Die »lyrix«-Gewinner im Januar 2013

"Was glaubst denn du?" Was heißt Glaube heute, in unserer Gesellschaft und für euch? Sagt ein regelmäßiger Kirchgang etwas über den Glauben aus? Und hat Glaube zwingend etwas mit Religion zu tun? Das haben wir euch im Januar gefragt.

    Im ersten Monat des »lyrix«-Jahres 2013 waren wir mit dem Thema Glaube zu Gast im Braunschweigischen Landesmuseum. Dort kann ein besonders gut erhaltenes Reliquiendepot besichtigt werden. Im Mittelalter spielten Reliquien, also Körperteile oder Gegenstände aus dem Besitz eines verstorbenen Heiligen, eine zentrale Bedeutung im christlichen Glauben. Man erhoffte sich von ihnen Heilung oder Schutz. Mit Bezug auf dieses Exponat und den Gedicht "Sonntag" von Nora Bossong haben wir euch gefragt: Was glaubt ihr?

    In euren Texten geht es nicht nur um den religiösen Glauben. Auch der Glaube an Freundschaft, Vertrauen und Liebe steht in vielen Gedichten, die wir erhalten haben, an zentraler Stelle.

    Wir präsentieren die ersten fünf Monatsgewinner 2013. Wir glauben an euch!


    Herr Mozart

    Dies irae
    Dies illa
    Tag des Zornes
    Tag der Sünden
    starker Glaube
    große Angst
    Herr Mozart
    stoßen Sie
    die Pforten
    zur Hölle auf?
    Wissen Sie
    - schon -
    was ich
    - noch -
    glauben soll?
    Soll - ich -
    glauben,
    was ich sehe?
    was ich fühle?
    was ich sage?
    was ich höre?
    Herr Mozart
    ich weiß -
    ich glaube
    an ihre Musik!
    Glaube ich
    an das
    gesprochene Wort?
    Es könnte
    eine Lüge sein?
    Und - wenn es
    - doch -
    die Wahrheit ist?
    Herr Mozart
    ich sehe
    Ihre Noten
    - und -
    ich glaube
    an ein Leben
    vor dem Tod.

    (Lara-Sophie-Eugenie Cronhardt-Lück-Giessen aus Pirmasens, Immanuel Kant Gymnasium, Klasse 6, Muttersprache Deutsch)




    Schlucke Quecksilber mein Kind,
    Wenn du groß bist werden deine Tränen glänzen.
    Denn es versilbert sich alles hinterher
    rammte die Zeit zuckergold in die Titanic.
    Sang der Männerchor bis er Tränen in den Augen hatte
    Silbernes Salzwasser in Sängeraugen.
    Quecksilber mein Kind,
    Quecksilber und du wirst strahlen.
    Denn es versilbert sich alles hinterher.
    Wird dein Name aufgesticktes Gold auf Marmor sein.
    Einfach schlucken mein Kind,
    wer schön sein will muss leiden.
    Trink, mein Kind, trink
    und deine Wunden werden zu Schmetterlingen vernarben
    Wer schön sein will muss leiden
    Schmetterlinge wo dein Blut wieder fließt
    Golden auf Marmor.
    Irgendwann wird man es romantisch finden,
    dass am Ende alle starben.
    Denn es versilbert sich alles hinterher
    Werden wir singen
    während wir Shakespeare verbrennen.
    Quecksilber ist die Neue Liebe mein Kind.
    Wenn du groß bist werden deine Tränen glänzen.

    (Johanna Fugmann aus Memmelsdorf, Klasse 10, Presentation College Tuam - Auslandsjahr, Muttersprache Deutsch)



    Jugendliches Credo

    Woran soll ich denn bitte glauben?
    Die Jugend von heute glaubt nicht
    Sie verkommt
    Ist
    Gesichtslos, zukunftslos
    Und wartet darauf wachgeküsst zu werden
    Während der Prinz
    Geldscheine zählend die Stirn runzelt
    Die Jugend von heute glaubt,
    Dass die Erde keine Scheibe ist
    Dass der Mensch böse ist
    Und daran,
    Dass sie einst ein Verband Einzelliger war
    Die Jugend von heute versteht nicht Warum
    80 Millionen Deutsche
    Einen Nadelbaum in das Wohnzimmer stellen
    Und ihn limettaverhangen besingen
    Sie ist dabei zu entschlüsseln
    Warum Herr Lamenta so entschlossen
    Den Zustand der Jugend lamentiert

    (Helena Kieß aus Dresden, Evangelisches Kreuzgymnasium Dresden, Klasse 11, Muttersprache Deutsch)




    Glaube an mich

    Glaube ist wie eine Säule
    die meine Hoffnung trägt
    die meine Stärke hält
    die mir den Halt im Leben gibt.

    Glaube ist wie ein Dach
    das mich vor dem Regen schützt
    das mich von der Trauer abschirmt
    das mir den Schutz im Leben gibt.

    Glaube ist wie ein Boden
    der mich festhält und fasst
    der mich in die Wirklichkeit zurückholt
    der mir die Beherrschung im Leben gibt.

    Glaube ist wie ein Fenster
    das mir ein Blick nach außen gibt
    das mir ein Bild im Freien zeigt
    das mir die Freiheit im Leben gibt.

    Glaube ist wie eine Wand
    die mich wie eine Lehne stützt
    die mich abfängt wenn ich falle
    die mir die Sicherheit im Leben gibt.

    Glaube ist wie ein Haus
    das mir die Wärme spendet
    das mir die Sicherheit schenkt
    das mir das Wichtige im Leben gibt.

    (Sonja Liu aus Wuppertal, Gymnasium Sedanstraße, Muttersprache: Chinesisch)




    vaterunser (2)

    SMS und
    Urknall und
    Kondensstreifen
    Erdbeben Kirchensteuer
    Gott in
    Überlandleitungen

    vaterunser (3)

    dass es wieder Montag war
    ich glaubte ans Internet oder
    an die Kopfschmerztablette vielleicht
    sah Gott mir durch die
    Webcam zu, als ich
    schlafen ging

    vaterunser (4)

    Mittelstreifen wieder
    eine Ausfahrt vorbei wir
    suchen immer suchen
    noch fahren weiter eine
    Tankfüllung lang suchen wir
    Gott

    (Ansgar Riedißer aus Renningen, Klasse 9, Gymnasium Renningen, Muttersprache Deutsch)