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Die Logis des Virtuosen

Für die einen war Franz Liszt ein Verrückter mit langem Haar, der den Mephisto-Walzer komponierte und ihn faustisch zu spielen verstand. Für die anderen war er ein "Europäer in Thüringen". So ist das Themenjahr auch überschrieben. Jetzt gibt es einen Festakt des Landes zur Wiedereröffnung des Liszt-Hauses.

Von Blanka Weber | 20.03.2011
    Am Rande des Ilmparkes, vis à vis der Bauhaus-Universität und nur wenige hundert Meter vom Goethehaus entfernt steht ein kleines ockerfarbenes Haus. An der Außenfassade wird im Sommer wieder Spalierobst ranken, Rabatten werden blühen und die Bäume im Park dem idyllischen Platz Schatten spenden. Hier lebte Franz Liszt ab 1869 in den Sommermonaten:

    "Diese Wohnung wurde ihm eingerichtet vom Großherzogshaus, offenbar hat sich auch Großherzogin Sophie sehr engagiert. Also ihm wurde hier etwas bereitet, wenn man so möchte."

    Gert-Dieter Ulferts ist von der Klassik Stiftung Weimar. Er und Restauratoren haben mit Hilfe von Fotos, Inventarlisten und Farbresten die Wohnräume des Künstlers so gut wie möglich nachempfunden:

    "Ja das ist nun auch die Beletage dieses Gebäudes. Man muss wissen, das ist ursprünglich als Hofgärtnerhaus errichtet worden, aber man muss wissen, dass vor Liszt zwei andere Prominente Weimarer Künstler hier gelebt und gearbeitet haben, nämlich Friedrich Preller und sein Malerkollege."

    Dann kam also Liszt und mit ihm angeblich jährlich ein neuer Bechstein-Flügel in das kleine Wohnhaus.

    Sein letzter Flügel steht noch immer hier. Denn bereits ein Jahr nach Liszts Tod 1886 wurde das kleine Haus ein Museum. Doch gerade die vergangenen Jahre waren eher ein farbintensives Konvolut von Liszt-Mobiliar, Utensilien und Kunstgegenständen. Zu kitschig und wenig elegant. Nicht nur Nike Wagner, die Ur-Urenkelin, rümpfte die Nase darüber. Auch Gert-Dieter Ulferts:

    "Das war manchmal ein bisschen zu stark aufgetragen, möchte ich sagen. Es war auch nicht immer in der Wahl der Materialen so konsequent. Es war möglicherweise auch die Mangelsituation der 70er-Jahre und ich meine, heute können wir da anders verfahren. Und wenn Sie fragen, worauf wir stolz sind, dann ist das sicherlich der Gesamteindruck, der neu ist, eben dieser erste Eindruck, den man hat, wenn man den Raum betritt."
    Der erste Eindruck ist elegant und von dezenter Farbigkeit. Die meterhohen, in üppige Falten gelegten schweren Vorhänge dominieren auf den ersten Blick. Ihre dunkelroten und grünen Streifen, abgesetzt mit Ornamenten – sind eine Hommage an die ungarische Heimat von Franz Liszt.
    Die Wände des Salons sind grau, goldfarbene Wandleisten zieren Türrahmen und Zimmerecken. Durch die wuchtigen Stoffe und dunklen Möbel wirkt der Raum klein, doch nicht beengend. Das Schlafzimmer ist in einen erdigen Ockerton gehüllt, auch hier sollen die Farben der Stoffe weitgehend so sein, wie das Original war.

    "Und wir haben eben auf der Grundlage der Inventare, die erstellt worden sind, bald nachdem Liszt verstarb 1886, eine ziemlich genaue Beschreibung, wie die Qualität dieser Stoffe war."
    Mehrmals pro Woche soll Liszt hier Schüler unterrichtet haben. Sonntags lud er zu Matineen. Sein Stand in Weimar war bedeutend, doch im Vergleich zu all' den anderen Größen der Stadtgeschichte stand er doch eher im Schatten. Nun schmückt sich Thüringen ein Jahr lang mit dem großen Pianisten. Es wird Zeit! – sagt der ehemalige Rektor der Hochschule für Musik Rolf-Dieter Arens

    "Liszt ist vielmehr, als wir ahnen. Wenn man sich hinein begibt in die Materie, was er alles gemacht hat und was er alles getan hat, ist er meiner Ansicht nach ein großes Vorbild. Liszt ist einer der wenigen Menschen gewesen, die uneingeschränkt anderen geholfen haben, und zwar bedingungslos. Er war überzeugt von einem guten Stück oder einem guten Menschen oder von einer guten Komposition oder von einem guten musikalischen Gedanken und er hat gesagt, dann mache ich das. Unabhängig davon, ob jemand verfolgt war, wie Wagner oder ungeliebt. Und er hat selbstlos unterrichtet viele Schüler weltweit. Das ist etwas, dass es heute kaum mehr gibt."

    Das Liszt-Themenjahr bietet Wettbewerbe, Videoarbeiten und Installationen – auch außerhalb der Konzertsäle. Ein Kletterexperte montiert überdimensionale und wetterfeste Partituren an dicken Drahtseilen zwischen den Bäumen:

    "Das werden fliegende Partituren. Wir haben uns vorgestellt, dass der Franz Liszt eine Partitur geschrieben hat, die er zum Trocknen auf den Fenstersims gelegt hat und dann kam ein Windstoß und hat die Blätter sozusagen in den Park hinein geweht."

    Im Juni soll es eine große Landesausstellung geben und - musiziert wird auch wieder bei Liszt, meist montags zu Matineen in seinen Wohnräumen am Park und auf seinem Flügel.

    Informationen:
    Liszt-Haus in Weimar