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Die Kunst des Abwerbens

Personalberater - so lautet die sachlich klingende Bezeichnung für einen Berufsstand, der umgangssprachlich auch als Headhunter bezeichnet wird. Wie der Berufsalltag dieser Menschen genau aussieht, erläutert Michael Heidelberger, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater, im Interview.

Michael Heidelberger im Gespräch mit Elif Senel |
    Elif Senel: Ingenieure auf der freien Wildbahn, die sind seit geraumer Zeit eine Seltenheit geworden. Über 40.000, sagt der Verein Deutscher Ingenieure, würden in Deutschland fehlen. Und weil diese natürlich über Zeitungsannoncen nur schwer zu finden sind, greifen viele Unternehmen auf Personalberater zurück – oder wie sie auch genannt werden: Headhunter. Menschen, die die Kunst des Abwerbens beherrschen. Was sie tun, das klingt geheimnisvoll, und deswegen wollen wir hierüber mehr erfahren von Michael Heidelberger. Der ist stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater und selber Geschäftsführer einer Personalberatung in Stuttgart. Schönen guten Tag!

    Michael Heidelberger: Ja, schönen guten Tag, Frau Senel!

    Senel: Sie suchen im Auftrag von Unternehmen Führungskräfte und Spezialkräfte, also auch Ingenieure, gerade im Maschinenbau und in der Elektrotechnik. Die sind oft rar und deswegen schon im Job. Woher wissen Sie denn, wo sich ein potenzieller Kandidat befindet?

    Heidelberger: Ja, dahinter steckt harte Arbeit. Wir vereinbaren gemeinsam mit unserem Auftraggeber, also einem Kunden, der gezielt Ingenieure sucht, eine sogenannte Zielfirmenliste, das heißt Firmen, in denen Ingenieure arbeiten, die dem Anforderungsprofil gerecht werden. Und die versuchen wir dann mit unseren Researchs zu erreichen, erst einmal zu identifizieren und nachher anzusprechen.

    Senel: Research, das sind die Menschen, die quasi sich wirklich gezielt um diese Ingenieure in den Unternehmen kümmern?

    Heidelberger: Genau.

    Senel: Wie machen die das? Also sagen wir mal, Sie haben jetzt ein Unternehmen gefunden, wo ein potenzieller Kandidat sitzt, wie schaffen Sie es, mit diesem Kandidaten ins Gespräch zu kommen?

    Heidelberger: Gut, dann ist es die Aufgabe des Researchs, diesen Kandidaten erst einmal zu identifizieren, also überhaupt herauszukriegen, wie heißen die Kandidaten, die als Ingenieure in einer Entwicklungsabteilung zum Beispiel tätig sind, und wie können wir die erreichen telefonisch. Rein rechtlich dürfen wir sie ganz kurz am Arbeitsplatz ansprechen, ob überhaupt Interesse besteht und ob sie grundsätzlich infrage kommen. Und wenn das der Fall ist, wird ein längeres Telefonat meistens am Abend in der Freizeit mit den Damen oder Herren geführt, um tatsächlich herauszufinden, ob sie passen.

    Senel: Sie sagen, Sie finden die Namen heraus – wie machen Sie das zum Beispiel?

    Heidelberger: Ja, das ist das Geheimnis unseres Researchs, aber der muss sich natürlich eine sogenannte Coverstory einfallen lassen...

    Senel: Was heißt das?

    Heidelberger: ... um die Namen herauszubekommen. Das heißt, dort geht es darum, Interesse zu bekunden an der Arbeit. Das kann ein Thema sein wie eine Diplomarbeit, das kann aber auch vielleicht ein Projekt sein oder ein Kundenanruf sein, um dann herauszufinden, wer denn in diesem Bereich tätig ist. Ein guter Researcher lässt sich da immer das Richtige einfallen, und zum Teil funktioniert es dann auch über Netzwerke, dass er ja vielleicht schon Leute in diesen Unternehmen kennt, die direkt anrufen kann und die ihm dann wieder weiterhelfen.

    Senel: Sie haben gerade gesagt, der Researcher hat nur sehr wenig Zeit, um den Kandidaten zu überzeugen. Wie macht er das, was erzählt er ihm in diesem Zeitraum?

    Heidelberger: Gut, als Allererstes muss er erst mal sagen wir mal ein Vertrauensverhältnis am Telefon aufbauen, was unheimlich schwierig ist. Das heißt, er muss natürlich ganz kurz auch was über diese Aufgabe sagen, um die es hier geht, um Interesse zu wecken, und dann auf der anderen Seite mit dem Kandidaten generell abklären, hat der Interesse, und wenn ja, auch schon erste Rahmenbedingungen vielleicht abklären. Also hat er das richtige Studium, das richtige Alter, ist er im richtigen Fachgebiet tätig, bis hin vielleicht auch schon am Telefon über eine Gehaltsgröße zu sprechen. Kann natürlich nur funktionieren, wenn er auch sehr offen dem potenziellen Kandidaten gegenüber ist.

    Senel: Gibt es je nach Branche Menschen, die schwerer zu überzeugen sind als andere?

    Heidelberger: Ja, wir sprechen ja gerade über Ingenieure, und generell können wir sagen, dass Techniker sehr schwer zu überzeugen sind. Vertriebsleute sind meistens viel, viel offener, schneller auch bereit oder auch in Gespräche zu gehen, Techniker sind da eher kritisch.

    Senel: Wie kommt das?

    Heidelberger: Ja, ich glaube einfach, weil sie schon von der Ausbildung her gelernt sind, Dinge kritisch zu hinterfragen, exakt Themen zu berechnen, und jetzt geht es ja hier um ihre persönlichen Daten, um ihre eigene Person, und da sind die meisten eben noch kritischer. Wobei, je höher die Funktion angesiedelt ist, umso leichter will ich es mal nennen ist die Ansprache der Kandidaten.

    Senel: Haben Sie auch Tipps für Ingenieure, die selber von Personalberatern angesprochen werden, von Ihren Researchern beispielsweise, oder gibt es schwarze Schafe in Ihrer Branche?

    Heidelberger: Die Personalberaterbranche ist ja dadurch gekennzeichnet, dass es kein geschützter Beruf ist, sondern jeder kann sich das Schild Personalberater an die Tür hängen und dann dort tätig werden, und damit finden Sie auch ein breites Spektrum. Für Qualität spricht eben unter anderem auch die Mitgliedschaft im BDU, Bundesverband Deutscher Unternehmensberater, weil wir bestimmte Qualitätskriterien einfach erfordern von unseren Mitgliedern. Für den Ingenieur selbst, denke ich, ist es wichtig zu hinterfragen, wer ihn denn da anruft, um welche Position es geht, gegebenenfalls sich auch die Telefonnummer geben zu lassen dieser Berater, um dann zurückzurufen, vielleicht vorher dann schon ins Internet zu schauen, bevor man im intensiveren Gespräch wirklich auch persönliche Daten dort von sich preisgibt.

    Senel: Es hat auch ein bisschen einen Hauch von "ein unmoralisches Angebot", oder?

    Heidelberger: Na, ich würde eher sagen, das Ganze ist ein bisschen mysteriös, weil man kann die Dinge ja nicht genau einschätzen. Von daher würde ich nicht sagen unmoralisches Angebot, sondern meistens ist gar nicht transparent, was dort geschieht, und das hat so diesen Hauch des Mysteriösen. Und auf der anderen Seite denke ich aber auch, dass eben viele Ingenieure nicht so häufig angesprochen werden und erst mal skeptisch sind.

    Senel: Geben Sie Ihren Auftraggebern eine Garantie, dass Sie auf jeden Fall einen geeigneten Kandidaten finden werden?

    Heidelberger: Wir geben die Garantie, dass wir so lange suchen, bis wir einen Kandidaten haben. In der Regel haben wir Projektlaufzeiten von vier bis fünf Monaten, wobei die in den letzten ein, zwei Jahren deutlich länger geworden sind. Aber wir besetzen jede Funktion.

    Senel: Die Suchzeiten dauern immer länger, sagen Sie, wie dramatisch ist denn die Situation des Fachkräftemangels, wie sehr spüren Sie das? Also es sind zum Beispiel Schlagzeilen von War for Talents zu lesen, der Kampf um Talente – spüren Sie das selber?

    Heidelberger: Das spüren wir ganz deutlich. Also wenn wir jetzt mal Ingenieure als Fachkräfte hier in den Fokus nehmen, dann haben wir ja heute schon einen Mangel, und mit dem Aufschwung nach der Krise wollen die meisten Unternehmen wieder qualifizierte Leute einstellen. Das Angebot ist aber nicht größer und schon gar nicht das Angebot an guten und wechselwilligen Kandidaten.

    Senel: Ingenieuren auf den Versen – wie Personalberater Fachkräfte suchen. Darüber habe ich gesprochen mit Michael Heidelberger vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater. Herzlichen Dank für diese Einblicke!