Donnerstag, 28. März 2024


Die »lyrix«-Gewinner im Juli 2013

Was ist eigentlich Bildsprache? Sprechende Bilder? Und wo liegen für euch die Berührungspunkte von Bild und Text, von bildender Kunst und Literatur?

01.10.2013
    Im Juli 2013 gastierte »lyrix« im Museum Brandhorst in München. Die prägendste Künstlerpersönlichkeit der Dauerausstellung ist wohl Cy Twombly, der mit über 170 seiner Arbeiten hier ausgestellt ist. Er leitete eine neue bedeutende Ära, nicht nur der amerikanischen Kunst ein, und entwickelte eine ganz eigene, höchst einflussreiche Bildsprache.
    Auch ihr habt in euren Texten lebendige Bilder eingefangen und auf ganz unterschiedliche Art und Weise ihre Atmosphären vermittelt. Zwischen scharfen und verpixelten Bilder, Abbildern, die umhertanzten zwischen Himmel und Erde. Eure Gedichte beschreiben Naturschauspiele, geben die Stimmungen der Jahreszeiten wieder. Eingefangen habt ihr einzelne Momente des Glücks oder der Trauer.
    Einige haben Fotos eingereicht, die sie zu ihren Texten anregten, andere Gedichte sind zu Gemälden entstanden. Insbesondere Cy Twomblys "Roses" inspirierten euch. Jeder von euch hat Bilder sprechen lassen.

    Vielen Dank für die "BildSprache" eurer Einsendungen! Hier sind die Top 5 im Juli.



    Bild vom Bild
    wir sprachen Bilder, schluckten sie, gaben sie aus
    versahen sie mit einem Farbverlauf
    wir liebten Bilder, wir schrieben sie
    hielten sie fest in einem Moment
    manche unscharf und verpixelt
    doch nach langem Starren wären sie sowieso
    verschwommen vor unseren Augen
    Bilder entstanden in der Dunkelheit, unter Wasser
    trotzten Kaffee und bezwangen Berge
    trieben uns in die Ecke, gingen nicht
    mehr aus dem Kopf
    begleiteten uns ein Leben
    ohne uns hätte es sie nie gegeben.

    (Bettina Diller aus Kranzberg, Städtische Berufsschule für Informationstechnik, Klasse 11, Muttersprache deutsch)



    Abbild eines Abbildes

    "Ich", schwebte im Himmel
    um Mitternacht,
    Schatten in der Zukunft flattern,
    beschreiben die Vergänglichkeit
    des Ich.
    Die Finsternis des Denkens
    spiegelte das Wasser.
    Fremde Puppen,
    Flammen
    und meine finstere Angst
    machte die Nacht sternlos.

    (Karina Mamyan aus Stuttgart, Ferdinand-Porsche-Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache russisch)




    Dieses Foto inspirierte Liv Modes zu ihrem Gedicht.
    Entstanden ist es auf einem Streifzug über den Antik- und Trödelmarkt in Leipzig.







    im geigenkasten

    saiten schwingen
    der bogen streicht
    darüber
    wie über weiches fell
    saiten reißen
    der bogen schneidet
    sie durch
    wie eine schere
    saiten verwelken
    der bogen verstaubt
    daneben
    im geigenkasten

    (Liv Modes aus Markranstädt, Louise-Otto-Peters-Gymnasium (Gymnasium Schkeuditz Haus Markranstädt), Klasse 11, Muttersprache deutsch)



    bildschön

    die schöne, mit tau belegte
    halbgeöffnete morgendliche rose -
    ich kann sie sehen
    fast kann ich sie riechen
    fast kann ich sie spüren

    und doch bleibt sie
    geruchlos und unvergänglich
    ohne liebe
    die niemals verwelkende
    rose aus pixeln

    (Aaron Schmidt-Riese aus Freiburg, FWS Freiburg-St. Georgen, Klasse 13, Muttersprache deutsch)



    Als

    Als Sterne vom Himmel fielen
    Als Meere höher lagen als Land
    Als Sonne dunkler war als Nacht
    Als Täler höher waren als berge
    Als Fische flogen
    Als Vögel schwammen
    Als Zebras Leoparden jagten
    Als Füße stärker waren als Hände
    Als noch geliebt wurde
    Als Friede regierte
    Als Verrat nicht existierte
    Als alle ehrlich waren
    Als Winde noch wehten
    Als Pflanzen noch blühten
    Als Wellen noch wogten
    Als Feuer noch glühte
    Als alles passieren konnte
    Als Bilder sprachen
    Da...

    (Rebekka Stahlhut aus Buchholz i.d.N., Albert-Einstein-Gymnasium, Klasse 7, Muttersprache deutsch)



    Und hier die Gewinner "außer Konkurrenz"

    (Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)


    Fertil

    Der Regen bist du, Poesie,
    auf meine Felder fällst du nieder,
    bist Sturmes Höh' und Melodie,
    du singst so laut mir deine Lieder.
    Am weiten Fenster stehend,
    blick' ich zu dir empor,
    die Augen voller Frohsinn,
    sind heller als zuvor,
    erfüllst mich wie der Donner,
    der Leben gibt und nimmt,
    du küsst mich wie die Sünde,
    die wie mein Blut gerinnt,
    ich spreize meine Arme,
    zu finden deine Hand,
    du hast mich allzu stetig,
    in Dunkelheit erkannt,
    die schwarze Nacht,
    der junge Tag,
    meine Patronin
    unverzagt.
    Der Regen bist du, Poesie,
    auf unsre Felder fällst du nieder,
    bist Atem mir und Empathie,
    in jedem deiner vielen Lieder.

    (Julia Fourate aus Nordhofen, Mons-Tabor-Gymnasium, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
    Geige auf dem Leipziger Trödelmarkt
    Geige auf dem Leipziger Trödelmarkt (Liv Modes)