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Die Kunstwerke des Folkwang-Museums

In dem neu eröffneten Folkwang-Museum in Essen kommt nicht nur die Malerei der ständigen Sammlung zur Geltung. Auch der umfangreichen fotografischen Sammlung wird erstmals ein großer Platz zugemessen.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Michael Köhler |
    Michael Köhler: Wenden wir uns mal den Inhalten, den Künsten, den Bildern zu: van Gogh, Matisse, Cézanne - sie wurden erstmals im neuen Folkwang-Museum gezeigt, das es 1902 in Hagen gab, dort gegründet. Dann 1921/22 kam alles nach Essen, das Haus blieb der Moderne natürlich verpflichtet. Aber auch deutsche und französische Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts sind dort zu sehen. Frage an den Kollegen Stefan Koldehoff: Wie präsentieren sich denn die Kunstwerke im neuen Haus?

    Stefan Koldehoff: Also wenn wir zunächst mal übers Gebäude sprechen, dann ist es ein durchaus gelungenes Gebäude, in dem ich hier stehe, ein Gebäude, das von außen so ein wenig die Anmutung eines Industriebaus hat. Das ist eine Keramik-Glas-Fassade, grünlich schimmernd, die durchaus an Hallen erinnert, die man hier im Ruhrgebiet auch überall sieht.

    Wenn man dann aber drin ist, dann merkt man schon, mit wie viel Finesse David Chipperfield da geplant hat, wie die Proportionen stimmen, wie die Zweckbestimmung erfüllt wird für die einzelnen Räume, Tageslichträume für die Kunst, die unempfindlicher ist, also die Malerei, und tageslichtlose Räume, Kunstlicht also, für die fotografische Sammlung, die zum ersten Mal einen richtig großen Platz hat, sich zu zeigen.

    Das ist auch dringend nötig, denn die fotografische Sammlung hier in Essen gehört zu den weltweit bedeutendsten ihrer Art überhaupt, hat bisher nur sehr kleine Räume gehabt, das hat sich jetzt geändert. Und sie eigentlich auch der Star der heutigen Eröffnung, denn ansonsten muss man sagen, übt das Museum noch so ein bisschen.

    Sie haben es gerade selbst angesprochen: Zu sehen ist die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, der sogenannte Altbau, der Annex, der noch angeschlossen werden muss, ist noch nicht fertig geworden. Dort werden dann die Werke von Casper David Friedrich über van Gogh, Gauguin und Cézanne bis hin zu Max Beckmann irgendwann mal zu sehen sein, ab März. Und die fehlen schon noch schmerzlich, denn man merkt, dass das Folkwang-Museum seine große Zeit im Kaiserreich in der Weimarer Republik hatte, als es hier Geld gab im Ruhrgebiet, dass es dann nach dem Krieg in den 50er-, 60er-Jahren weiterging, aber doch in den letzten 20 Jahren an der Gegenwartskunst nicht mehr so arg viel getan wurde.

    Köhler: Als ich kürzlich mal dran vorbeifuhr und die schönen Atrien oder Innenhöfe sah, da musste ich irgendwie spontan so ein bisschen an den Hof des Museum of Modern Art in New York denken. Die Kulisse drum herum ist nicht ganz so, aber es hat ein bisschen was von … Die vierte Wand ist aus Licht. Da werden quasi die Betrachtung und der Betrachter selber zu einem Mitglied der sogenannten Pleinairmalerei, also der Freilichtmalerei.

    Koldehoff: Ja, und das ist gewollt von Chipperfield. Er wollte bewusst dieses Museum, das ja mitten in der Stadt liegt, auch mit der Stadt verbinden. Erklärtes Ziel war es, von jedem Raum aus möglichst einen Außenblick zu haben. Das ist auch fast überall gelungen, und trotzdem sind es Räume, die jener White-Cube-Idee, also weißer Kubus, entsprach, für die die Kunst der 50er-, 60er-Jahre ja entstanden war.

    Also diese Mischung ist durchaus gelungen, und es gibt auch diese Innenhöfe, die Sie angesprochen haben, mit Rasen bepflanzt und mit Bäumen, in jedem Innenhof ein anderer, da eröffnen sich natürlich wunderbare Blickachsen. Also es ist schon eine sehr gelungene Architektur. Was allerdings Ministerpräsident Jürgen Rüttgers heute bei seiner Eröffnungsansprache sagte, der beste Chipperfield-Bau weltweit, da würde ich so nicht unterschreiben.

    Köhler: Wie gut tut so etwas der monastisch, klösterlich strengen Kunst der Moderne?

    Koldehoff: Durchaus gut. Sie - wie man so schön immer sagt - sie funktioniert in diesen Räumen. Das heißt, man hat sehr großzügig gehängt, oft großformatige Bilder allein auf einer Wand, die Möglichkeiten dafür sind jetzt da. Also was die ständige Sammlung angeht, funktioniert es gut.

    Was sich noch erweisen muss, ist, wie weit das dann auch funktioniert für die Wechselausstellungen. Dafür ist ein riesengroßer Saal vorgesehen, der irgendwann mal durch mobile Trennwände dann unterteilt werden soll. Wie das dann hinhaut, ja, nicht nur für die Tafelmalerei, irgendwann auch mal für Skulpturen, das wird sich noch erweisen - aber ich bin da recht zuversichtlich. Und wenn man sich dann noch - Sie sprachen gerade von monastischer Kultur -, wenn man sich dann noch überlegt, dass dieses ganze Gebäude ja von einem einzigen Menschen, von Berthold Beitz nämlich und der Krupp-Stiftung, finanziert worden ist - 55 Millionen insgesamt, innerhalb von zwei Jahren hochgezogen -, dann würde ich vielleicht eher nicht von einer monastischen, sondern fast von einer dynastischen Kultur hier in Essen sprechen.

    Köhler: Abschließend: Geschliffener Estrich, hohe Glaswände, 7000 Quadratmeter für die Kunst, eine Wechselausstellungshalle, die Sie erwähnt haben, mit 1400 Quadrat, damit gehört das Essener Folkwang mit seinem Anbau in die erste Reihe der deutschen Ausstellungshäuser?

    Koldehoff: Das muss man ganz eindeutig so sagen. Eine fantastische Sammlung, die es aber gut vertragen würde, dass man sie jetzt ein bisschen weiter in Richtung Gegenwart ausbaut.

    Köhler: Begeisterung allerorts. Stefan Koldehoff zur Wiedereröffnung des Folkwang-Museums in Essen.