Archiv


Die Leistung der Schiedsrichter bei der Fussball-WM

    Remme: Nun zum Fußball. In wenigen Minuten geht es los in Südkorea, Deutschland gegen den Gastgeber. Ein Halbfinale, das als Tipp vor vier Wochen Traumquoten gebracht hätte. Die Mannschaften sind auf dem Platz, gerade singen unsere Kicker unsere Hymne. Der Schiedsrichter ist auch da. Er heißt Urs Meyer, kommt aus der Schweiz und was vielen noch wichtiger ist: er bürgt für Qualität. Eugen Striegel ist Schiedsrichterchefausbilder der Bundesligaschiedsrichter, vielen Fußballfans bekannt durch seine Analysen im Sportstudio. Vor ein paar Minuten habe ich mit ihm über die Leistung der Schiedsrichter bei dieser WM insbesondere der Südkoreaner gegen Italien und Spanien gesprochen und ihn gefragt, ob der Gastgeber verdient im Halbfinale steht.

    Striegel: Ja, ich denke schon. Beim Fußball gehört auch ein ganz kleines bisschen Glück dazu, das hatten die Südkoreaner. Aber es ist richtig, das diese Siege durch Einzelfehler begünstigt wurden.

    Remme: Aber sind diese Fehlentscheidungen zugunsten des Gastgebers nicht auch auffällig?

    Striegel: Nein, das denke ich also wirklich nicht. Einmal war es der Fehler eines Assistenten und beim zweiten Fall vom Schiedsrichter, da kann man wirklich darüber streiten, ob es ein Stoßen war oder nicht. Aber selbst nach zehn Fernsehzeitlupen ist das nicht klar beweisbar und deswegen denke ich, muss man diese Entscheidung akzeptieren. Die einzige Mannschaft, die bei der WM mit den Schiedsrichterleistungen wirklich Pech hatte, waren in meinen Augen die Italiener.

    Remme: Nun ist die WM fast zu Ende. Wenn Sie es über das ganze Turnier verfolgen, nicht nur mit Blick auf die Südkoreaner - ist die Leistung der Schieds- und Linienrichter bei dieser WM schwächer als bei anderen Turnieren?

    Striegel: Nein, ich glaube nicht. In meinen Augen war die Schiedsrichterleistung insgesamt sogar sehr gut. Aber man muss natürlich auch wirklich sagen, dass es einzelne Fehler gab, die für eine Mannschaft wirklich gravierend sein können. So gab es falsche Elfmeter, falsche Abseitsentscheidungen, auch überzogene oder sehr harte Feldverweise und natürlich vor allem im Spiel Deutschland gegen Kamerun auch sehr viele gelbe Karten, da hätte man vielleicht auch auf die ein oder andere verzichten können.

    Remme: Ist es dann also überzogen, wenn der Chef des spanischen Fußballverbandes aus Protest aus dem Schiedsrichterkomitee der Fifa austritt?

    Striegel: Ich halte es für maßlos überzogen. Ich vergleiche einfach einen Spielerfehler und einen Schiedsrichterfehler miteinander und wenn man sieht, dass Seaman von England von einem ganzen Land getröstet wird, weil er hier einmal einen Fehlgriff getätigt hat und ein Tor auf seine Kappe ging - das wollte ich auch mal bei einmal Schiedsrichter erleben, dass wenn er in 120 Minuten einen Fehler macht, vielleicht einen falschen Strafstoß oder Freistoß pfeift, der dann vielleicht zu einem Tor führt und das wird dann eben ganz unterschiedlich gesehen und gewertet.

    Remme: Nun ist es kein Wunder, Herr Striegel, dass vor diesem Hintergrund erneut über elektronische Hilfsmittel diskutiert wird. Gehören Sie zu denjenigen, die dafür ein offenes Ohr haben?

    Striegel: Zunächst einmal denke ich schon, dass es bei der nächsten WM die ein oder andere Änderung geben wird. Zum Beispiel gehe ich davon aus, dass Teams eingesetzt werden, vielleicht auch mehr Schiedsrichter aus Europa und die Schiedsrichter, die sogenannten Exoten, sich vielleicht auch vorher in solchen Spielen bewähren müssen und natürlich wird auch die Diskussion, wie Sie richtig ansprechen, auf diese technischen Dinge wieder zugehen. Die Fifa ist ja hier offen in Bezug auf Torerkennung; ob der Ball im Tor ist oder nicht. Bei allen anderen Punkten wollen wir mal sehen, was die Zukunft bringt, ich halte einen Oberschiedsrichter im Fernsehen für überzogen weil die meisten Entscheidungen auch nach x Zeitlupenbetrechtungen immer noch zu Streitfällen führen und oft nicht so klar sind. Denken Sie nur an das Tor im letzten Spiel oder diese Hand von Frings auf der Linie, es wurde gesagt, dass es keine Absicht war, also korrekt, aber in Amerika wurden Stimmen laut, die sagen, man hätte auch Elfmeter pfeifen und eine rote Karte geben können.

    Remme: Vielleicht ein Torrichter als vierter Mann?

    Striegel: Ich denke nicht, dass es viel bringt. Das sind solche Millimeterentscheidungen, das geht so schnell auch da denke ich, dass es Probleme gibt. Ich denke, wenn im Tor ein technisches Hilfsmittel, dann im Ball einen Sensor und durch technische Hilfsmittel soll dann festgestellt werden, ob ein Ball die Linie wirklich überschritten hat.

    Remme: Herr Striegel, wo sehen Sie sich gleich das Spiel an?

    Striegel: Ich sehe mir mit Berufskollegen zusammen das Spiel an und bin gespannt, wie es ausgeht.

    Remme: Können Sie das als normaler Fan sehen oder haben Sie da die Karten in der Brusttasche?

    Striegel: Das sehe ich schon zum Teil auch als normaler Fan aber natürlich immer mit den Augen eines Schiedsrichters und ich kenne Urs Meyer ja sehr gut, ich habe ihn im vergangenen Jahr beim AC Mailand beobachtet und deswegen sieht man solchen ein Spiel dann auch immer mit anderen Augen.

    Remme: Ihr Tipp?

    Striegel: Knapper Sieg für Deutschland.

    Remme: Der Schiedsrichter Eugen Striegel.

    Link: Interview als RealAudio