Elif Senel: Der Germanistikdozent im Beitrag vorhin hat das angesprochen: Es gibt Professoren, da hat man den Eindruck, das Publikum ist eine Art Belästigung beim eigenen Denken. Aber woran liegt das? Thomas Stelzer-Rothe ist Professor an der Fachhochschule Südwestfalen mit dem Schwerpunkt Personalmanagement, und seit 15 Jahren versucht er, die Kunst des Vortrags zu vermitteln. Er gibt Seminare, und gerade ist sein Ratgeber "Vorträge halten" erschienen. Guten Tag, Herr Stelzer-Rothe!
Thomas Stelzer-Rothe: Guten Tag, Frau Senel!
Senel: Sie sind auch selber Gutachter bei der Berufung von Professoren in verschiedenen Bundesländern. Das heißt, Sie treffen viele angehende Professoren, und die müssen dann vor einem großen Gremium ihren Vortrag dann halten. Wie kommt es denn, dass viele Dozenten und Professoren gerade so hervorragende Forscher sind, aber dann vielleicht fürchterliche Redner?
Stelzer-Rothe: Also die Karriere, die sie an der Hochschule machen, hat natürlich sehr viel mit Forschung zu tun. Sie machen eine Promotion, dann machen sie vielleicht auch eine Habilitation, dann sind sie vielleicht auch von ihrem Fach sehr begeistert. Und dann kommt die Lehre, die sie machen müssen, und die passt in diese Sozialisation nicht unbedingt so gut hinein. Und das ist schwierig für viele. In Berufungsverfahren erlebe ich ganz häufig, dass Professorinnen und Professoren, die sich eben bewerben und dann so eine Stelle anstreben, dass sie auch ihre Fachlichkeit beweisen wollen. Und das ist schwierig. Studierende sollen ja etwas lernen, und der angehende Hochschullehrer soll ja nicht etwas lehren, wovon er dann begeistert ist oder von dem er dann glaubt, dass es das Richtige ist, sondern der Student muss rausgehen und etwas können. Und das ist der Perspektiv-Wechsel, den viele nicht schaffen.
Senel: Und damit die Studierenden auch wirklich lernen können, muss eine Rede auch so gehalten werden, dass sie verständlich wahrscheinlich rüberkommt. Warum wird das an unseren Hochschulen nicht ausreichend vermittelt?
Stelzer-Rothe: Die formelle Qualifikation für die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, egal ob an der Universität oder an der Fachhochschule, sieht ja diese fachliche Qualifikation primär vor, dann besondere Leistungen, die erbracht werden, darüber hinaus. Und da ist die Lehre sicherlich auch mit vorgesehen. Wenn Sie die Berufungsgrundlagen sich anschauen, ist die auch immer ein Thema. Sie bleibt aber in vielen Fällen auf der Strecke und wird hinterher nicht planmäßig angegangen. Also, normalerweise müssen Sie einen Hochschullehrer, wenn Sie ihn einstellen, sozusagen begutachten auch in der Praxis: Was kann er schon und was muss er noch lernen? Und das bleibt leider häufig auf der Strecke.
Senel: Haben Sie das schon mal selber in der Berufungskommission erlebt, dass für jemanden sich ausgesprochen wurde, der fachlich hervorragend, aber im Vortrag relativ mittelmäßig gewesen ist, ausgewählt wurde?
Stelzer-Rothe: Ja, das passiert natürlich in der Hoffnung, dass man dann die didaktischen Fähigkeiten, die ja sehr wichtig sind, hinterher noch nachlegen kann. Manchmal bleibt das aber trotzdem auf der Strecke. Also ich empfehle für alle Hochschulen, egal ob Universitäten oder Fachhochschulen, dass man am Anfang mit den neu berufenen Professorinnen und Professoren ein intensives Gespräch führt, ganz einfach unter dem Blickwinkel: Was kann er schon, oder sie, in der Lehre? Was muss er können? Was soll er können? Und was müssen wir tun, damit das dann im Zweifel irgendwann ausgeglichen wird durch entsprechende didaktische Kurse, die jemand belegt, oder auch Persönlichkeitstraining?
Senel: Schauen wir doch mal auf einen gelungenen Vortrag, und der hängt von der Persönlichkeit ab, sagen Sie. Was braucht denn ein guter Redner an persönlichen Eigenschaften im Gepäck?
Stelzer-Rothe: Also, das, was er an persönlichen Eigenschaften braucht, ist natürlich eine ganze Menge, leider, aber zum Glück lernbar. Ich glaube schon, dass die meisten Menschen das lernen können, wenn sie sich bemühen. Es gibt so drei Schritte, die Sie in den Blick nehmen können: einmal vor dem Vortrag, beim Vortrag und danach. Vor dem Vortrag ist es sicherlich gut, wenn man sich Zeit nimmt zur Vorbereitung, das heißt also Sicherheit gewinnt und tatsächlich auch Wertschätzung schon da rüberbringt. Bei dem Vortrag selber geht es darum, die eigene Begeisterung auch rüberzubringen. Also, man muss dem Hochschullehrer schon anmerken, dass er sein Fach mag und dass er das rüberbringen will. Und das ist dann auch authentische Wertschätzung für Studierende: Mühe geben, Studenten da abholen, wo sie sind, Struktur einbauen. Das, was alles vorhin in diesem Beitrag gesagt worden ist zu dem Thema "Was ist denn wichtig?" Struktur, etwas vermitteln, was die Studenten tatsächlich behalten können. Das ist während des Vortrags wichtig, authentische Wertschätzung eben, unterm Strich. Und nach dem Vortrag mache ich mir Gedanken, wie es rübergekommen ist, lasse mir Feedback geben und versuche, etwas Neues mit einzubauen, falls das notwendig ist.
Senel: Was ist mit so Eigenschaften wie Selbstsicherheit?
Stelzer-Rothe: Ganz wichtig, und wenn Sie vor einem Vortrag natürlich Angst haben oder wenn das Lampenfieber zu viel wird, was ja immer mal wieder passieren kann, dann muss ich mir Strategien überlegen, wie ich das abbaue. Das geht im Vorfeld durch Sicherheitsgewinnung, durch gute Vorbereitung, das geht im Vortrag selber, indem ich mir klar vor Augen halte, wo ich gerade bin, was ich mache und was als nächster Schritt kommt. Dazu braucht es eben ein gutes Redemanuskript, und das sollte man mit einbauen und diese Struktur für die Studierenden deutlich machen.
Senel: Wie kann ich so was üben?
Stelzer-Rothe: Ja, indem ich jede Gelegenheit wahrnehme, diese Übungsmöglichkeiten mehr oder weniger vor großem oder auch kleinem Publikum wahrnehmen zu können. Also, ich empfehle allen, solche Situationen – ob das im Sportverein ist, ob das bei einer Veranstaltung ist in kleinerem Kreis bei einer Geburtstagsfeier – zu üben und später dann vor größerem Publikum einfach versuchen, diese Fähigkeiten zu übertragen. Das Wichtige ist, dass Vorträge nicht sozusagen durch Lampenfieber kaputt gemacht werden, sondern dass die Begeisterung eines Redners tatsächlich authentisch rüberkommt. Und dann kommt Kreativität und Begeisterung im Vortrag zustande.
Senel: Also gute Vorträge kann man üben, sagt Thomas Stelzer-Rothe, der Autor des Ratgebers "Vorträge halten". Vielen Dank, Herr Stelzer-Rothe!
Stelzer-Rothe: Bitte, Frau Senel!
Thomas Stelzer-Rothe: Guten Tag, Frau Senel!
Senel: Sie sind auch selber Gutachter bei der Berufung von Professoren in verschiedenen Bundesländern. Das heißt, Sie treffen viele angehende Professoren, und die müssen dann vor einem großen Gremium ihren Vortrag dann halten. Wie kommt es denn, dass viele Dozenten und Professoren gerade so hervorragende Forscher sind, aber dann vielleicht fürchterliche Redner?
Stelzer-Rothe: Also die Karriere, die sie an der Hochschule machen, hat natürlich sehr viel mit Forschung zu tun. Sie machen eine Promotion, dann machen sie vielleicht auch eine Habilitation, dann sind sie vielleicht auch von ihrem Fach sehr begeistert. Und dann kommt die Lehre, die sie machen müssen, und die passt in diese Sozialisation nicht unbedingt so gut hinein. Und das ist schwierig für viele. In Berufungsverfahren erlebe ich ganz häufig, dass Professorinnen und Professoren, die sich eben bewerben und dann so eine Stelle anstreben, dass sie auch ihre Fachlichkeit beweisen wollen. Und das ist schwierig. Studierende sollen ja etwas lernen, und der angehende Hochschullehrer soll ja nicht etwas lehren, wovon er dann begeistert ist oder von dem er dann glaubt, dass es das Richtige ist, sondern der Student muss rausgehen und etwas können. Und das ist der Perspektiv-Wechsel, den viele nicht schaffen.
Senel: Und damit die Studierenden auch wirklich lernen können, muss eine Rede auch so gehalten werden, dass sie verständlich wahrscheinlich rüberkommt. Warum wird das an unseren Hochschulen nicht ausreichend vermittelt?
Stelzer-Rothe: Die formelle Qualifikation für die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, egal ob an der Universität oder an der Fachhochschule, sieht ja diese fachliche Qualifikation primär vor, dann besondere Leistungen, die erbracht werden, darüber hinaus. Und da ist die Lehre sicherlich auch mit vorgesehen. Wenn Sie die Berufungsgrundlagen sich anschauen, ist die auch immer ein Thema. Sie bleibt aber in vielen Fällen auf der Strecke und wird hinterher nicht planmäßig angegangen. Also, normalerweise müssen Sie einen Hochschullehrer, wenn Sie ihn einstellen, sozusagen begutachten auch in der Praxis: Was kann er schon und was muss er noch lernen? Und das bleibt leider häufig auf der Strecke.
Senel: Haben Sie das schon mal selber in der Berufungskommission erlebt, dass für jemanden sich ausgesprochen wurde, der fachlich hervorragend, aber im Vortrag relativ mittelmäßig gewesen ist, ausgewählt wurde?
Stelzer-Rothe: Ja, das passiert natürlich in der Hoffnung, dass man dann die didaktischen Fähigkeiten, die ja sehr wichtig sind, hinterher noch nachlegen kann. Manchmal bleibt das aber trotzdem auf der Strecke. Also ich empfehle für alle Hochschulen, egal ob Universitäten oder Fachhochschulen, dass man am Anfang mit den neu berufenen Professorinnen und Professoren ein intensives Gespräch führt, ganz einfach unter dem Blickwinkel: Was kann er schon, oder sie, in der Lehre? Was muss er können? Was soll er können? Und was müssen wir tun, damit das dann im Zweifel irgendwann ausgeglichen wird durch entsprechende didaktische Kurse, die jemand belegt, oder auch Persönlichkeitstraining?
Senel: Schauen wir doch mal auf einen gelungenen Vortrag, und der hängt von der Persönlichkeit ab, sagen Sie. Was braucht denn ein guter Redner an persönlichen Eigenschaften im Gepäck?
Stelzer-Rothe: Also, das, was er an persönlichen Eigenschaften braucht, ist natürlich eine ganze Menge, leider, aber zum Glück lernbar. Ich glaube schon, dass die meisten Menschen das lernen können, wenn sie sich bemühen. Es gibt so drei Schritte, die Sie in den Blick nehmen können: einmal vor dem Vortrag, beim Vortrag und danach. Vor dem Vortrag ist es sicherlich gut, wenn man sich Zeit nimmt zur Vorbereitung, das heißt also Sicherheit gewinnt und tatsächlich auch Wertschätzung schon da rüberbringt. Bei dem Vortrag selber geht es darum, die eigene Begeisterung auch rüberzubringen. Also, man muss dem Hochschullehrer schon anmerken, dass er sein Fach mag und dass er das rüberbringen will. Und das ist dann auch authentische Wertschätzung für Studierende: Mühe geben, Studenten da abholen, wo sie sind, Struktur einbauen. Das, was alles vorhin in diesem Beitrag gesagt worden ist zu dem Thema "Was ist denn wichtig?" Struktur, etwas vermitteln, was die Studenten tatsächlich behalten können. Das ist während des Vortrags wichtig, authentische Wertschätzung eben, unterm Strich. Und nach dem Vortrag mache ich mir Gedanken, wie es rübergekommen ist, lasse mir Feedback geben und versuche, etwas Neues mit einzubauen, falls das notwendig ist.
Senel: Was ist mit so Eigenschaften wie Selbstsicherheit?
Stelzer-Rothe: Ganz wichtig, und wenn Sie vor einem Vortrag natürlich Angst haben oder wenn das Lampenfieber zu viel wird, was ja immer mal wieder passieren kann, dann muss ich mir Strategien überlegen, wie ich das abbaue. Das geht im Vorfeld durch Sicherheitsgewinnung, durch gute Vorbereitung, das geht im Vortrag selber, indem ich mir klar vor Augen halte, wo ich gerade bin, was ich mache und was als nächster Schritt kommt. Dazu braucht es eben ein gutes Redemanuskript, und das sollte man mit einbauen und diese Struktur für die Studierenden deutlich machen.
Senel: Wie kann ich so was üben?
Stelzer-Rothe: Ja, indem ich jede Gelegenheit wahrnehme, diese Übungsmöglichkeiten mehr oder weniger vor großem oder auch kleinem Publikum wahrnehmen zu können. Also, ich empfehle allen, solche Situationen – ob das im Sportverein ist, ob das bei einer Veranstaltung ist in kleinerem Kreis bei einer Geburtstagsfeier – zu üben und später dann vor größerem Publikum einfach versuchen, diese Fähigkeiten zu übertragen. Das Wichtige ist, dass Vorträge nicht sozusagen durch Lampenfieber kaputt gemacht werden, sondern dass die Begeisterung eines Redners tatsächlich authentisch rüberkommt. Und dann kommt Kreativität und Begeisterung im Vortrag zustande.
Senel: Also gute Vorträge kann man üben, sagt Thomas Stelzer-Rothe, der Autor des Ratgebers "Vorträge halten". Vielen Dank, Herr Stelzer-Rothe!
Stelzer-Rothe: Bitte, Frau Senel!