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Die letzte Diva Hollywoods

Liz Taylor konnte auf eine über 50-jährige Karriere zurückblicken. Berühmt wurde die Oscar-Preisträgerin mit Filmklassikern wie "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" oder "Cleopatra". Jetzt starb sie in Los Angeles.

Von Josef Schnelle | 23.03.2011
    Sie war die größte Ikone des klassischen Hollywoodkinos bis in die 60er-Jahre hinein, als New Hollywood die Bühne betrat. Sie war der Inbegriff der weiblichen Erotik, wie sie nur das Kino ausstrahlen kann. Sie war die Frau, die als Cleopatra Gaius Julius Cäsar den Kopf verdrehte und dann auch Mark Anton und dessen Darsteller Richard Burton gleich mit.

    Sie war die leidenschaftliche Amazone der modernen Beziehungskriege auf der Leinwand und auf der Bühne des Lebens der Hollywoodstars umlagert von Paparazzi und PR-Abteilung. Und sie war die letzte Muse, die zu Michael Jackson hielt, als der sich schon längst zum missverstandenen Schmerzensmann der Medienwelt stilisiert hatte.

    Liz Taylor verkörperte eine ganze Epoche des Kinos. Ab 1942 mit zehn Jahren war sie umworbener Kinderstar in Lassie-Serienfilmen. Ihre Karriere und Ausbildung begann sie ganz anders als ihre Zeitgenossen Marlon Brando und James Dean jedoch nicht auf der Schauspielschule, sondern gleich in den MGM-Studios, in denen eiserne Disziplin mehr galt als künstlerische Selbstverwirklichung. Meist konnte schon die erste Filmaufnahme eines Drehtages verwertet werden. Weswegen sie den Spitznamen "One-Shot-Liz" bekam. Eine fleißige Arbeitsbiene am Studiofließband. 50 Filme hat sie so in ihrer 50-jährigen Karriere gemacht. Am besten sind die Filme geworden, bei denen sich die Regisseure ganz auf ihre Persönlichkeit und Leinwandpräsenz verlassen haben. "Ein Platz an der Sonne" zum Beispiel, der 1951 so etwas wie ihr künstlerischer Durchbruch war. Regisseur George Stevens drehte ihn nach Theodore Dreisers Gesellschaftsroman. Liz Taylor spielt eine Gesellschaftsdame, die den sensiblen tragischen Helden, gespielt von Montgomery Clift in die auswegslose Falle der unerfüllbaren Träume lockt und unwissentlich zu einem Mord verführt. Die letzte Szene der beiden in der Todeszelle gilt als eine der ganz großen Szenen Hollywoods, und Elizabeth Taylor wechselte nach vielen Teenagerrollen endlich ins Fach der "Leading Lady". Ebenfalls George Stevens führte sie 1956 an die Seite von James Dean im Ölbaron-Melodrama "Giganten". Es gibt ein Bild aus diesem Film, in dem Taylor die besorgte Hausmutter eine Siedlerfamilie spielt, das in den Kanon der großen ikonografischen Bilder aufgenommen werden sollte. James Dean, der glücklose Superstar dieser Zeit, der sich als Einzelgänger gegen die Gesellschaft stemmt, steht da und hat ein Gewehr so geschultert, dass er wie ein Gekreuzigter wirkt, was er in seinem tiefsten Inneren auch ist. Vor ihm kniet Liz Taylor, die alles versteht und die liebessehnsüchtige Filmfigur vielleicht retten könnte.

    Als Mutter aller Mütter triumphierte sie auch in ihrem größten Film gleich über zwei Potentaten der Antike: über Caesar und Mark Anton. Ihre Verführerinnenrede an Cäsar verfehlt auch heute ihre Wirkung nicht.

    "Ich bin die Göttin des Nils. Ich werde viele Söhne gebären. Isis hat es mir verheißen. Meine Brust ist voller Liebe und Leben. Mein Schoß ist voller Sehnsucht und Verlangen. Solche Frauen, sagt man, bekommen Söhne."

    Im zweiten Teil des Monumentalfilms von Joseph L. Mankiewicz bekommt sie es 1963 mit Mark Anton zu tun und mit Richard Burton in dieser Rolle. Die ägyptische Königin Cleopatra will mit Julius Cäsar an die Macht. Legendär ist die Szene ihres Einzuges in Rom an der Spitze einer fahrbaren Rampe. Nie wieder hat Liz Taylor einen derartigen Auftritt gehabt - als lebende Göttin des Kinos. Im zweiten Film - und man muss von zwei Filmen sprechen, weil sie beide eine abendfüllende Länge haben und unterschiedlicher nicht sein können - gerät Cleopatra an Markus Antonius, den großen römischen Feldherren und designierten Nachfolger Cäsars, der aber anstelle von dessen Machtinstinkt nur ein schwärmerischer Liebesdiener ist, der bereit ist, für diese Liebe alles zu opfern. Die Seeschlacht von Aktium verlässt er vorzeitig und gibt sie verloren, weil Kleopatras Schiff das Schlachtfeld verlässt. Nie ist die verrückte Liebe - die Amour fou ohne Kalkül - mit soviel Aufwand beschworen worden.. Von Anfang an ist es ihr Film, der Imagefilm der damals schönsten Schauspielerin der Welt, der Film von Liz Taylor in der Rolle der Cleopatra, der schönsten Frau der Antike.

    "Es war eine sehr große Rolle und Richard war wunderbar. Richard und ich verliebten uns am Set von Cleopatra. Wir haben versucht, es nicht geschehen zu lassen. Meine Ehe zu Eddie Fischer befand sich bereits in den letzten Zügen, aber ich wollte nicht Richards Ehe mit Sybil Williams zerstören."

    Mit Burton war sie zweimal verheiratet. Kurz vor Burtons Tod soll es Pläne für eine dritte Heirat gegeben haben. In "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" von Mike Nichols nach Edward Albee 1966 gedreht, trugen sie ihre Beziehungskriege ihre Hass-Liebe in offener Feldschlacht aus und lieferten dabei ein grandioses Stück Kino ab. Als letzte mütterliche Freundin von Michael Jackson und mit einem britischen Adelstitel ausgezeichnete Charity-Lady wurde es still um sie. Die Größe ihrer Schauspielkunst kann man nur ermessen, wenn man alle in diesem Nachruf genannten Filme in einer einzigen Nacht sehen würde.

    Sicher ist: Nie mehr wird es eine wie Liz Taylor auf der Leinwand geben.