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Die Lage in Oyster Creek "hat sich entspannt"

Betroffen von Hurrikan "Sandy" sind auch acht Atomkraftwerke in den USA. Vor allem Oyster Creek hatte Probleme. Weil der Wasserstand wieder gesunken ist, gibt Sven Dokter vorerst Entwarnung. Eine Gefahr für Anwohner, Belegschaft oder Umwelt bestünde derzeit nicht, so der Sprecher der Gesellschaft für Reaktorsicherheit.

Sven Dokter im Gespräch mit Georg Ehring | 31.10.2012
    Georg Ehring: Der Hurrikan Sandy zieht ab, er ist zu einem Tropensturm geworden, doch her hinterlässt gewaltige Schäden. Betroffen sind auch Atomkraftwerke. An acht Standorten musste man mit solchen Schäden rechnen. Besondere Probleme bekam dann Oyster Creek im Bundesstaat New Jersey. Aufmerksam verfolgt werden die Ereignisse auch in Deutschland, von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Köln, und deren Sprecher, Sven Dokter, habe ich kurz vor der Sendung gefragt, was er über die Folgen des Hurrikans für dieses Kraftwerk weiß.

    Sven Dokter: Also unser letzter Stand stammt aus der vergangenen Nacht. Das war sozusagen die letzte offizielle Mitteilung der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde NRC. Und danach hat sich die Lage insofern entspannt, als dass der Wasserstand, der ja dort Probleme verursacht hat, oder der problematisch war, zwischenzeitlich abgesunken ist. Das liegt unter anderem auch daran, dass der hohe Wasserstand, der dort erreicht wurde, auch durch die Flut, durch die ganz normale Flut verursacht war. Allerdings ist die zweite von vier Alarmstufen immer noch in Kraft. Das heißt, die Anlage steht immer noch unter Beobachtung und in Alarmbereitschaft, wenn man so will, und es ist auch nach wie vor so, dass die Anlage noch nicht an das Stromnetz angeschlossen ist. Man braucht hier zur Kühlung sowohl Strom als auch Wasser. Das heißt, die wird im Moment immer noch von den eigenen Dieseln versorgt.

    Ehring: Was ist jetzt genau das Problem? Sie sagen, der Wasserstand ist hoch. Wo bedroht er das Atomkraftwerk und wie?

    Dokter: Ich sagte eben, dass man zum Kühlen – und diese Brennelemente, auch wenn sie in diesen Abklingbecken liegen, müssen weiter gekühlt werden -, dass man dazu Wasser und Strom braucht: Strom, um Pumpen zu betreiben, und Wasser, um das Wasser in den Becken zu kühlen. Und dieses Wasser, was man zur Kühlung braucht, das wird aus dem Meer bezogen. Da gibt es sogenannte Einlaufbauwerke, die münden in das Meer, und von da wird dann das Wasser angesaugt über Pumpen. Das Problem ist, wenn ein bestimmter Pegelstand überschritten wird, dass dann die Pumpen abgeschaltet werden müssen beziehungsweise drohen, schlicht und ergreifend abzusaufen. Das heißt, das Problem sind weniger die Pumpen als die ganze Elektrik. Wenn also der Wasserstand zu hoch steigt, hat man zwar viel Wasser, was ja eigentlich an sich erst mal gut ist, aber die Pumpen werden in Mitleidenschaft gezogen beziehungsweise müssen abgeschaltet werden, und damit fehlt dann das sogenannte Nebenkühlwasser, die Nachkühlung.

    Ehring: Besteht denn derzeit Gefahr für Anwohner, für die Belegschaft oder für die Umwelt?

    Dokter: Mit Blick darauf, dass der Wasserstand jetzt zurückgegangen ist, ist das, denke ich mal, was den Aspekt angeht, im Moment eher nicht der Fall. Man muss sich klar machen, dass wenn das Wasser ausfallen würde, wenn also kein Wasser mehr aus dem Meer gezogen werden würde, dass dann immer noch ein vergleichsweise großes Zeitfenster offen steht, um mit Maßnahmen, die man vorgeplant hat, sogenannten Notfallmaßnahmen, Wasser anderweitig in diese Becken zu bekommen, um die zu kühlen. Das kann man sich ganz konkret so vorstellen, dass dann über das sogenannte Feuerlöschwasser, was in der Anlage vorrätig ist, mit Schläuchen diese Becken befüllt werden. Man hat dann ein Zeitfenster von etwa einem Tag, bis das Wasser so heiß wird in den Becken, dass es anfängt zu sieden, und dann hätte man noch einen gewissen Zeitraum, bis das Wasser so weit abgesunken ist, dass es wirklich problematisch wird.

    Ehring: Wie sind denn die US-Atomkraftwerke jetzt im internationalen Vergleich auf solche Situationen vorbereitet?

    Dokter: Gerade was Hurrikans angeht: in den Regionen, in denen Anlagen potenziell davon betroffen sind, da gibt es natürlich schon eine ganz gute Erfahrung insofern, als dass die A wissen, dass diese Hurrikans dort auftauchen. Wir haben ja in den letzten 10, 20 Jahren zwei, drei wirklich starke gehabt mit Katrina und Irene. Und das heißt, diese äußeren Einwirkungen durch Sturm und Flut, insbesondere durch Sturm, sind in der Auslegung vorgesehen. Das heißt, es gibt bestimmte Prozeduren, die vorgesehen sind. Sie haben hier anders als bei Erdbeben den Vorteil, dass Sie die Gefahr rechtzeitig vorher kommen sehen. Das führt dann zum Beispiel dazu, dass man die Anlagen teilweise schon abschaltet bei bestimmten Windgeschwindigkeiten. Das heißt, bevor der eigentliche Sturm da ist, um da Zeit zu gewinnen, dass man vorher dafür sorgt, dass genügend Personal auf der Anlage da ist, dass Notfallmaßnahmen wie die, die ich geschildert habe, also beispielsweise so ein notfallmäßiges Befüllen von Becken, dass solche Dinge vorgeplant sind. Insofern gibt es da schon ein gewisses Maß an Vorbereitung. Ob das natürlich im Einzelfall, wenn wir jetzt zum Beispiel an die Situation mit dem Flutpegel dort denken, ob das dann weit genug geht oder nicht, ist zum einen Wertungsfrage, und zum anderen müsste man da auch wirklich mehr über die Anlagen wissen, um das gut beurteilen zu können.

    Ehring: Der Hurrikan Sandy hat auf das Atomkraftwerk Oyster Creek getroffen – das waren Einschätzungen von Sven Dokter von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.