
Dichter Thomas Kling setzt sich in seinen Werken mit der Veränderung von Lebensräumen auseinander, wobei die Natur ein dominierendes Element darstellt. Wir wollten von euch wissen, was ihr seht, wenn ihr nach drinnen oder nach draußen blickt und wozu euch dieser Blick inspiriert.
Erreicht haben uns zahlreiche Gedichte über die Natur, den Menschen und seine verschiedenen Gefühle in Bezug auf seinen Lebensraum. In vielen eurer Texte werden eure negativen Assoziationen mit Innenräumen und Städten deutlich. Im Gegensatz dazu steht die Natur, die häufig als belebender Zufluchtsort dargestellt wird.
Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern!
Hier die Texte der Leitmotivrundengewinner aus dem Inland:
Es ist unter dem Lampenschirm hervorgekrochen,
das Licht,
Ist einmal durch den Raum getänzelt
Über den glänzenden Langfaserteppich
Zur Jugendstil-Kommode,
überlegte kurz ob es der Spalt zwischen Tapete und Sofa wert ist
zu strahlen.
Schwebte weiter Richtung Konzertflügel
Zu den bodenlangen Gardinen,
den bodentiefen Fenstern,
und kam
durch das Fenster
zu mir.
In die Dunkelheit,
in die Kälte,
in die Ungewissheit,
Schob sich zwischen mich und mein ungewaschenes,
löchriges T-Shirt,
fand zwischen zwei freigelegten Rippen Platz,
nistete sich in mein Herz,
und ließ mich lächeln.
(Johanna Fugmann aus Memmelsdorf, Deutschland, Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg, Jahrgangsstufe 8, Muttersprache: deutsch)
Das Glasfenster
oh wie trügerisch
der Anblick in die weite Ferne
grüne Bäume, hohe Felsen
du über ihnen
stehend auf Glas
rundherum Glas
unter dir, in die Tiefe
etliche Schichten von glasklarem
Glas
aber kein Grashalm ist mehr zu sehen
keine Bewegung -
sonst machst du was kaputt
keine Berührung -
sonst machst du etwas dreckig
kannst du es nicht genießen? den schönen Ausblick,
das unbeschwerte Atmen - nirgendwo ist ja ein
Windhauch
die Ruhe wegen der Stille
und die Aufmerksamkeit von allen, weil sie
darauf warten, was du machst
es sind die, die noch Farbe haben
und deswegen nicht zu Glas wurden
sie spielen dir den Ball zu
ein echter Ball
schwarz und weiß
aus echtem Leder
schön zu spielen, hart im Schuss
annehmen kannst du ihn
schieße ihn, zerbreche das Glas
laufe dem Ball hinterher
lasse dich fallen
vielleicht fängt der Baum dich auf.
(Bettina Diller aus Kranzberg, Deutschland, Imma-Mack-Realschule Eching, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)
Offenes Fenster zur Straße
Verwaschene, weite, unendliche Luftgebilde
Stehend-schwebend, wild und frei
Betonene Fesseln drücken es nieder
Bedrängend einzwängen ist die Devise von Haus mit Straße
Beglückend Bedrohung der neongelben Sängerin
Insekt in konkurrenzvollem Verhalten imponiert Blechschaden und grellroter Ampel-Angst
Trennung der Emulsion?
Metastasen der Geschwüre sind hier nicht heilbar!
Heile, unversehrte Welt
Tier und Strauch vor meinem blinden Auge
Schockgefrornes Lid öffnet dem Grauen Tor und Ohr
Umfängt es liebevoll brutal
Hauch von Liebe, Streif von Glück
Brennt Ausblick in die Seite
Das blinde Auge schreckt zurück
Und öffnet sich der Weite
Vom grauen Star geheilt, lieblich umfangend sein Heim.
(Moira Neumann aus Wehrheim, Deutschland, Kaiserin-Friedrich-Gymnasium, Jahrgangsstufe 13, Muttersprache: deutsch)
Hafengraffiti (Dual)
Da ist ein Hafen
Und da sind
Füße und Segel und Söge
Die ziehn mich und zögen noch ewig,
das weiß ich, wenn ich nicht –
halt.
Da ist ein Hafen
Da sind
Taue und Tauben und Teer.
Schlick ist und Luft und Geruch und
Blei.
Eintopf und Duft mit Graffiti und Straßenkreide
Ich bleibe hier ewig
Wenn ich nicht –
geh.
Renn. Das Wachs in den Venen wird kalt
Wir müssen hier weg, wir müssen doch –
Halt.
Da bin ich.
Was wär ich?
Wenn ich nicht –
Wehr' ich mich?
geh!
halt.
Gib halt.
Lauf weiter, veranker mich, geh.
renn los und bleib stehen.
Vergeh nicht.
Bleib ewig.
Verweh mich.
Ich sehne mich
Sehe mich
Und da ist ein Hafen.
Was werde ich?
(Josefine Berkholz aus Berlin, Deutschland, Romain Rolland Oberschule, Jahrgangsstufe 12, Mutersprache: deutsch)
Und hier die Gewinnertexte aus dem Ausland:
Draußen und Drinnen
Lebensraum
draußen,
außen,
außerhalb von allem,
weit weg von dir!
Aus meinem Fenster sehe ich die Sonne.
Sie scheint
über allem,
sie scheint!
Aber über dich nicht.
Nein, sie scheint nicht über dich.
Sie lässt sich von niemandem etwas befehlen,
besonders von dir, der gar nicht denkt,
wie man nachdenkt
über das, was man tut,
den anderen antut und wehtut.
Nein!
So geht es nicht
ich bleibe drinnen.
In meiner Welt
wo es dich nicht gibt
wo du nicht in meiner Nähe bist
wo ich nicht zulassen kann
dich rein zu lassen
damit du mich entlassen kannst!
(Isabella von Wallwitz aus São Paulo, Brasilien, Colégio Visconde de Porto Seguro, Jahrgangsstufe 7, Muttersprache: portugiesisch)
Ein Und Aus
Aus dem Fenster
Die Weide lächelt und bückt sich
Die Wolken ziehen und verändern sich dauernd
Die Taube schwingt ihre Flügel schnell
Der Fluss fließt reißend
Oh, Herz ist der Landschaft gewogen
Lauf, lauf, nach draußen
Der Wind spielt mit meinen Haaren
Mein Körper kann sich nicht enthalten, zu tanzen
Die Blätter wehen wirbelnd
Der Fisch im Wasser atmet aus
Plötzlich bläst der Wind stärker und stärker
Ich werde ganz nass
Lauf, lauf, nach drinnen
Der Goldfisch tanzt noch,
als spränge er aus dem Wasser,
hebe ich meinen Kopf,
fühle ich das Gesicht meiner Mutter, wirklich so schön
auf Zehenspitzen schenke ich meiner Mutter einen Kuss
lauf, lauf, ins Liebesmeer-------
(Xu Weixia aus Zhejiang, Provinz Ningbo, China, Ningbo Gymnasium, Jahrgangsstufe 11, Mutersprache: chinesisch)
Gewinnertexte "außer Konkurrenz":
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
weiter draußen : mein zimmer
hand über hand fühlte ich fremdwelten katzte an
himmeldecken und pflückte sternfrüchte im traurigen herbst.
die blätterdächer und waldwände waren mein raum
der raum war nichts als ich: schlicht und symmetrieverlassen.
fuß über fuß lief ich durch flussbetten schälte
tapetenrinde von baumhäusern und wischte blütenstaub.
der klangteppich und die tonfliesen waren mein boden
der boden war nichts als zeit: weit und gegenwartsflüchtig.
kopf über kopf ließ ich fiktionen in stadtrandecken
öffnete nebelfenster im nachtwanken und saß auf lichtstühlen.
das windheulen und luftzittern waren die angst
die angst war nichts als natur: fragil und zivilisationsfrei.
blick über blick sah ich mein leben hörte noch lange
die heisere stille als mein zimmer am abend allein blieb.
(Christiane Heidrich aus Vaihingen/Enz, Deutschland, Friedrich-Abel-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)
Mörtel im Haar
ich bestreiche meine papierhaut
innen: erinnerungen
jemand sprüht aussen:
gut gemeinte graffitibilder
- auf die fenster -
der späher in der tür sieht:
aufgemaltes lächeln auf der tapete
in den flur gestellte glückseligkeit
- nicht die risse unterm teppich -
beim einschlafen schmecke ich:
verbranntes papier
noch hat niemand bemerkt,
dass Keiner zu hause ist,
um das gedicht
zu ende zu -
(Anna Neocleous aus Rietberg, Deutschland, Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: deutsch)
Erreicht haben uns zahlreiche Gedichte über die Natur, den Menschen und seine verschiedenen Gefühle in Bezug auf seinen Lebensraum. In vielen eurer Texte werden eure negativen Assoziationen mit Innenräumen und Städten deutlich. Im Gegensatz dazu steht die Natur, die häufig als belebender Zufluchtsort dargestellt wird.
Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern!
Hier die Texte der Leitmotivrundengewinner aus dem Inland:
Es ist unter dem Lampenschirm hervorgekrochen,
das Licht,
Ist einmal durch den Raum getänzelt
Über den glänzenden Langfaserteppich
Zur Jugendstil-Kommode,
überlegte kurz ob es der Spalt zwischen Tapete und Sofa wert ist
zu strahlen.
Schwebte weiter Richtung Konzertflügel
Zu den bodenlangen Gardinen,
den bodentiefen Fenstern,
und kam
durch das Fenster
zu mir.
In die Dunkelheit,
in die Kälte,
in die Ungewissheit,
Schob sich zwischen mich und mein ungewaschenes,
löchriges T-Shirt,
fand zwischen zwei freigelegten Rippen Platz,
nistete sich in mein Herz,
und ließ mich lächeln.
(Johanna Fugmann aus Memmelsdorf, Deutschland, Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg, Jahrgangsstufe 8, Muttersprache: deutsch)
Das Glasfenster
oh wie trügerisch
der Anblick in die weite Ferne
grüne Bäume, hohe Felsen
du über ihnen
stehend auf Glas
rundherum Glas
unter dir, in die Tiefe
etliche Schichten von glasklarem
Glas
aber kein Grashalm ist mehr zu sehen
keine Bewegung -
sonst machst du was kaputt
keine Berührung -
sonst machst du etwas dreckig
kannst du es nicht genießen? den schönen Ausblick,
das unbeschwerte Atmen - nirgendwo ist ja ein
Windhauch
die Ruhe wegen der Stille
und die Aufmerksamkeit von allen, weil sie
darauf warten, was du machst
es sind die, die noch Farbe haben
und deswegen nicht zu Glas wurden
sie spielen dir den Ball zu
ein echter Ball
schwarz und weiß
aus echtem Leder
schön zu spielen, hart im Schuss
annehmen kannst du ihn
schieße ihn, zerbreche das Glas
laufe dem Ball hinterher
lasse dich fallen
vielleicht fängt der Baum dich auf.
(Bettina Diller aus Kranzberg, Deutschland, Imma-Mack-Realschule Eching, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)
Offenes Fenster zur Straße
Verwaschene, weite, unendliche Luftgebilde
Stehend-schwebend, wild und frei
Betonene Fesseln drücken es nieder
Bedrängend einzwängen ist die Devise von Haus mit Straße
Beglückend Bedrohung der neongelben Sängerin
Insekt in konkurrenzvollem Verhalten imponiert Blechschaden und grellroter Ampel-Angst
Trennung der Emulsion?
Metastasen der Geschwüre sind hier nicht heilbar!
Heile, unversehrte Welt
Tier und Strauch vor meinem blinden Auge
Schockgefrornes Lid öffnet dem Grauen Tor und Ohr
Umfängt es liebevoll brutal
Hauch von Liebe, Streif von Glück
Brennt Ausblick in die Seite
Das blinde Auge schreckt zurück
Und öffnet sich der Weite
Vom grauen Star geheilt, lieblich umfangend sein Heim.
(Moira Neumann aus Wehrheim, Deutschland, Kaiserin-Friedrich-Gymnasium, Jahrgangsstufe 13, Muttersprache: deutsch)
Hafengraffiti (Dual)
Da ist ein Hafen
Und da sind
Füße und Segel und Söge
Die ziehn mich und zögen noch ewig,
das weiß ich, wenn ich nicht –
halt.
Da ist ein Hafen
Da sind
Taue und Tauben und Teer.
Schlick ist und Luft und Geruch und
Blei.
Eintopf und Duft mit Graffiti und Straßenkreide
Ich bleibe hier ewig
Wenn ich nicht –
geh.
Renn. Das Wachs in den Venen wird kalt
Wir müssen hier weg, wir müssen doch –
Halt.
Da bin ich.
Was wär ich?
Wenn ich nicht –
Wehr' ich mich?
geh!
halt.
Gib halt.
Lauf weiter, veranker mich, geh.
renn los und bleib stehen.
Vergeh nicht.
Bleib ewig.
Verweh mich.
Ich sehne mich
Sehe mich
Und da ist ein Hafen.
Was werde ich?
(Josefine Berkholz aus Berlin, Deutschland, Romain Rolland Oberschule, Jahrgangsstufe 12, Mutersprache: deutsch)
Und hier die Gewinnertexte aus dem Ausland:
Draußen und Drinnen
Lebensraum
draußen,
außen,
außerhalb von allem,
weit weg von dir!
Aus meinem Fenster sehe ich die Sonne.
Sie scheint
über allem,
sie scheint!
Aber über dich nicht.
Nein, sie scheint nicht über dich.
Sie lässt sich von niemandem etwas befehlen,
besonders von dir, der gar nicht denkt,
wie man nachdenkt
über das, was man tut,
den anderen antut und wehtut.
Nein!
So geht es nicht
ich bleibe drinnen.
In meiner Welt
wo es dich nicht gibt
wo du nicht in meiner Nähe bist
wo ich nicht zulassen kann
dich rein zu lassen
damit du mich entlassen kannst!
(Isabella von Wallwitz aus São Paulo, Brasilien, Colégio Visconde de Porto Seguro, Jahrgangsstufe 7, Muttersprache: portugiesisch)
Ein Und Aus
Aus dem Fenster
Die Weide lächelt und bückt sich
Die Wolken ziehen und verändern sich dauernd
Die Taube schwingt ihre Flügel schnell
Der Fluss fließt reißend
Oh, Herz ist der Landschaft gewogen
Lauf, lauf, nach draußen
Der Wind spielt mit meinen Haaren
Mein Körper kann sich nicht enthalten, zu tanzen
Die Blätter wehen wirbelnd
Der Fisch im Wasser atmet aus
Plötzlich bläst der Wind stärker und stärker
Ich werde ganz nass
Lauf, lauf, nach drinnen
Der Goldfisch tanzt noch,
als spränge er aus dem Wasser,
hebe ich meinen Kopf,
fühle ich das Gesicht meiner Mutter, wirklich so schön
auf Zehenspitzen schenke ich meiner Mutter einen Kuss
lauf, lauf, ins Liebesmeer-------
(Xu Weixia aus Zhejiang, Provinz Ningbo, China, Ningbo Gymnasium, Jahrgangsstufe 11, Mutersprache: chinesisch)
Gewinnertexte "außer Konkurrenz":
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
weiter draußen : mein zimmer
hand über hand fühlte ich fremdwelten katzte an
himmeldecken und pflückte sternfrüchte im traurigen herbst.
die blätterdächer und waldwände waren mein raum
der raum war nichts als ich: schlicht und symmetrieverlassen.
fuß über fuß lief ich durch flussbetten schälte
tapetenrinde von baumhäusern und wischte blütenstaub.
der klangteppich und die tonfliesen waren mein boden
der boden war nichts als zeit: weit und gegenwartsflüchtig.
kopf über kopf ließ ich fiktionen in stadtrandecken
öffnete nebelfenster im nachtwanken und saß auf lichtstühlen.
das windheulen und luftzittern waren die angst
die angst war nichts als natur: fragil und zivilisationsfrei.
blick über blick sah ich mein leben hörte noch lange
die heisere stille als mein zimmer am abend allein blieb.
(Christiane Heidrich aus Vaihingen/Enz, Deutschland, Friedrich-Abel-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)
Mörtel im Haar
ich bestreiche meine papierhaut
innen: erinnerungen
jemand sprüht aussen:
gut gemeinte graffitibilder
- auf die fenster -
der späher in der tür sieht:
aufgemaltes lächeln auf der tapete
in den flur gestellte glückseligkeit
- nicht die risse unterm teppich -
beim einschlafen schmecke ich:
verbranntes papier
noch hat niemand bemerkt,
dass Keiner zu hause ist,
um das gedicht
zu ende zu -
(Anna Neocleous aus Rietberg, Deutschland, Gymnasium Nepomucenum Rietberg, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: deutsch)