Der Beginn des Projekts lag kurz nach dem 11. September 2001 und wurde, so Gerz, unmittelbar von den Anschlägen auf das World Trade Center in New York inspiriert. Insofern war die Frage nach einer zukünftigen Kunst damals vor allem auch als Infragestellung der westlichen Bildkultur gedacht, die einige Wochen lang die Aufnahmen der in die Zwillingstürme rasenden Flugzeuge zu ihren neuen, immer wiederholten Bildikonen machte. Anfangs waren jeweils sechs Künstler und Theoretiker von Gerz gebeten worden, mit einem Bild beziehungsweise einem Text auf die Frage zu reagieren. Doch daraus entwickelte sich schnell ein Work in Progress. Die Befragten baten darum, ihrerseits die Frage auch anderen Künstlern und Theoretikern zu stellen, und so entwickelte sich über Jahre hinweg eine Kette von Beiträgen, die schließlich von 312 Beteiligten aus 37 Ländern entwickelt wurden. Zunächst existierte das Projekt nur im Internet. In den großen Sälen der Berliner Akademie der Künste aber wirkt es wie eine riesige Wandzeitung. Jeweils ein mal ein Meter große Papierausdrucke, abwechselnd Bilder und Texte. Wollte man alles genauestens studieren, müßte man Wochen hier zubringen – doch das wäre gar nicht die Absicht des Urhebers.
Für Gerz ist allein schon die Unterscheidung zwischen Künstlern und Theoretikern eigentlich antiquiert, und die Tatsache, dass darüber hinaus alle Bilder technisch identisch sind, alle aus dem selben Plotter mit derselben Pixelzahl stammen, vermeidet die für klassische Kunstpräsentationen so wichtige persönliche Handschrift. Und zu guter Letzt ist es ohnehin fragwürdig, inwiefern Künstler heute mit Bildern eine Kunst der Zukunft entwerfen können. Manchen Beiträgen ist diese gewisser Verkrampfung durchaus anzumerken, andere reagieren unausweichlich mit Ironie, ebenso auch die Texte. Eigentlich keiner der Beteiligten kann von einer ernsthaften Prognose ausgehen, und das ist niemandem klarer als Jochen Gerz selbst. Er selbst spricht lieber davon, dass es eine verbreitete Sehnsucht nach Handlung gäbe, nach einem Eingreifen in die Gesellschaft, und in diesem Sinn versteht er die Anthologie der Kunst wie ein manifestöses Vorhaben. Man könnte den Eindruck gewinnen, wie isoliert, wie befangen in eigenen Theoriegebäuden eine bestimmte gegenwärtige Kunstszene ist, dass sie eine solche Sehnsucht verspürt, aus ihrem selbstgewählten Rückzug auszubrechen. Aber was entsteht, so Gerz, ist doch immer wieder nur Reden, Bilder, Theorie. Wird die Kunst der Zukunft also eines Tages wieder mehr gesellschaftlichen Einfluß haben? Vielleicht wäre das eine logische Anschlußfrage an dieses Projekt. Aber ob man darauf wirklich hoffen soll...?