen 1928 und 1940 mit Hans Arp in Meudon bei Paris bewohnt, aber auch für andere Privatwohnungen hat sie strengsachliche Inneneinrichtungen entworfen, Büroschränke, Regalsysteme, Schreibtische, mit beruhigenden Wand-Dekorationen. Aber auch in den Skizzen zu ihren Schlaf- und Wohnzimmereinrichtungen wird deutlich, dass es darum geht, Funktionalität mit Herzlichkeit zu verbinden. Räume sinnvoll definieren, gestalten: hier kann man es lernen.

    Sie muss eine sehr praktische Person gewesen sein. Dubios bleiben die Umstände ihres Todes: 1943 ist sie, die vor den Nazis in die Schweiz geflohen war, im Atelier eines Kollegen schlafend in den Dämpfen eines defekten Kohleofens erstickt. Im Gedächtnis bleibt jenes wunderbare, aus abstrakten Formen bestehende Puppen-Ballett, dessen Gliedmaßen um 360 Grad drehbar sind und das Sophie Täuber-Arps künstlerischen Aufbruch markiert. Sich interdisziplinär um die eigene Achse drehen: ein gutes Motto, um nicht einzurosten.