Für Musikfreunde: "Orlando" ist eine der späten Opern Händels, ein Versuch, nochmal wieder "ins Geschäft" zu kommen, indem er Abschied nahm von den mythologischen Themen und sich einem literarischen Sujet, einer Episode aus Ariosts "Orlando furioso", zuwandte. Die Oper hatte keinen Erfolg, vielleicht auch weil Händels Lieblings-Kastrat Senesino das Werk nicht mochte und vorher ausstieg. Erst mit den zwei folgenden Werken, zumal der "Alcina" (1735), deren Sujet er ebenfalls Ariosts "Orlando furioso" entnahm, kam noch mal ein größerer Erfolg. Mit "Orlando", 1733 uraufgeführt, hat man es jetzt an der Berliner Komischen Oper wieder versucht.
Händel allerorten. Die Jubiläumsjahre 2009 (250.Todestag) und 2010 (325.Geburtstag) erinnern an ihn nachhaltig. An der Berliner Komischen Oper war er allerdings schon vorher präsent – mit unterschiedlichem Erfolg. Der neue Versuch mit der späten Oper "Orlando" hübscht die Bilanz nicht unbedingt ins Plus.
"Orlando" ist die Geschichte vom Ritter Roland aus Kaiser Karls des Großen Paladin-Runde, der aus unerwiderter oder verlorener Liebe in rasenden Eifersuchtswahn verfällt. Den Verlust seiner Geliebten Angelica an einen weniger karrierebewussten, gefühlszarteren Konkurrenten, Medoro, erträgt er nicht. Dass dieser Medoro dabei auch seine Geliebte, Dorinda, verletzt, kompliziert das nur schwer durchschaubare Beziehungs-Geflecht.
Der für die Produktion an der Komischen Oper bemühte schwedische Regisseur Alexander Mørk-Eidem verkompliziert das Geschehen optisch weiter, indem er die Geschlechter-Rollen der Figuren aufweicht.
Medoro, von Händel tatsächlich für eine Frauenstimme konzipiert im Kontrast zum Titelhelden Orlando als Kastraten-Partie, Medoro, alias Elisabeth Starzinger, tritt hier von Anfang an auf als Frau. Kostümbildnerin Maria Gyllenhoff präsentiert ihn/sie in bodenlangem dünnem Kleid mit wallendem Haupthaar. Die Beziehung zu Angelica, Typ moderne Geschäftsfrau, wandelt sich mithin in eine lesbische.
Medoros Ex Dorinda, mit knabenhaft klarer Stimme gesungen von Julia Giebel, wird gezeigt als burschikoser Typ mit Bubikopf in gemixt-geschlechts-spezifischer Kleidung. Und Orlando, alias Mariselle Martinez, stimmlich mit überstarkem Vibrato leider eine glatte Fehlbesetzung, tritt schon mal auf mit Che-Guevara-Guerillero-Habit und Pistole im Anschlag.
Die heute wieder barocken Moden sich annähernde Aufweichung der Geschlechter-Rollen zu thematisieren, wäre sicherlich interessant gewesen. Allerdings gelingt es Regisseur Mørk-Eidem kaum, die Charaktere psychologisch zu unterfüttern.
Viel wird herumgeballert, im Theaterblut gerührt, mit medizinischem Gerät hantiert – der übliche Klamauk. Im Stück gibt's auch noch eine Art Therapeuten. Der hört auf den schönen Namen Zoroastro oder Zarathustra. Er versucht das Spiel zu dirigieren, hier mit Rasta-Haaren, Guru-Kettchen und Wasserpfeife.
Ein dichter Nadelwald auf Erlend Birkelands Bühne dient erst als Urlaubs-Idyll mit VW-Campingbus und Wäscheleine für Medoro/Dorinda/Angelica, mutiert dann zu einer Art Birnam-Albtraum-Wald für Orlando. Geöffnet oder verschlossen wird er mit einer halbrunden Bretterwand von einem hinzugefügten, zwischen Hausmädchen und Dienstbote changierenden, Voll-Glatzen-Faktotum.
Spannender macht das die Aufführung nicht. Der zynische Besserwisser-Ton, der sich in der Komischen Oper immer mehr ausbreitet, wird zwar voll bedient, das Publikum erreicht man damit nur bedingt.
Beklatscht werden die Sänger und auch der Dirigent Alessandro De Marchi, der von der gewachsenen Einübung des Orchesters in barocknahe Spielweisen sehr profitieren kann. Das Inszenierungsteam muss sich am Ende kräftige Buhs gefallen lassen.
Einmal mehr zeigt sich: ein fast 280 Jahre altes Stück bloß in gängiges Alltags-Outfit von heute zu kleiden, bringt es uns kaum näher. Innerlich erfahrbar wird es dadurch nicht. Und das Gespür dafür scheint an der Komischen Oper allmählich verloren zu gehen.
Händel allerorten. Die Jubiläumsjahre 2009 (250.Todestag) und 2010 (325.Geburtstag) erinnern an ihn nachhaltig. An der Berliner Komischen Oper war er allerdings schon vorher präsent – mit unterschiedlichem Erfolg. Der neue Versuch mit der späten Oper "Orlando" hübscht die Bilanz nicht unbedingt ins Plus.
"Orlando" ist die Geschichte vom Ritter Roland aus Kaiser Karls des Großen Paladin-Runde, der aus unerwiderter oder verlorener Liebe in rasenden Eifersuchtswahn verfällt. Den Verlust seiner Geliebten Angelica an einen weniger karrierebewussten, gefühlszarteren Konkurrenten, Medoro, erträgt er nicht. Dass dieser Medoro dabei auch seine Geliebte, Dorinda, verletzt, kompliziert das nur schwer durchschaubare Beziehungs-Geflecht.
Der für die Produktion an der Komischen Oper bemühte schwedische Regisseur Alexander Mørk-Eidem verkompliziert das Geschehen optisch weiter, indem er die Geschlechter-Rollen der Figuren aufweicht.
Medoro, von Händel tatsächlich für eine Frauenstimme konzipiert im Kontrast zum Titelhelden Orlando als Kastraten-Partie, Medoro, alias Elisabeth Starzinger, tritt hier von Anfang an auf als Frau. Kostümbildnerin Maria Gyllenhoff präsentiert ihn/sie in bodenlangem dünnem Kleid mit wallendem Haupthaar. Die Beziehung zu Angelica, Typ moderne Geschäftsfrau, wandelt sich mithin in eine lesbische.
Medoros Ex Dorinda, mit knabenhaft klarer Stimme gesungen von Julia Giebel, wird gezeigt als burschikoser Typ mit Bubikopf in gemixt-geschlechts-spezifischer Kleidung. Und Orlando, alias Mariselle Martinez, stimmlich mit überstarkem Vibrato leider eine glatte Fehlbesetzung, tritt schon mal auf mit Che-Guevara-Guerillero-Habit und Pistole im Anschlag.
Die heute wieder barocken Moden sich annähernde Aufweichung der Geschlechter-Rollen zu thematisieren, wäre sicherlich interessant gewesen. Allerdings gelingt es Regisseur Mørk-Eidem kaum, die Charaktere psychologisch zu unterfüttern.
Viel wird herumgeballert, im Theaterblut gerührt, mit medizinischem Gerät hantiert – der übliche Klamauk. Im Stück gibt's auch noch eine Art Therapeuten. Der hört auf den schönen Namen Zoroastro oder Zarathustra. Er versucht das Spiel zu dirigieren, hier mit Rasta-Haaren, Guru-Kettchen und Wasserpfeife.
Ein dichter Nadelwald auf Erlend Birkelands Bühne dient erst als Urlaubs-Idyll mit VW-Campingbus und Wäscheleine für Medoro/Dorinda/Angelica, mutiert dann zu einer Art Birnam-Albtraum-Wald für Orlando. Geöffnet oder verschlossen wird er mit einer halbrunden Bretterwand von einem hinzugefügten, zwischen Hausmädchen und Dienstbote changierenden, Voll-Glatzen-Faktotum.
Spannender macht das die Aufführung nicht. Der zynische Besserwisser-Ton, der sich in der Komischen Oper immer mehr ausbreitet, wird zwar voll bedient, das Publikum erreicht man damit nur bedingt.
Beklatscht werden die Sänger und auch der Dirigent Alessandro De Marchi, der von der gewachsenen Einübung des Orchesters in barocknahe Spielweisen sehr profitieren kann. Das Inszenierungsteam muss sich am Ende kräftige Buhs gefallen lassen.
Einmal mehr zeigt sich: ein fast 280 Jahre altes Stück bloß in gängiges Alltags-Outfit von heute zu kleiden, bringt es uns kaum näher. Innerlich erfahrbar wird es dadurch nicht. Und das Gespür dafür scheint an der Komischen Oper allmählich verloren zu gehen.