In dieser lyrischen Hommage an Ogun hat der 1934 geborene nigerianische Dichter Wole Soyinka seine eigene vielfältige Arbeit als Dramatiker, Romancier, Essayist, Tbeatermann und engagierter Intellektueller unter das Zeichen eines tatkräftigen Gottes, eines "Inbegriffs von Kreativität", gestellt. Ganz in diesem Sinne nannte ihn die Schwedische Akademie, als sie ihm 1986 den Literatur-Nobelpreis verlieh, einen "Kämpfer für den menschlichen GeistC. In seinem neuen Buch nun, das gegen den Gedächtnisschwund der Völker geschrieben ist, die in der Kolonialisierung Afrikas Schuld auf sich geladen haben, zeigt sich dieser Kämpfer für den menschlichen Geist vor allem als Pragmatiker, als einer, der konkrete und spekulative Vorschläge für die Durchsetzung des Humanen macht. So lautet denn der zentrale Begriff dieses Buches: Wiedergutmachung. Moralische und finanzielle Wiedergutmachung begangener Verbrechen. Unglückseligerweise setzen die Herrscher Afrikas genau diese Linie gegen ihre eigenen Völker fort.
Es gibt Momente, in denen es fast so scheinen will, als ob es eine teuflische Kontinuität ( und Unvermeidlichkeit?) in all dem gäbe - man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, als stelle das Verhalten der heutigen (internen) Sklavenhändler lediglich das hartnäckige Herniederstürzen einer noch ungesühnten Vergangenheit dar.
Gegen die vorschnelle, an die Europäer gerichtete Versöhnungsgeste der Afrikaner und gegen ein Kleinreden oder gar Verschweigen des massiven staatlichen Terrorismus in den eigenen afrikanischen Staaten beharrt Wole Soyinka auf einem kontinuierlichen Durcharbeiten der Geschichte und des gegenwärtigen Geschehens. Damit meint er die Greueltaten im Namen von Rassismus und Kolonialismus und die terroristische Willkür afrikanischer Herrscher (bis zu den Morden Bokassas und Idi Amin Dadas). Wole Soyinka nennt sie "imperiale Kindermörder" und "praktizierende Kannibalen" in der "Machtlandschaft eines Kontinents" und berichtet von der Schwierigkeit, sich Gehör zu verschaffen, wenn man die tatsächlichen Taten und das ganze Ausmaß der Perversion darlegt. Hier ist er denn auch bereit, die Rolle des~ich e~ gunsten von Gerichtsverfahren hintan zu stellen.
Es gibt ganz offensichtlich eine Grenze für die Möglichkeiten selbst des besessensten Dramatikers, öffentliche Empfindungen über die Anerkennung der Wahrheit zu verändern. Gerichtsverfahren hingegen haben, selbst als gedruckte Dokumente, den Vorteil einer direkten Realität, und so ist dies ein dringender Appell an afrikanische Regierungen, diese Dokumente nicht in den muffigen Archiven rassischer Feinfühligkeiten zu begraben.
Wahrheitsfindung, die Verbreitung der Wahrheit, Wiedergutmachung der begangenen Verbrechen - und dann erst die Geste der Versöhnung: das ist die Reihenfolge, für die Wole Soyinka in diesem Buch kämpft. In einem Gespräch, das der mit Wole Soyinkas Werk vertraute Übersetzer und Interpret Gerd Meuer in diesen Tagen mit dem Autor führte, äußerte dieser:
Die Wiedergutmachung ist eine berechtigte Forderung, gleichgültig, ob wir sie nun theologisch, philosophisch oder als ein Problem menschlicher, sozialer oder internationaler Beziehungen betrachten. Es gibt nun einmal diesen permanenten, kontinuierlichen Schrei nach einem Abschluß, einer Abrechnung.
Was aber meine ich mit "Abschluß": "Die Konten müssen einmal abgeschlossen werden". Und das Abgleichen der Konten bedeutet, daß Schulden gegen Guthaben abgewogen werden müssen.
Versöhnung und Wiedergutmachung (auch wenn sie Entschädigung einschließt), lehnt Soyinka ab, sofern sie bloß "kathartische Befriedigungen" und vulgäre materielle Kompensationen sind und dem Wunsch folgen, Geschehenes möglichst schnell vergessen zu machen. Der Dichter verkörpere die Stimme des Volkes und müsse die Bürde des Erinnerns tragen. An dieser Stelle nun bringt Wole Soyinka auch Leopold Sedar Senghor als einen Dichter ins Spiel, der eine Brücke zu schlagen versuchte, zwischen denen, die größten Wert auf das Erinnern legten, und denen, die das Geschehene in der Geste der Versöhnung auf etwas Neues hin transzendieren wollten. Daß Wole Soyinka keineswegs das Versöhnungswerk und die Dichtung des früheren senegalesischen Präsidenten ablehnt - auch wenn er ein ganz anderer Typus eines "writers" Und fighters" ist -, konnte ich vor einigen Jahren selbst erleben, als er in der Rolle eines Ehrengastes zum Internationalen Festakt zu Senghors 90. Geburtstag im großen Saal der UNESCO in Paris auftrat. Seine frühe aggressive Haltung gegen Senghors Negritude, die einer Tigritude, gleich der Haltung eines Tigers, zu weichen habe, tat er mit einem Lächeln ab, darum wissend, daß die Strategien des politischen Kampfes heute andere sein müssen.
Seine Fragen lauten jetzt: Wo haben die Wahrheitsfindung, die Wiedergutmachung und Versöhnung anzusetzen? Wie viele geistige Reserven gibt es eigentlich noch in Afrika für Vergebung und Transzendierung der Geschichte? Vermag die Sühnung begangenen Unrechts den Sieg des Rechts sicherzustellen? Wie läßt sich dauerhaft die privilegierte Stellung derer aufbrechen, die an Greueltaten beteiligt waren und sind?
Lassen wir doch einmal unsere Phantasie ein wenig schweifen was wäre denn daran vermessen oder ethisch unzulässig, wenn der, weißen Bevölkerung Südafrikas eine allgemeine Steuer (als Buße und Wiedergutmachung für die Jahre der Apartheid) auferlegt würde?
Dies sei weniger als konkreter Vorschlag zu verstehen, vielmehr als eine Übung in Spekulation, ein Ausprobieren möglicher Wege zur sozialen Aussöhnung:
Ich habe einmal vorgeschlagen, die versklavenden Nationen sollten einfach die Schulden Afrikas erlassen, und wir würden im Gegenzug die nicht in Zahlen zu bemessende Ungerechtigkeit erlassen, die dieser Welt durch die heutigen Nutznießer des Sklavenhandels angetan wurde.
-Freilich auch dies ein Vorschlag, der nicht direkt umsetzbar ist und auch insofern etwas schief ist, da ja nicht die Regierungen, sondern die Völker versklavt wurden. Dennoch würde der Erlass nationaler Schulden die Chance eines Neubeginns beinhalten, um das "Jahrhundert der Globalen Annullierung " einzuleiten. Und:
Wiedergutmachung dient . . . als eine überzeugende Kritik der Geschichte und somit als ein starkes Hemmnis gegen Wiederholung.
Wole Soyinka orientiert sich bei seinen Forderungen und Vorschlägen vor allem an der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung der Holocaust-Opfer, ein Projekt, das auch deswegen in bezug auf Afrika von größter Bedeutung wäre, um das begangene Unrecht vor der ganzen Welt zu dokumentieren. Die globale Lösung also, die Soyinka anstrebt, beinhaltet neben all den vielen einzelnen Schritten - wie die Rückführung der ins Ausland geschafften Reichtümer der afrikanischen Gewaltherrscher und der Kunstschätze, also: der postkolonialen Beute, und des finanziellen Ausgleichs für die Ausbeutung Afrikas durch die Industrienationen - eine ganzheitliche Neuorientierung in unserem Blick auf die sogenannte Dritte Welt, die wir fortan mit mehr Achtung und Respekt, statt mit Mitleid, wahrnehmen sollten. Einen solchen Blick wird aber nicht nur die Berichterstattung, sofern sie sich der Wahrheitsfindung verpflichtet fühlt, schärfen, sondern vor allem auch die afrikanische Kunst und Literatur. Wole Soyinka - als Botschafter einer reichen und von unglaublicher Vielfalt geprägten Kunst und Mythologie, zum Beispiel seines Volkes, der Yoruba - kommt in diesem Band leider zu kurz. Aber gerade an solchen Stellen - wenn er etwa den "Prozeß der `Wahrheit und der Versöhnung" als einen "symbolischen Bogen" bezeichnet, unter dem sowohl Opfer als auch Täter hindurchschreiten müssen, "um geistig geheilt" zu werden - gewinnt sein Anliegen an Durchsetzungskraft. So spielt denn neben dem zu Anfang erwähnten Gott Ogun auch Obatala, der "Gott der Reinheit", der, gemäß der Kosmologie, jedes künftige Wesen formt, eine große Rolle:
Meine Gemeinde, mein direkter Stamm ist der Stamm der kreativen Menschen, das sind die traditionellen und die heutigen GRIOTS, Bildhauer usw., und es sind ihre Gestaltungen aus den Phänomenen der Welt und der Gesellschaft, die ich als meine Leitlinie bevorzuge. Ich könnte auch sagen: als das mir am meisten genehme Territorium für Entdeckungen, wenn ich mich mit den Problemen der Gesellschaft auseinander setzen muss.
Insgesamt wird man in diesem Buch den Literaturnobelpreisträger und Autor des Romans AU nur schwer wiedererkennen. Dazu sind die Texte inhaltlich zu stark an einer Programmatik orientiert und formal zu eng noch an die Anlässe von Vorträgen und Interventionen gebunden. So ist denn Die Last des Erinnerns weniger ein komponiertes Buch als vielmehr ein bedeutender politik- und gesellschaftskritischer Kommentar, der nur phasenweise die der Dichtung eigenen Möglichkeiten, mit Sprache zu überzeugen, einsetzt. Gerade die literarisch verdichteten Schlusspassagen des Buches offenbaren, daß diese Chance hier zu wenig von Wole Soyinka genutzt wurde:
Die Narben der Erinnerung wiegen schwer in den Waagschalen und sie verstopfen die Wege zur Heilung. Bei dem Versuch, dem Torbogen der Heilung, unter dem die gemeinschaftliche Prozession hindurchschreiten muß, eine moralische Symmetrie zu verleihen, bildet die Wiedergutmachung den tragenden Stein.
Wole Soyinkas erklärtes Ziel in diesem Buch ist es, das Erinnern zu stärken, aber statt zur Rache aufzurufen, Wiedergutmachung zu fordern, um so das erlittene kollektive Trauma zu heilen und ein lebenswertes, zukunftsfähiges soziales Gefüge wiederherzustellen. Nur so kann deutlich werden, daß Afrika im Herzen dessen beheimatet ist, was wir den geistigen, kulturellen und zivilisatorischen Prozeß nennen. Es ist zu hoffen, daß eines Tages auch wieder Afrikaner ohne schlechtes Gewissen die Schönheit Afrikas preisen können, so wie es europäische Schriftsteller tun, etwa Ryszard Kapuscinski bei seinem Aufenthalt in Ghana:
Vor allem anderen fällt das Licht auf. Überall Licht. Überall Helligkeit. Überall Sonne.
Es gibt Momente, in denen es fast so scheinen will, als ob es eine teuflische Kontinuität ( und Unvermeidlichkeit?) in all dem gäbe - man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, als stelle das Verhalten der heutigen (internen) Sklavenhändler lediglich das hartnäckige Herniederstürzen einer noch ungesühnten Vergangenheit dar.
Gegen die vorschnelle, an die Europäer gerichtete Versöhnungsgeste der Afrikaner und gegen ein Kleinreden oder gar Verschweigen des massiven staatlichen Terrorismus in den eigenen afrikanischen Staaten beharrt Wole Soyinka auf einem kontinuierlichen Durcharbeiten der Geschichte und des gegenwärtigen Geschehens. Damit meint er die Greueltaten im Namen von Rassismus und Kolonialismus und die terroristische Willkür afrikanischer Herrscher (bis zu den Morden Bokassas und Idi Amin Dadas). Wole Soyinka nennt sie "imperiale Kindermörder" und "praktizierende Kannibalen" in der "Machtlandschaft eines Kontinents" und berichtet von der Schwierigkeit, sich Gehör zu verschaffen, wenn man die tatsächlichen Taten und das ganze Ausmaß der Perversion darlegt. Hier ist er denn auch bereit, die Rolle des~ich e~ gunsten von Gerichtsverfahren hintan zu stellen.
Es gibt ganz offensichtlich eine Grenze für die Möglichkeiten selbst des besessensten Dramatikers, öffentliche Empfindungen über die Anerkennung der Wahrheit zu verändern. Gerichtsverfahren hingegen haben, selbst als gedruckte Dokumente, den Vorteil einer direkten Realität, und so ist dies ein dringender Appell an afrikanische Regierungen, diese Dokumente nicht in den muffigen Archiven rassischer Feinfühligkeiten zu begraben.
Wahrheitsfindung, die Verbreitung der Wahrheit, Wiedergutmachung der begangenen Verbrechen - und dann erst die Geste der Versöhnung: das ist die Reihenfolge, für die Wole Soyinka in diesem Buch kämpft. In einem Gespräch, das der mit Wole Soyinkas Werk vertraute Übersetzer und Interpret Gerd Meuer in diesen Tagen mit dem Autor führte, äußerte dieser:
Die Wiedergutmachung ist eine berechtigte Forderung, gleichgültig, ob wir sie nun theologisch, philosophisch oder als ein Problem menschlicher, sozialer oder internationaler Beziehungen betrachten. Es gibt nun einmal diesen permanenten, kontinuierlichen Schrei nach einem Abschluß, einer Abrechnung.
Was aber meine ich mit "Abschluß": "Die Konten müssen einmal abgeschlossen werden". Und das Abgleichen der Konten bedeutet, daß Schulden gegen Guthaben abgewogen werden müssen.
Versöhnung und Wiedergutmachung (auch wenn sie Entschädigung einschließt), lehnt Soyinka ab, sofern sie bloß "kathartische Befriedigungen" und vulgäre materielle Kompensationen sind und dem Wunsch folgen, Geschehenes möglichst schnell vergessen zu machen. Der Dichter verkörpere die Stimme des Volkes und müsse die Bürde des Erinnerns tragen. An dieser Stelle nun bringt Wole Soyinka auch Leopold Sedar Senghor als einen Dichter ins Spiel, der eine Brücke zu schlagen versuchte, zwischen denen, die größten Wert auf das Erinnern legten, und denen, die das Geschehene in der Geste der Versöhnung auf etwas Neues hin transzendieren wollten. Daß Wole Soyinka keineswegs das Versöhnungswerk und die Dichtung des früheren senegalesischen Präsidenten ablehnt - auch wenn er ein ganz anderer Typus eines "writers" Und fighters" ist -, konnte ich vor einigen Jahren selbst erleben, als er in der Rolle eines Ehrengastes zum Internationalen Festakt zu Senghors 90. Geburtstag im großen Saal der UNESCO in Paris auftrat. Seine frühe aggressive Haltung gegen Senghors Negritude, die einer Tigritude, gleich der Haltung eines Tigers, zu weichen habe, tat er mit einem Lächeln ab, darum wissend, daß die Strategien des politischen Kampfes heute andere sein müssen.
Seine Fragen lauten jetzt: Wo haben die Wahrheitsfindung, die Wiedergutmachung und Versöhnung anzusetzen? Wie viele geistige Reserven gibt es eigentlich noch in Afrika für Vergebung und Transzendierung der Geschichte? Vermag die Sühnung begangenen Unrechts den Sieg des Rechts sicherzustellen? Wie läßt sich dauerhaft die privilegierte Stellung derer aufbrechen, die an Greueltaten beteiligt waren und sind?
Lassen wir doch einmal unsere Phantasie ein wenig schweifen was wäre denn daran vermessen oder ethisch unzulässig, wenn der, weißen Bevölkerung Südafrikas eine allgemeine Steuer (als Buße und Wiedergutmachung für die Jahre der Apartheid) auferlegt würde?
Dies sei weniger als konkreter Vorschlag zu verstehen, vielmehr als eine Übung in Spekulation, ein Ausprobieren möglicher Wege zur sozialen Aussöhnung:
Ich habe einmal vorgeschlagen, die versklavenden Nationen sollten einfach die Schulden Afrikas erlassen, und wir würden im Gegenzug die nicht in Zahlen zu bemessende Ungerechtigkeit erlassen, die dieser Welt durch die heutigen Nutznießer des Sklavenhandels angetan wurde.
-Freilich auch dies ein Vorschlag, der nicht direkt umsetzbar ist und auch insofern etwas schief ist, da ja nicht die Regierungen, sondern die Völker versklavt wurden. Dennoch würde der Erlass nationaler Schulden die Chance eines Neubeginns beinhalten, um das "Jahrhundert der Globalen Annullierung " einzuleiten. Und:
Wiedergutmachung dient . . . als eine überzeugende Kritik der Geschichte und somit als ein starkes Hemmnis gegen Wiederholung.
Wole Soyinka orientiert sich bei seinen Forderungen und Vorschlägen vor allem an der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung der Holocaust-Opfer, ein Projekt, das auch deswegen in bezug auf Afrika von größter Bedeutung wäre, um das begangene Unrecht vor der ganzen Welt zu dokumentieren. Die globale Lösung also, die Soyinka anstrebt, beinhaltet neben all den vielen einzelnen Schritten - wie die Rückführung der ins Ausland geschafften Reichtümer der afrikanischen Gewaltherrscher und der Kunstschätze, also: der postkolonialen Beute, und des finanziellen Ausgleichs für die Ausbeutung Afrikas durch die Industrienationen - eine ganzheitliche Neuorientierung in unserem Blick auf die sogenannte Dritte Welt, die wir fortan mit mehr Achtung und Respekt, statt mit Mitleid, wahrnehmen sollten. Einen solchen Blick wird aber nicht nur die Berichterstattung, sofern sie sich der Wahrheitsfindung verpflichtet fühlt, schärfen, sondern vor allem auch die afrikanische Kunst und Literatur. Wole Soyinka - als Botschafter einer reichen und von unglaublicher Vielfalt geprägten Kunst und Mythologie, zum Beispiel seines Volkes, der Yoruba - kommt in diesem Band leider zu kurz. Aber gerade an solchen Stellen - wenn er etwa den "Prozeß der `Wahrheit und der Versöhnung" als einen "symbolischen Bogen" bezeichnet, unter dem sowohl Opfer als auch Täter hindurchschreiten müssen, "um geistig geheilt" zu werden - gewinnt sein Anliegen an Durchsetzungskraft. So spielt denn neben dem zu Anfang erwähnten Gott Ogun auch Obatala, der "Gott der Reinheit", der, gemäß der Kosmologie, jedes künftige Wesen formt, eine große Rolle:
Meine Gemeinde, mein direkter Stamm ist der Stamm der kreativen Menschen, das sind die traditionellen und die heutigen GRIOTS, Bildhauer usw., und es sind ihre Gestaltungen aus den Phänomenen der Welt und der Gesellschaft, die ich als meine Leitlinie bevorzuge. Ich könnte auch sagen: als das mir am meisten genehme Territorium für Entdeckungen, wenn ich mich mit den Problemen der Gesellschaft auseinander setzen muss.
Insgesamt wird man in diesem Buch den Literaturnobelpreisträger und Autor des Romans AU nur schwer wiedererkennen. Dazu sind die Texte inhaltlich zu stark an einer Programmatik orientiert und formal zu eng noch an die Anlässe von Vorträgen und Interventionen gebunden. So ist denn Die Last des Erinnerns weniger ein komponiertes Buch als vielmehr ein bedeutender politik- und gesellschaftskritischer Kommentar, der nur phasenweise die der Dichtung eigenen Möglichkeiten, mit Sprache zu überzeugen, einsetzt. Gerade die literarisch verdichteten Schlusspassagen des Buches offenbaren, daß diese Chance hier zu wenig von Wole Soyinka genutzt wurde:
Die Narben der Erinnerung wiegen schwer in den Waagschalen und sie verstopfen die Wege zur Heilung. Bei dem Versuch, dem Torbogen der Heilung, unter dem die gemeinschaftliche Prozession hindurchschreiten muß, eine moralische Symmetrie zu verleihen, bildet die Wiedergutmachung den tragenden Stein.
Wole Soyinkas erklärtes Ziel in diesem Buch ist es, das Erinnern zu stärken, aber statt zur Rache aufzurufen, Wiedergutmachung zu fordern, um so das erlittene kollektive Trauma zu heilen und ein lebenswertes, zukunftsfähiges soziales Gefüge wiederherzustellen. Nur so kann deutlich werden, daß Afrika im Herzen dessen beheimatet ist, was wir den geistigen, kulturellen und zivilisatorischen Prozeß nennen. Es ist zu hoffen, daß eines Tages auch wieder Afrikaner ohne schlechtes Gewissen die Schönheit Afrikas preisen können, so wie es europäische Schriftsteller tun, etwa Ryszard Kapuscinski bei seinem Aufenthalt in Ghana:
Vor allem anderen fällt das Licht auf. Überall Licht. Überall Helligkeit. Überall Sonne.