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Die Landtagswahl in Bayern im Blick

Voraussichtlich am 17. Juni entscheiden Münchens Bürger über eine dritte Startbahn am Airport "Franz-Josef Strauß". Während die schwarz-gelbe Regierungskoalition geschlossen für die Startbahn ist und in der SPD Uneinigkeit herrscht, sind Grüne und Freie Wähler strikt dagegen.

Von Michael Watzke | 09.02.2012
    Johannes Becher kämpft gegen viele Widrigkeiten: gegen minus elf Grad und Schneetreiben am Sendlinger Tor in München. Vor allem aber gegen Ablehnung und Desinteresse der Münchner Bürger:

    "Gegen die dritte Startbahn! Täten Sie uns helfen mit ihrer Unterschrift? Beim Bürgerbegehren? Kommen Sie doch schnell her und unterschreiben Sie!"

    34.000 Unterschriften brauchen Johannes Becher und seine grünen Parteifreunde, um ein Bürgerbegehren gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen zu beantragen. Seit fünf Monaten sammeln sie und haben nun 33.000 Namen beisammen. Das wird knapp reichen. Das war ein Kampf, gibt Christian Magerl zu, Landtagsabgeordneter der Grünen aus dem flughafennahen Freising und bekanntester bayerischer Startbahn-Gegner:

    "Ja, im Winter ist es wesentlich zäher, solche Aktionen zu machen als im Sommer. Dann war auch noch die Weihnachtszeit zwischendrin, muss man auch noch abziehen. Insofern ist es im Vergleich zu anderen Bürgerbegehren kein fürchterlich schlechter Verlauf, sondern Durchschnitt."

    Am 17. Juni werden Münchens Bürger voraussichtlich doppelt entscheiden, ob sie eine dritte Startbahn am Airport "Franz-Josef Strauß" wollen oder nicht. Beim Bürgerbegehren der Grünen und in einem Ratsbegehren der Rathausspitze. Umfragen sehen in der Landeshauptstadt eine Mehrheit für die Startbahn. Christian Magerl ärgert sich, dass nur die Münchner abstimmen dürfen und nicht die Bürger seiner Heimatregion um Freising und Erding. Die dortige Bevölkerung sei schließlich viel stärker vom Fluglärm betroffen. Für Magerl ist der Bürgerentscheid deshalb nur ein Nebenschauplatz. Viel wichtiger ist ihm ein anderes Datum: die bayerische Landtagswahl im Herbst 2013.

    "Wir setzen darauf, den Druck 2013 schon aufzubauen. Wir werden bis 2013 nicht lockerlassen und einen gewaltigen Druck auf Seehofer und Co. ausüben."

    Seehofer und Co. – das ist die Regierungskoalition aus CSU und FDP. Die einzigen beiden Parteien, die in Bayern weitgehend geschlossen für die dritte Startbahn votieren. Der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Georg Schmid, betont die Bedeutung des Flughafens für ganz Bayern.

    "Wir haben erkannt und wissen, dass der Flughafen eine der wichtigsten Infrastruktur-Einrichtungen in unserem Lande ist. Das ist das Tor in die Welt. Er wird in hervorragender Weise angenommen. Die Kapazitäten sind erschöpft, wir brauchen langfristig weitere Kapazitäten. Deshalb wurde die Startbahn in das Planfeststellungsverfahren gegeben. Wir sind eindeutig dafür."

    Dafür schon. Aber eilig hat es die CSU nicht. Die Bagger müssen aus Sicht der Regierungspartei nicht unbedingt mitten im Wahlkampf rollen. Da trifft es sich gut, dass der Bayerische Verwaltungs-Gerichtshof noch über 20 Klagen gegen die Startbahn entscheiden muss. Die Richter haben bereits signalisiert: die Materie sei so komplex, dass die Entscheidung im Hauptsache-Verfahren möglicherweise erst 2014 fällt – und damit nach der Landtagswahl. Die Flughafenbetreiber-Gesellschaft FMG könnte zwar juristisch gesehen schon jetzt mit den Bau-Arbeiten für die dritte Startbahn beginnen. Aber einer der drei Flughafengesellschafter ist der Freistaat. Und der, so CSU-Fraktionschef Schmid, hat entschieden:

    " ... dass man von dem vorzeitigen Beginn, an dem man starten könnte, nicht Gebrauch machen möchte. Sondern dass man das Hauptsacheverfahren abwarten will, bis das Gericht endgültig entschieden hat. Und dann erst in die Realisierung eintritt. Das ist auch meine Auffassung und auch Auffassung der gesamten Fraktion."

    Denn die CSU weiß sehr genau, wen sie damit am meisten ärgert: Christian Ude von der SPD. Der Münchner Oberbürgermeister will 2013 gern Horst Seehofer als Ministerpräsident beerben. Ude ist – wie Seehofer – für die dritte Startbahn. Das Problem: Seine Partei steht nicht geschlossen hinter ihm:

    "Es gibt Meinungsverschiedenheiten in der SPD, das ist überhaupt keine Frage. Ich nehme an, eine starke Mehrheit und eine beachtliche Minderheit."

    Zur beachtlichen Minderheit gehören auch SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen und viele SPD-Landtags-Abgeordnete. Die Fraktion ist nicht begeistert, dass Ude seine Nominierung als SPD-Spitzenkandidat davon abhängig macht, ob die bayerischen Sozialdemokraten beim Landesparteitag im Juli für die 3. Startbahn stimmen. Derzeit gilt noch der Parteitagsbeschluss vom letzten Jahr – gegen die 3.Startbahn. Je länger sich die Diskussion hinzieht, desto schwieriger für Ude.

    "Deswegen wär’ mir am liebsten, wir könnten die notwendige Entscheidung noch 2013 treffen. Wenn nicht, dann war es offensichtlich der Staatsregierung und der Gerichtsbarkeit nicht besonders dringlich."

    Besonders dringlich? Davon ist der gemütliche Horst Seehofer weit entfernt. Er setzt darauf, dass sein Gegner Christian Ude auf der dritten Startbahn eine Bruchlandung hinlegt, weil ihm seine eigene Partei die Flügel stutzt. Ude dagegen hofft, dass ihm ein Bürger-Votum pro Startbahn neuen Aufwind unter den Flügeln verschafft. Denn über ein solches Votum könnte sich die Bayern-SPD nur schwer hinwegsetzen. Christian Magerl von den Grünen wiederum fühlt sich an die Entscheidung der Münchner Bürger nicht gebunden. Er will weiterkämpfen und ist sicher, dass sich auch Ude in der Startbahn-Frage am Ende noch drehen wird. Denn wenn er bayerischer Ministerpräsident werden will, braucht er die Grünen und die Freien Wähler als Koalitionspartner. Und beide sind strikt gegen die Startbahn. Magerl ist zuversichtlich ...

    " ... dass die SPD wegen dieses Projektes nicht einen Regierungswechsel in Bayern scheitern lassen wird."