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Die Letten sehen die USA an ihrer Seite

Lettland gehört zum Kreis der engen Amerika-Freunde, doch ähnlich wie Polen oder Tschechen zeigen auch die Letten Selbstbewusstsein, wenn es sein muss. Bei der Frage der NATO-Erweiterung und einer Beitrittsperspektive für Georgien und die Ukraine stehen die Letten allerdings eindeutig auf der Seite der USA. Ein Beitrag von Marc-Christoph Wagner.

    Für EU-Justizkommissar Franco Frattini war der 12. März alles andere als ein guter Tag. Intensiv hatte er sich darum bemüht, für alle EU-Mitgliedstaaten ein einheitliches Visa-Abkommen mit den USA zu verhandeln. Die beiden baltischen Staaten Estland und Lettland aber sind zwischenzeitlich ungeduldig geworden. Am 12. März verließen sie die gemeinsame europäische Position und unterzeichneten individuelle Übereinkünfte mit US-Heimatschutzminister Michael Chertoff, der eigens deshalb zunächst nach Tallinn und dann nach Riga gekommen war.

    "Diese Einladung an Lettland, am sogenannten Visa-Verzichtsprogramm teilzunehmen, ist ein weiterer Schritt, die Vergangenheit zu überwinden und die Freiheiten des Westens vollständig zu erlangen. Letten und Amerikaner stehen auch in dieser Frage Seite an Seite."

    Dabei haben die Letten derzeit ganz andere Sorgen als die Visa-Politik oder das Lavieren ihres Landes zwischen Washington und Brüssel. Die Inflation liegt bei knapp 17 Prozent, das Wirtschaftswachstum droht zu kippen, und immer wieder werden lettische Regierungen, auch die amtierende, von Korruptionsskandalen erschüttert. Dennoch: Wer sich in den Gassen Rigas umhört, spürt schnell, dass sich die Verbundenheit des Landes mit den USA nicht alleine auf seine Regierungsvertreter beschränkt:

    "Brüssel oder Washington? Ich sage eindeutig: Washington. An Brüssel haben wir uns gewöhnt. Das ist so, als wenn man jeden Tag zur Arbeit geht. Die Europäische Union ist Teil unseres Alltags, es mag das eine oder andere Problem mit ihr geben, aber es droht keine grundsätzliche Gefahr. Wirklich Macht haben nur die USA. Wenn es mit Russland zum Streit kommt, können wir uns nur auf Washington verlassen."

    Die lettisch-amerikanischen Beziehungen - sie haben gerade in den vergangenen Jahren Höhen und Tiefen erlebt. Zwei Mal hat US-Präsident Bush das Land besucht - 2005 und anlässlich des NATO-Gipfels im November 2006. Beide Besuche aber wurden nicht nur von frenetischem Jubel, sondern auch von heftigen Protesten gegen den Irak-Krieg begleitet - Proteste, an denen nicht nur die russisch-sprachigen Letten teilnahmen. Noch immer stellen sie mehr als ein Drittel der Bevölkerung.

    Für Ojārs Kalniņš, Leiter des Lettischen Instituts in Riga, dem Pendant zum Goethe-Institut, haben die zurückliegenden Irak-Proteste jedoch nichts an der positiven Grundhaltung der Letten zu den USA geändert, denn die ist durch die Geschichte des Landes geprägt. Die sowjetische Besatzung ist 17 Jahre nach der Unabhängigkeit zwar kein Thema mehr für die Schlagzeilen, aber sie prägt bis heute die Prioritäten der lettischen Außenpolitik, sagt Kalniņš:

    "Das Vorgehen in der Visa-Politik ist in vielerlei Hinsicht symbolisch. Die USA sind die einzige verbliebene Weltmacht, und jedes Land der Welt würde sich glücklich schätzen, eine solche Supermacht als Freund an seiner Seite zu wissen. Die USA haben Lettland auch während der sowjetischen Besatzung unterstützt. Präsident Clinton spielte seinerzeit eine wichtige Rolle, als es darum ging, die russischen Truppen gleich nach unserer Unabhängigkeit 1991 aus dem Land zu werfen. Er war es, der uns die Aussicht auf eine NATO-Mitgliedschaft eröffnete. Und Präsident Bush hat diese Perspektive 2004 mit verwirklicht."

    Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass Lettland in der Frage der NATO-Erweiterung und einer Beitritts-Perspektive für Georgien und die Ukraine ebenfalls auf der Seite der USA steht. Eine Aufschiebung, so heißt es in Riga, würde Russland eine Art Vetorecht über die Politik des Bündnisses verleihen. Und genau das, so Ojārs Kalniņš, will man in Riga nie mehr erleben:

    "Wir werden die transatlantischen Beziehungen stets unterstützen. Wir wollen keine Gegensätze zwischen Europa und den USA, im Gegenteil, wir schlichten, wo immer wir das können. Wir betrachten beide als Freunde - Freunde, die sich manchmal streiten. Diese Streitigkeiten aber müssen überwunden werden, denn am Ende haben wir alle - Europäer und Amerikaner - die gleichen Interessen."