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Die Kunst wieder aufzustehen

Technik. - Vor einigen Jahren stellte Honda den P3 vor: Den ersten Roboter, der wirklich dynamisch ging, Treppen stieg und auch auf wackeligem Untergrund das Gleichgewicht hielt. Jetzt kommt, ebenfalls aus Japan, ein Roboter, der zusätzlich enorme Nehmerqualitäten besitzt: Er steht wieder auf, wenn er am Boden liegt.

    Von Andrea Vogel

    Einen Roboter zu bauen, der ähnlich wie ein Mensch aussieht und sich auch so bewegt, das macht vor allem da Sinn, wo Mensch und Maschine zusammenarbeiten und sich in einer auf menschliche Bedürfnisse angepassten Umgebung bewegen. Forscher vom Japanischen Institut für industrielle Forschung und Entwicklung haben für solche Zwecke einen speziellen Roboter gebaut. Den HRP-2. Hiro Hirukawa erklärt, wie HRP-2 in Zukunft arbeiten soll:

    Auf einer Baustelle zum Beispiel kann der Roboter dem Menschen gut helfen: Hier braucht man einen Experten, aber viel Arbeit können auch Anfänger erledigen. Wir wollen, dass der Roboter die Anfänger-Jobs macht. Er kann zum Beispiel mit einem Menschen zusammen lange Sachen tragen.

    Der Roboter, der das hintere Ende eines Balkens schleppt, muss sich kaum orientieren und auch nicht wissen, wohin mit der langen Fracht. Er muss sich nur von seinem Vordermann in die richtige Richtung führen lassen. Genau genommen wird er also den lieben langen Tag hin und her geschubst. Wenn er dabei immer fest auf beiden Beinen stehen bliebe, und auch sonst niemals über irgend etwas stolpern würde, wäre das ein kleines Wunder. Der Mensch schafft so etwas nicht. Hirukawa:

    Wenn wir so einen perfekten Roboter bauen wollten, müsste sein Kontrollmechanismus sehr, sehr, sehr stabil sein. Wenn er aber aufstehen kann, dann darf er auch mal hinfallen. Wir können also die Ansprüche an den Kontrollmechanismus etwas zurückschrauben.

    Hirukawa und seine Kollegen haben ihrem Roboter darum beigebracht, sich hinzusetzen und wieder aufzustehen. Am Menschen orientieren sich seine Bewegungen allerdings nicht. Statt sich in einer einzigen dynamischen Bewegung hinzusetzen oder aufzustehen, manövriert er sich durch ein ganze Reihe zur Nachahmung nur teilweise empfohlener Positionen. Zunächst beugt er, um sich hinzusetzen, bei völlig aufrechtem Oberkörper die Knie. Fast, als balanciere er ein Telefonbuch auf dem Kopf. Nach vorne kommt er von hier aus leicht: er muss nur auf die Knie kippen. Viel abenteuerlicher ist aber seine Technik, um sich nach hinten zu setzen. Hirukawa:

    Ich habe mal versucht, diese Bewegungen nachzumachen. Einige habe ich hinbekommen, aber andere sind viel zu schwierig für mich. Wahrscheinlich müsste ich dazu noch das eine oder andere Kilo abnehmen!

    Der Roboter stützt nämlich in der Hocke bei aufrechtem Oberkörper die Hände rechts und links neben der Hüfte ab. Die meisten Menschen kommen so, wenn überhaupt, nur mit den Fingerspitzen auf den Boden. Und die werden nur bei wenigen das ganze Körpergewicht tragen können. Und bei HRP-2 müssen sie das. Denn jetzt entlastet er die Füße, um sie nach vorne zu strecken. Dann muss er nur noch die Ellbogen anwinkeln - und endlich sitzt er. Alles in allem dauert das fast eine halbe Minute. Um sich wieder aufzurichten, macht HRP-2 im Prinzip die selben Bewegungen rückwärts. Dass er dabei im Prinzip immer im Gleichgewicht bleibt, verdankt er speziellen Sensoren. Die melden jedes kleine Kippeln und Wackeln und lösen damit sofort winzige Gegenbewegungen aus, die den Roboter wieder genau ins Gleichgewicht zurückholen. Hirukawa:

    Der Roboter hat Kraft- und Beschleunigungssensoren. Mit denen können wir seinen Schwerpunkt finden. Damit er nicht umfällt, müssen wir dafür sorgen, dass sein Schwerpunkt immer über seiner Grundfläche ist, also zum Beispiel zwischen seinen Füßen. Dann ist alles OK und der Roboter bleibt stehen.

    Der Mensch kann dank seiner vielen Gelenke und ihrer phantastischen Steuerung gut auf diese dauernde Stabilität verzichten. Und tut das auch häufig: Beim Gehen zum Beispiel, und natürlich auch beim Aufstehen. In welche Schwierigkeiten dieser Verzicht den Roboter bringt, sieht man, wenn hrp-2 aufsteht. Da kommt nämlich ein Moment, in dem sich seine Unterstützungsfläche verkleinert: Weil er vom Knien zum Hocken übergeht zum Beispiel. Eine kleine, aber eben dynamische Bewegung, die HRP-2s Sensoren geradezu in Aufregung versetzt. Denn: Sein ganzer Körper muss pendeln, um diesen Schwung abzufangen. Eine anspruchsvolle Aufgabe für seine Steuerung. Kein Wunder, dass die Forscher auf solche Aktionen lieber verzichten - auch wenn die statischen, stabilen Bewegungen nicht ganz so elegant aussehen.