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Die Lokalzeitung als Zugpferd in der Krise

Weltweit gilt die Zeitung als Auslaufmodell. Die Jüngeren informieren sich nur noch über das Internet, heißt es, und die Älteren suchen nach Stellen, Autos oder Immobilien nicht mehr in ihrer Tageszeitung, sondern eben auch vor allem im Netz. Einer, der in die Kassandrarufe nicht einstimmen mag, heißt Dirk Ippen. Er gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Verleger.

Von Brigitte Baetz | 14.03.2009
    Auf gut einer Million Frühstückstische zwischen Garmisch und Uelzen liegt jeden Morgen eine Zeitung aus dem Hause Ippen. Die bekanntesten Blätter dabei: der Münchner Merkur und die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine. Beides keine Weltzeitungen, aber erfolgreich. Understatement und Effizienz, das sind auch die Markenzeichen des Verlegers Dirk Ippen. Der inzwischen 69-Jährige hat sich Stück für Stück in über vierzig Jahren ein Medienimperium gebaut, das er weder durch Zeitungs- noch Wirtschaftskrise bedroht sieht. Schon mit seiner ersten Zeitung, dem Westfälischen Anzeiger, lernte er die Lektion, die er sein ganzes weiteres Berufsleben lang beherzigte: Der Erfolg liegt im Lokalen!

    "Das ist eine kleine Provinzzeitung gewesen und Hamm/Westfalen ist auch nicht der Nabel der Welt, da habe ich sehr viel gelernt und dann hatte ich das große Erfolgserlebnis, dass wir angegriffen wurden in den 70er Jahren von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, die da unbedingt Hamm erobern wollte, weil Hamm eine Ruhrgebietsstadt ist und die damaligen WAZ-Herren einfach meinten, sie müssten in jeder Ruhrgebietsstadt sein. Und diesen Abwehrkampf haben wir gewonnen, ich war sieben Jahre lang Chefredakteur und dass wir es geschafft haben, die WAZ da aus dem Felde zu schlagen, die ja eigentlich zehnmal größer war als wir und auch mindestens zehnmal so viel Geld hatte, das hat mich ja sehr stark motiviert für weitere Expansionen."

    Ippens Rezept damals wie heute - eine kleine, aber schlagkräftige Mannschaft, die zwar nicht mit amerikanischer Regierungspolitik vertraut war, dafür aber wusste, was vor Ort geschah:

    "Wir hatten tiefere Verbindungen. Wir waren tiefer vernetzt mit dem lokalen Solidarsystem. Unsere Journalisten waren wirklich Hammenser Bürger, die waren dort verwurzelt. Die WAZ hat irgendwelche hochbegabten Leute geschickt, die von irgendwoher kamen, tolle Journalisten waren, aber nicht die Bodenhaftung hatten bis hin zu dem damals im Ruhrgebiet noch eine große Rolle spielenden alten Bergleuten, die alle Taubenzüchter waren im Nebenberuf und wir wussten, dass das also ein wichtiger Bestandteil ist. Wir waren halt einfach näher am Leser und haben damit für die Hammenser jedenfalls die bessere Zeitung gemacht."

    In steter Expansion kaufte Ippen vor allem kleinere Verlustbringer auf, die er dann sanierte, durchaus mit harter Hand. Passend dazu erwarb oder gründete der Geschäftsmann lokale Anzeigenblätter, um den Printwerbemarkt in seiner Hand zu behalten. An Synergieeffekte im redaktionellen Bereich, wie sie heute zum Beispiel vom DuMont-Schauberg-Verlag mit Kölner Stadtanzeiger, Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau versucht werden, glaubt Ippen jedoch nur bedingt. Sie könnten auf lange Sicht die Eigenständigkeit der Zeitungen und damit ihre Lebensfähigkeit unterminieren. Denn Dirk Ippen hat eine ganz eigene Medientheorie. Sie besagt: Zeitungen sind mehr als nur gesammelte und gedruckte Nachrichten, Zeitungen sind Solidarsysteme. Das gelte für die lokalen Blätter genauso wie für die überregionalen Zeitungen. Wer beispielsweise die Süddeutsche lese, gehöre damit zu einer Gruppe, die man als eher linksliberales Bürgertum bezeichnen könnte, wer die FAZ abonniere, der wolle zu einer eher wirtschaftsliberalen Elite gehören, wer aber sein Heimatblatt lese, der identifiziere sich mit der Region, beziehungsweise der Stadt. Ein Verleger, der nicht mehr wisse, für wen er seine Zeitung eigentlich mache, bekomme, sagt Ippen, Probleme.

    "Je größer eine Stadt ist, desto schwieriger ist es, lokale Solidarsysteme zu erzeugen, das ist zum Beispiel der Grund, warum Berlin, mehr als doppelt so groß als München ist von der Einwohnerzahl, aber meines Wissens in Berlin nicht mehr Zeitungen verkauft werden als in München."

    Und diese Stadt München, nach Ippens Aussage eher ein großes Dorf, beliefert er als Verleger des Münchner Merkur mit zwanzig verschiedenen Lokalausgaben. Eine Erfolgsgeschichte trotz der Konkurrenz der Süddeutschen und der Boulevardblätter vor Ort, von denen die tz auch zu Ippens Reich gehört. Natürlich experimentiert Ippen, wie alle Verleger, mit Internetangeboten. Doch auch diese müssten so gestaltet werden, dass sie den Erwartungen der Solidargemeinschaft entsprächen, für die sie gemacht würden. Er sagt auch: Die Zeitungen werden sich ändern, sich multimedial als Marke aufstellen müssen. Aber das Kerngeschäft bleibe bestehen: die lokale und regionale Berichterstattung - und die sei und bleibe zukunftsfähig, wenn man sie denn ernst nimmt.