Freitag, 19. April 2024


Die lyrix-Gewinner im Februar 2012

Die Moorleiche "Kind von Windeby" aus dem Archäologischen Landesmuseum Schleswig und das Gedicht "Der Knabe im Moor" von Annette von Droste-Hülshoff standen im Februar als Inspirationsquellen zur Verfügung. Ihr habt uns zahlreiche Gedichte über den "Mythos Moor" geschickt. Unsere Jury hat entschieden - die Februar-Gewinner 2012 stehen fest!

15.03.2012
    Im Gedicht "Der Knabe im Moor", das euch auch in einem Video präsentiert wurde, wird die düstere, unheimliche Stimmung im Moor lebendig. Annette von Droste-Hülshoff beschreibt das Moor in ihrem Gedicht aus der Sicht eines Jungen, der das Moor durchquert. Die Umgebung wird plastisch und die Fantasie des Jungen lässt Geister und finstere Gestalten erscheinen.

    Dass das Moor im Gegensatz auch ein friedlicher Ort sein kann, in dem seltene Tiere und Pflanzenarten heimisch sind, wird oft vergessen. Viele Mythen ranken sich um diesen Ort. Wir fragten, was euch am Mythos Moor fasziniert und waren gespannt, ob uns auch Gedichte erreichen, die sich nicht nur mit der unheimlichen Seite des Moores beschäftigen, sondern auch seine anderen Facetten hervorheben.

    Bleibenden Eindruck hat bei euch vor allem das "Kind von Windeby" hinterlassen. Die meisten Gedichte, die uns erreicht haben, waren inspiriert von der Moorleiche aus dem Archäologischen Landesmuseum Schleswig. Das Moor spielt bei euch eine wichtige Rolle als Zeuge der Zeit, als Ort der Geschichte. Aber natürlich fanden auch Moorhexen, Moorgeister und die Tiere des Moores den Weg in eure Gedichte. Das Moor scheint Menschen seit Jahrhunderten in seinen Bann zu ziehen - alle Gedichte, die uns erreicht haben, spiegeln das eindrucksvoll wider.

    Die Jury hat die fünf besten Gedichte ausgewählt. Wir gratulieren allen Gewinnern!

    Hier sind die Texte der Leitmotivrundengewinner aus dem Februar 2012:

    Requiem

    Ich bin es, erinner dich,
    hör gut zu
    wenn die Seele spricht,
    ich warte auf dich
    Tag und Nacht,
    wenn kein Stern mehr am Himmel wacht,
    dann bin ich dir immer nah
    im Sturm, im Wind und immer da.
    In stillen Nächten fließe ich,
    wie Tropfen heiß auf dein Gesicht
    drum komm zu mir,
    so schön der Ort
    wo ich warte immerfort.
    Meine Schwestern locken dich
    lachen laut in dein Gesicht,
    erwachen sanft aus ihrem Schlummer,
    wohl genährt von eurem Kummer,
    wir tanzen bis zum Morgenrot,
    die Sonne ist des Zwielichts Tod.

    Und wenn der neue Tag beginnt,
    erweckt sanft Mann und Frau und Kind,
    möcht ich, dass du eines weißt,
    denn ich bin das, was Hoffnung heißt,
    durch deine Hand im Moor versunken,
    in meinem Schmerz darin ertrunken.


    (Julia Fourate aus Nordhofen, Mons-Tabor-Gymnasium, Klasse: 11, Muttersprache: deutsch)


    Dornröschen im Moor

    Es ging ein Mädchen durch den Wald
    von keinem Mensch bewacht.
    Im Schatten ward ihr Angst und Bang
    so düster war die Nacht.

    Wo niemand ist, kann Übel sein.
    Kein Mensch war hier zu sehn.
    Doch sie war mutig, wagte sich
    bis raus ins Moor zu gehn.

    Es tröstet sie die Stille hier
    fern von der großen Stadt.
    Ein Stück von Glauben keimt, dass hier
    die Welt noch Schönheit hat.

    Der Vater nie hier draußen war.
    Nie Mutter dies gesehn.
    Nur Großvater, der Alte sagt:
    "Gefährlich, aber schön."

    Sie zieht sich ihre Schuhe aus,
    so weich, das grüne Moos.
    Und ihr wird klar, im Weitergehn,
    sie ist die Schuhe los.

    Geht sie auch barfuß durch den Schlamm,
    sie wollt nicht andders gehen.
    Auf diese Art hat die Natur
    ihr Herz noch nie gesehn.

    Sie freut sich jeder Blume hier.
    Und dort ein alter Steg.
    Es fasziniert sie jeder Stein.
    Sie schaut nicht auf den Weg...


    (Anna-Lena Finger-Verbücheln aus Wallerfangen, Saarlouiser Gymnasium am Stadtgarten, Jahrgangsstufe: 12, Muttersprache: deutsch)


    Auf der Schatzinsel

    Totenstille herrscht im Moor
    Stickiger Dunst dampft empor
    Düstrer Schatten in der Flor
    Long John Silver tritt hervor

    Holzbein-Tocken erklingt dumpf
    Kein Luftzug mehr in dem Sumpf
    Gänsehaut erfasst den Rumpf
    Fauler Ast, modernder Stumpf

    Wilde Enten wittern Gefahr
    Die Bedrohung ist ganz nah
    Aufschreckende Vogelschar
    Schwärzt den Himmel ganz und gar

    Ein Gestank von faulem Ei
    Zieht aus dem Morast herbei
    Giftig grüne Walachei
    Weit entfernter Todesschrei

    Ungeheuer ist erschreckt
    Junger Hawkins sich versteckt
    Von den Binsen gut verdeckt
    Der Pirat verlässt den Fleck

    Mit ihm ist der Nebel fort
    Sonne auf dem Kopfe dorrt
    Friedlich wird nun dieser Ort
    Abenteuer dauert fort


    (Madeleine Jordan aus Bernau, Paulus-Praetorius-Gymnasium Bernau, Jahrgangsstufe: 13, Muttersprache: deutsch)


    Moorgedanken

    Und wieder versunken
    Im Moormeer
    Langsam: mein Fußabdruck – nicht mehr
    Nur braun
    Irgendwo dazwischen ertrunken:
    Ein einsamer Buchstabenbröckel
    Und wieder erblindet
    Im Nebel
    Schattententakel wie Knebel:
    So stumm
    Syntax die alles verbindet
    Jetzt kreischt sie nur Dunkelheitsschwärze
    Und wieder versunken
    In Moor mehr:
    Gedanken


    (Anna Neocleous aus Rietberg, Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe: 13, Muttersprache: deutsch/griechisch)


    Ein Kinderschuh im Moor

    Die stille Kühle in dem Wald
    war wie ein Paradies für mich
    wenn es sich zu verstecken galt
    vor all dem, was war unerträglich

    Ich sah dich wie du spieltest dort
    dein blondes Haar, dein Sonntagskleid
    die Herzen von aller Last befreit
    doch bald schon warst du einfach fort

    Du sahst den Bläuling, liefst ihm nach
    liefst weiter, liefst aus meiner Sicht
    ein Schrei, dein helles Lachen brach
    ich war erstarrt, bewegen konnte ich mich nicht

    Der helle Rock im Moor versunken
    hilflos starrte ich dich an
    mir war, als wären es schon Stunden
    bevor ich wieder zu mir kam

    Die Tränen in den Kinderaugen
    der angsterfüllte Todesblick
    du dachtst, du könntest mir vertrauen
    ich lief, doch kam zu spät zurück

    Die Rettung nahte nun vergebens
    ich spürte nur die gräulich' Ruh
    sie raubte mir den Sinn des Lebens
    ich fand nur noch ein einz'gen Schuh


    (Cornelia Bühmann aus Schleswig, Berufsbildendes Zentrum Schleswig, Jahrgangsstufe: 12, Muttersprache: deutsch)