"In diesem Schrein feiern wir nicht nur Buddhas Geburtstag, sondern auch Christi Geburt und die Gedenktage der Propheten. Hier begehen wir das Weihnachtsfest und wir huldigen Propheten und bedeutenden Inkarnationen, indem wir ihnen Ehre bezeugen und Blumen darbringen."
Erklärt der Mönch Swami Baneshananda während des Rundgangs durch die weitläufige Tempelanlage von Belur Math in der Nähe von Kolkata.
"Der Lehre Ramakrishnas gemäß schließen wir alle bedeutenden Religionsstifter und Heiligen in unsere täglichen Gebete und spirituellen Handlungen ein. Das ist ein ganz besonderes Verdienst Sri Ramakrishnas, das man in anderen Religionsgemeinschaften vergeblich sucht."
Die Tempelanlage Belur Math ist der Hauptsitz der Ramakrishna-Bewegung. Auf dem Gelände ist auch ihr Begründer Sri Ramakrishna begraben. Ebenso wie sein Lieblingsschüler Swami Vivekananda und Ramakrishnas Ehefrau, die 1920 verstorbene Sarada Devi.
"Dies ist der meistbesuchte Tempel auf dem Gelände. Nach einem reinigenden Bad im Ganges kommen die Besucher fast stets zunächst hierher, an eben diesen Ort, weil hier Sarada Devi, Ramakrishnas Frau, ihr Grab gefunden hat. Der Ramakrishna-Orden wurde von ihr gegründet und geleitet. Dass eine Frau einen Mönchsorden führt, ist in Indien eigentlich unvorstellbar. Aber genau das war hier der Fall."
Neben dem Ramakrishna Math, dem größten Mönchsorden Indiens, ist auf dem Gelände auch die Ramakrishna-Mission, die Wohltätigkeitsorganisation der Bewegung, untergebracht.
Sri Ramakrishna gründete das sogenannte "Ramakrishna Movement" gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Grundlage seiner Lehre ist eine Sammlung alter religiöser Schriften, die als Veden bekannt sind. Deshalb wird die Ramakrishna-Bewegung auch als Vedanta Movement bezeichnet.
"In den Veden steht geschrieben: 'Es gibt nur eine göttliche Wahrheit, die jedoch verschiedene Namen hat.' Eine Erkenntnis, der die meisten Gläubigen lange Zeit nichts abgewinnen konnten. Bis Ramakrishna diese Einsicht schließlich neu belebt hat."
Der spirituelle Führer Ramakrishna verinnerlichte die in den Veden ausgedrückte göttliche Wahrheit, nachdem er eine Vielzahl religiöser Erfahrungen durchlebt hatte.
Mithilfe eines hinduistischen Wandermönches erreichte er die Vereinigung des geistigen Bewusstseins mit dem höchsten Selbst, einen Zustand, in dem er etwa ein halbes Jahr lang verharrte, ohne seinen Körper noch zu spüren.
Später versenkte er sich in den Islam, dann ins Christentum, um schließlich Buddha und Jesus als Inkarnationen Gottes zu erkennen und darüber hinaus die von den Sikhs verehrten Gurus als erleuchtete Wesen zu verehren.
"Er praktizierte all diese Religionen und stellte fest, dass sie zum selben Ziel führten. Daraufhin erklärte er alle Religionen für richtig und wahr. Diese Äußerung trug damals erheblich zur Harmonie unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften bei."
Dies bezog sich auch auf die gegenseitige Akzeptanz der diversen Hindu-Gruppierungen. Ramakrishna zeigte Gemeinsamkeiten der einzelnen Hindu-Vereinigungen auf und schuf so ein kollektives Bewusstsein.
Doch davon abgesehen, betont Swami Baneshananda, könnten nicht nur Hindus, sondern auch Angehörige anderer Religionen in den Ramakrishna Math eintreten.
"Jeder kann dem Ramakrishna-Orden beitreten. Es gibt keinerlei Einschränkungen – Kastenzugehörigkeit und Religion spielen keine Rolle. Wir haben Mönche mit christlichem Hintergrund, Buddhisten und auch Muslime in unseren Reihen. Sie alle können weiterhin ihren Glauben praktizieren und als Ramakrishna-Mönche hier im Kloster leben."
Zu dieser heute in Belur Math gelebten Harmonie der Religionen trug bereits vor beinahe 120 Jahren die Weltkirchenkonferenz in Chicago bei. 1893 nahm zum ersten Mal ein Vertreter des Hinduismus daran teil. Es war Swami Vivekananda, der Lieblingsschüler Ramakrishnas.
Die Ethnologin und Indologin Lydia Icke-Schwalbe aus Dresden:
"Er hat dort angeregt, durch den bereits in Indien begonnenen Dialog mit Vertretern der verschiedenen christlichen Kirchen, die Omnipotenz und die Universalität des Hinduismus dem christlichen Anspruch gegenüber zu stellen und gleich zu stellen. Seit Vivekananda gilt als universeller Anspruch der Hinduismus genauso wie das Christentum. Und zwar dass er sagt: 'Hindu bedeutet grundsätzlich Menschsein.' Und nicht, wie in der traditionellen Übersetzung: Hindu, ein Mensch oder ein Wesen, das von einem Hindu geboren worden ist, sagt er: Alle werden als Hindu geboren. Das heißt grundsätzlich: Menschen in der Welt. Und als Kinder einer Omnipotenz, einer Urkraft, die im Hinduismus Dharma heißt. Daher sind alle grundsätzlich Hindu."
Swami Vivekananda erhielt auf der Weltkirchenkonferenz großen Zuspruch. In den Jahren danach war er vor allem in den USA unterwegs, um die Lehre Ramakrishnas zu verbreiten.
Nach dreieinhalb Jahren kam er nach Indien zurück und gründete dort die Hilfsorganisation der Bewegung, die Ramakrishna-Mission. Die Ramakrishna-Mission ist in erster Linie im sozialen Bereich tätig. Mönche und Laien arbeiten hier Hand in Hand, um der armen Bevölkerung zur Seite zu stehen. Die Hilfeleistungen werden als Gottesdienst verstanden, da jeder Mitmensch als Manifestation Gottes angesehen wird.
Die Ramakrishna-Mission ist vorwiegend in Indien aktiv. Sie unterhält eigene Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken und leistet bei Naturkatastrophen, etwa bei Erdbeben und Überschwemmungen, Hilfe.
"Bei Naturkatastrophen sind wir vor Ort und helfen natürlich unterschiedslos allen Betroffenen. Dennoch werden wir bei diesen Einsätzen oft von Leuten darum gebeten, uns zuerst um Verletzte ihrer Religionsgemeinschaft zu kümmern. Dies macht uns sehr nachdenklich. Aber leider passiert das immer wieder. Ein weiterer Teil der Realität ist, dass viele Menschen ohne unsere Hilfe völlig auf sich allein gestellt wären. In ganz Indien ist es das Gleiche. Die hiesigen Politiker sind bestechlich und unternehmen nichts. Also müssen wir stattdessen ihre Arbeit machen."
Erklärt der Mönch Swami Baneshananda während des Rundgangs durch die weitläufige Tempelanlage von Belur Math in der Nähe von Kolkata.
"Der Lehre Ramakrishnas gemäß schließen wir alle bedeutenden Religionsstifter und Heiligen in unsere täglichen Gebete und spirituellen Handlungen ein. Das ist ein ganz besonderes Verdienst Sri Ramakrishnas, das man in anderen Religionsgemeinschaften vergeblich sucht."
Die Tempelanlage Belur Math ist der Hauptsitz der Ramakrishna-Bewegung. Auf dem Gelände ist auch ihr Begründer Sri Ramakrishna begraben. Ebenso wie sein Lieblingsschüler Swami Vivekananda und Ramakrishnas Ehefrau, die 1920 verstorbene Sarada Devi.
"Dies ist der meistbesuchte Tempel auf dem Gelände. Nach einem reinigenden Bad im Ganges kommen die Besucher fast stets zunächst hierher, an eben diesen Ort, weil hier Sarada Devi, Ramakrishnas Frau, ihr Grab gefunden hat. Der Ramakrishna-Orden wurde von ihr gegründet und geleitet. Dass eine Frau einen Mönchsorden führt, ist in Indien eigentlich unvorstellbar. Aber genau das war hier der Fall."
Neben dem Ramakrishna Math, dem größten Mönchsorden Indiens, ist auf dem Gelände auch die Ramakrishna-Mission, die Wohltätigkeitsorganisation der Bewegung, untergebracht.
Sri Ramakrishna gründete das sogenannte "Ramakrishna Movement" gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Grundlage seiner Lehre ist eine Sammlung alter religiöser Schriften, die als Veden bekannt sind. Deshalb wird die Ramakrishna-Bewegung auch als Vedanta Movement bezeichnet.
"In den Veden steht geschrieben: 'Es gibt nur eine göttliche Wahrheit, die jedoch verschiedene Namen hat.' Eine Erkenntnis, der die meisten Gläubigen lange Zeit nichts abgewinnen konnten. Bis Ramakrishna diese Einsicht schließlich neu belebt hat."
Der spirituelle Führer Ramakrishna verinnerlichte die in den Veden ausgedrückte göttliche Wahrheit, nachdem er eine Vielzahl religiöser Erfahrungen durchlebt hatte.
Mithilfe eines hinduistischen Wandermönches erreichte er die Vereinigung des geistigen Bewusstseins mit dem höchsten Selbst, einen Zustand, in dem er etwa ein halbes Jahr lang verharrte, ohne seinen Körper noch zu spüren.
Später versenkte er sich in den Islam, dann ins Christentum, um schließlich Buddha und Jesus als Inkarnationen Gottes zu erkennen und darüber hinaus die von den Sikhs verehrten Gurus als erleuchtete Wesen zu verehren.
"Er praktizierte all diese Religionen und stellte fest, dass sie zum selben Ziel führten. Daraufhin erklärte er alle Religionen für richtig und wahr. Diese Äußerung trug damals erheblich zur Harmonie unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften bei."
Dies bezog sich auch auf die gegenseitige Akzeptanz der diversen Hindu-Gruppierungen. Ramakrishna zeigte Gemeinsamkeiten der einzelnen Hindu-Vereinigungen auf und schuf so ein kollektives Bewusstsein.
Doch davon abgesehen, betont Swami Baneshananda, könnten nicht nur Hindus, sondern auch Angehörige anderer Religionen in den Ramakrishna Math eintreten.
"Jeder kann dem Ramakrishna-Orden beitreten. Es gibt keinerlei Einschränkungen – Kastenzugehörigkeit und Religion spielen keine Rolle. Wir haben Mönche mit christlichem Hintergrund, Buddhisten und auch Muslime in unseren Reihen. Sie alle können weiterhin ihren Glauben praktizieren und als Ramakrishna-Mönche hier im Kloster leben."
Zu dieser heute in Belur Math gelebten Harmonie der Religionen trug bereits vor beinahe 120 Jahren die Weltkirchenkonferenz in Chicago bei. 1893 nahm zum ersten Mal ein Vertreter des Hinduismus daran teil. Es war Swami Vivekananda, der Lieblingsschüler Ramakrishnas.
Die Ethnologin und Indologin Lydia Icke-Schwalbe aus Dresden:
"Er hat dort angeregt, durch den bereits in Indien begonnenen Dialog mit Vertretern der verschiedenen christlichen Kirchen, die Omnipotenz und die Universalität des Hinduismus dem christlichen Anspruch gegenüber zu stellen und gleich zu stellen. Seit Vivekananda gilt als universeller Anspruch der Hinduismus genauso wie das Christentum. Und zwar dass er sagt: 'Hindu bedeutet grundsätzlich Menschsein.' Und nicht, wie in der traditionellen Übersetzung: Hindu, ein Mensch oder ein Wesen, das von einem Hindu geboren worden ist, sagt er: Alle werden als Hindu geboren. Das heißt grundsätzlich: Menschen in der Welt. Und als Kinder einer Omnipotenz, einer Urkraft, die im Hinduismus Dharma heißt. Daher sind alle grundsätzlich Hindu."
Swami Vivekananda erhielt auf der Weltkirchenkonferenz großen Zuspruch. In den Jahren danach war er vor allem in den USA unterwegs, um die Lehre Ramakrishnas zu verbreiten.
Nach dreieinhalb Jahren kam er nach Indien zurück und gründete dort die Hilfsorganisation der Bewegung, die Ramakrishna-Mission. Die Ramakrishna-Mission ist in erster Linie im sozialen Bereich tätig. Mönche und Laien arbeiten hier Hand in Hand, um der armen Bevölkerung zur Seite zu stehen. Die Hilfeleistungen werden als Gottesdienst verstanden, da jeder Mitmensch als Manifestation Gottes angesehen wird.
Die Ramakrishna-Mission ist vorwiegend in Indien aktiv. Sie unterhält eigene Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken und leistet bei Naturkatastrophen, etwa bei Erdbeben und Überschwemmungen, Hilfe.
"Bei Naturkatastrophen sind wir vor Ort und helfen natürlich unterschiedslos allen Betroffenen. Dennoch werden wir bei diesen Einsätzen oft von Leuten darum gebeten, uns zuerst um Verletzte ihrer Religionsgemeinschaft zu kümmern. Dies macht uns sehr nachdenklich. Aber leider passiert das immer wieder. Ein weiterer Teil der Realität ist, dass viele Menschen ohne unsere Hilfe völlig auf sich allein gestellt wären. In ganz Indien ist es das Gleiche. Die hiesigen Politiker sind bestechlich und unternehmen nichts. Also müssen wir stattdessen ihre Arbeit machen."