Die Autorin wollte im Roman vor allem die ökonomische Determiniertheit der Liebe beschreiben - und sagt heute zu dem vor knapp 30 Jahren erschienenen Text:
In den Liebhaberinnen habe ich versucht, die Verhältnisse, wie ich sie kenne, zu skelettieren. Der Text ist sehr karg, fast strukturalistisch, das war für mich die einzige Methode damals, die Unausweichlichkeit der Lebensschicksale zu beschreiben...
Regisseur Martin Oelbermann hat viel gekürzt, die harte Rhythmik des Textes aber präzise übernommen und ohne feste Rollenzuschreibung auf die Figuren verteilt. Das enge Korsett aus eintönigem Satzbau und sprachlichem Wiederholungszwang hat er durch grelle Bilder gesprengt - und damit eine theatertaugliche Fassung geschaffen, die noch dazu jeder feministischen Moralkeule trotzt. Man, äh, Frau kann auch sagen, jeglicher feministischen Moral verlustig geht.
Hinter einem grauen Lattenzaun und um einen großen leeren Bilderrahmen herum breitet sich lustvoll Retrodesign aus. Leinwände im Stil der Pop-Art, gummibärchen-bunte Kostüme, hässliche Perücken, eine Schaufensterpuppe und viele Stoffbabys unter dem Bühnenhimmel vervollständigen das postfeministische Bild. Aus den Land-Frauen ohne Zukunft und ihren aufstrebenden oder prügelnden Männern sind zeitgemäße Barbies und Kens mit Schöner-Wohnen-Philosophie geworden. Hier tummelt sich das ewig lächelnde Personal einer Soap-Opera, das auch mit zusammengebissenen Zähnen noch perfekt funktioniert wie in einer Sixties-Show.
"Was war das wieder ein SCHÖNER Beischlaf!" Fehlt eigentlich nur der eingespielte Applaus. Elfriede Jelineks Text ist eine sarkastisch untergründete Zustandsbeschreibung des weiblichen Bewusstseins: Mit der Gebärfähigkeit der Frau sind Aufstieg oder Absturz existentiell verknüpft; in jedem Fall aber bedeutet sie Unterwerfung, Selbstverleugnung und einen Kreislauf des Hasses, der von Generation zu Generation weiter getragen wird. Der Regisseur widmet die Not dieser "angestorbenen" Frauen um in ein Pop-Szenario, innerhalb dessen er allerdings schöne Bilder für den Geschlechterkampf gefunden hat. Etwa wenn die Frauen den Männern kollektiv und demonstrativ mit Fahrradpumpen oder Wasserpistolen bei der Befriedigung des immergleichen Bedürfnisses zur Hand gehen, während der Schlager "Das tu ich alles nur aus Liebe" säuselt.
Wenn die weibliche Bedrohung aus der Welt der Bessergestellten, die Puppe Susi, im Gully versenkt wird. Oder wenn die schwangere Paula im Madonnenkostüm erscheint, um den Kopf einen Heiligenschein, den blutrot angeschwollenen Bauch umrahmt von einer goldenen Gloriole - eine Märtyrerin des weiblichen Schmerzes, eine blutige Kaiserin. (Wenn Star Wars-Frauen Kinder kriegten, sähen sie so aus.) Am Schluss dann ein Bild von fast Beckettscher Dimension: Alle sieben Schauspieler eingezwängt in Brautkleid und Hochzeitsanzug. Dann wird die Bühne dunkel, die chaotische Szenerie leise leer-, alles Bunte weggeräumt, die Schauspieler schälen sich aus den Kostümen, stehen am Ende als erschöpfte graue Mäuse da. Kennen Sie dieses SCHÖNE Land mit seinen Tälern und Hügeln? Wo die Fernseher immerfort leuchten und man so WUNDERBAR über das eigene Elend lachen kann? - Fast wäre die frisch gekürte Heine-Preisträgerin und Hohepriesterin der feministischen Sprachkritik in Düsseldorf auf dem Altar der Unterhaltungsindustrie geopfert worden. Aber nur fast. So wurde sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Im Kampf der Generationen steht es einstweilen eins zu eins.
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479.html
In den Liebhaberinnen habe ich versucht, die Verhältnisse, wie ich sie kenne, zu skelettieren. Der Text ist sehr karg, fast strukturalistisch, das war für mich die einzige Methode damals, die Unausweichlichkeit der Lebensschicksale zu beschreiben...
Regisseur Martin Oelbermann hat viel gekürzt, die harte Rhythmik des Textes aber präzise übernommen und ohne feste Rollenzuschreibung auf die Figuren verteilt. Das enge Korsett aus eintönigem Satzbau und sprachlichem Wiederholungszwang hat er durch grelle Bilder gesprengt - und damit eine theatertaugliche Fassung geschaffen, die noch dazu jeder feministischen Moralkeule trotzt. Man, äh, Frau kann auch sagen, jeglicher feministischen Moral verlustig geht.
Hinter einem grauen Lattenzaun und um einen großen leeren Bilderrahmen herum breitet sich lustvoll Retrodesign aus. Leinwände im Stil der Pop-Art, gummibärchen-bunte Kostüme, hässliche Perücken, eine Schaufensterpuppe und viele Stoffbabys unter dem Bühnenhimmel vervollständigen das postfeministische Bild. Aus den Land-Frauen ohne Zukunft und ihren aufstrebenden oder prügelnden Männern sind zeitgemäße Barbies und Kens mit Schöner-Wohnen-Philosophie geworden. Hier tummelt sich das ewig lächelnde Personal einer Soap-Opera, das auch mit zusammengebissenen Zähnen noch perfekt funktioniert wie in einer Sixties-Show.
"Was war das wieder ein SCHÖNER Beischlaf!" Fehlt eigentlich nur der eingespielte Applaus. Elfriede Jelineks Text ist eine sarkastisch untergründete Zustandsbeschreibung des weiblichen Bewusstseins: Mit der Gebärfähigkeit der Frau sind Aufstieg oder Absturz existentiell verknüpft; in jedem Fall aber bedeutet sie Unterwerfung, Selbstverleugnung und einen Kreislauf des Hasses, der von Generation zu Generation weiter getragen wird. Der Regisseur widmet die Not dieser "angestorbenen" Frauen um in ein Pop-Szenario, innerhalb dessen er allerdings schöne Bilder für den Geschlechterkampf gefunden hat. Etwa wenn die Frauen den Männern kollektiv und demonstrativ mit Fahrradpumpen oder Wasserpistolen bei der Befriedigung des immergleichen Bedürfnisses zur Hand gehen, während der Schlager "Das tu ich alles nur aus Liebe" säuselt.
Wenn die weibliche Bedrohung aus der Welt der Bessergestellten, die Puppe Susi, im Gully versenkt wird. Oder wenn die schwangere Paula im Madonnenkostüm erscheint, um den Kopf einen Heiligenschein, den blutrot angeschwollenen Bauch umrahmt von einer goldenen Gloriole - eine Märtyrerin des weiblichen Schmerzes, eine blutige Kaiserin. (Wenn Star Wars-Frauen Kinder kriegten, sähen sie so aus.) Am Schluss dann ein Bild von fast Beckettscher Dimension: Alle sieben Schauspieler eingezwängt in Brautkleid und Hochzeitsanzug. Dann wird die Bühne dunkel, die chaotische Szenerie leise leer-, alles Bunte weggeräumt, die Schauspieler schälen sich aus den Kostümen, stehen am Ende als erschöpfte graue Mäuse da. Kennen Sie dieses SCHÖNE Land mit seinen Tälern und Hügeln? Wo die Fernseher immerfort leuchten und man so WUNDERBAR über das eigene Elend lachen kann? - Fast wäre die frisch gekürte Heine-Preisträgerin und Hohepriesterin der feministischen Sprachkritik in Düsseldorf auf dem Altar der Unterhaltungsindustrie geopfert worden. Aber nur fast. So wurde sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Im Kampf der Generationen steht es einstweilen eins zu eins.
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