Freitag, 19. April 2024


Die »lyrix«-Gewinner im März 2015

'Einklang - Zweiklang - Nachklang' lautete das »lyrix«-Thema im März. Anregungen gab es vom Künstlerpaar Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp sowie von Norbert Langes Gedicht 'DIE STARE HJERTØYAS'.

15.04.2015
    Ein Mann sitzt am 04.08.2013 auf einem Steg am Selenter See (Schleswig-Holstein).
    Die Natur spielte in vielen Gedichten eine Rolle. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Die Natur ist ein wiederkehrendes Thema in euren Texten. Sprießende Knospen, Flügelschläge, die Jahreszeiten, Ebbe und Flut – das sind für euch Sinnbilder des Einklangs. Diesen Einklang beschreibt ihr als etwas Fantastisches, als etwas Fügsames: "Gefunden ist das Bindeglied, / auf einmal lässt sich Einklang schaffen; / was in der Welt gar nie geschieht, / ohne jedes Lückenklaffen", heißt es in dem Text eines Teilnehmers.
    Neben der Natur rückten viele eurer Gedichte das Thema Beziehungen in den Mittelpunkt. Ihr schreibt vom gemeinsamen Klingen zweier Menschen, die zu einer Einheit verschmelzen, einer "Schallwellensymbiose". Was nach dem Zerbrechen einer Beziehung bleibt, ist der Nachklang: "Ein schiefer Ton / Stille / Das Echo / hat verstimme Saiten".
    Vielen Dank für eure Einsendungen!
    Die Monatsgewinner im März 2015:
    Nachklang
    kilometerbreite stille
    redet auf mich ein
    ‚komm aus dir raus'
    sei endlich dein
    dutzend lange gedanken
    spielen die töne als du gingst
    bittersüße pauken & trompeten
    - und du grinst
    sechstausend kompositionen
    trennen unsere körper voneinander
    doch dein nachspiel
    bringt mich nachts noch durcheinander
    hunderte versuche
    viel mehr als nur ein versuch zu sein
    spielten uns zu viel vor
    im ende klanglos vergeigt
    Jan Borges, Jahrgang 1996
    Hinaus in die Welt
    Flügelschläge
    ratternd und kräftig
    durchkreuzen den Himmel
    von Schnattern
    und Fiepsen begleitet
    von weißgrauen Federn gelenkt
    hoch in die Luft
    hinaus in die Welt
    Trommelschläge
    ohrenbetäubend
    beben über die Erde
    von gurrenden Vögeln
    und sirrenden Pfeilen
    bis tief in die Wälder
    und Höhlen begleitet
    Funkenschläge
    von schnatternd gemurmelten
    Worten getragen
    die Hände wie Flügel
    zum Himmel erhoben
    bis hoch in die Wipfel
    und drüber hinaus
    Donnerschläge
    wie Trommeln so dröhnend
    wie Funken so heiß
    kreisen geflügelte Wesen
    über den Schuldbedeckten
    fiepen, krähen leise
    Segen bringend
    Herzschlag
    fließt durch meine Brust
    in mein Gehirn
    weckt auf das so geliebte
    morgendliche Sonnenlicht
    die Klänge der gurrenden Tauben
    hoch in den Himmel
    hinaus in die Welt
    Annabell Kahmann, Jahrgang 1997
    Zyklus zwischen Dir und mir
    Zweiklang
    Du und ich.
    Schwingen Parallel
    Du in Dur, ich in Moll.
    gemeinsam unterschiedlich
    vom ersten Blick bis zum ersten Ton
    doch zwischen uns die Harmonien
    Einklang
    langsam, schleichend,
    sprechen wir im selben Takt
    Schallwellensymbiose
    Gedanken
    auf der gleichen
    Hirnwellenlänge
    Nachklang
    Ein schiefer Ton
    Stille
    Das Echo
    hat verstimme Saiten
    Caroline Pfeffer, Jahrgang 1994
    Dornblüte
    Und während Knospen Zartes wagen
    Lautlos kämpfen, stumm versagen
    Und um der Ewigkeiten Willen
    Die Mäntel mit den Herzen ringen
    Wenn dem Knacken -Flügelschlagen-
    Ein Spalt in den Kokon gelingt
    Um dann bangend einzuschlafen
    Dass kein Kristall im Rot gerinnt
    Als sie ihre Haut beklagen
    Nur gerafft in bloße Laken
    Und auf manchen Bruder blicken
    Der dem Docht ins Grün entglitten
    Nun, sich plusternd aufgetan,
    Das Rascheln noch im Wind verklingt
    Und ihre Silhouetten zahm
    Zwei Gestirnen unterworfen sind
    Dann denk ich nicht an ihr Verwelken
    Doch wunder mich, verweile lang,
    Wie solche Einheit sich entfalten
    Und man doch in ihr verlieren kann
    Moritz Schlenstedt, Jahrgang 1996
    Der Denker
    Ein Denker still und einsam steht
    in düst'rer, menschenleerer Gass',
    sich wendet und zwei Schritte geht,
    suchend ohne Unterlass
    Suchend etwas, das nicht möglich,
    das den Geist wohl übersteigt,
    mehr und mehr fast er besinnt sich,
    dass in diesem Wirr'n nichts zeigt
    Dass nichts zeigt in eine Richtung,
    dass da ist kein klares Bild,
    in dem Düst'ren keine Lichtung
    und es ewig Unruh' schrillt
    Und so schrillt es immer lauter,
    doch außer ihm kann's keiner hör'n;
    ist der Lärm zwar ein Vertrauter,
    vermag er fast ihn zu zerstör'n
    Doch da plötzlich ein Gedanke
    ihn erfasst in seiner Qual;
    wenn er auch noch etwas wanke,
    ist's doch nicht das erste Mal
    Ist's doch nicht das erste Mal,
    dass voller Hoffnung, fast berauscht,
    hinaufsteigend aus dunklem Tal,
    er dann sei'm grausam' Urteil lauscht
    Sei'm Urteil, weil er sich geirrt,
    muss die Ordnung wieder weichen
    und er die Perfektion verliert
    und das Wirre muss ihm reichen
    Manches Mal auch wünscht er sich,
    er würd' nicht denken, einfach glauben,
    wenn er würd' hinterfragen nicht,
    wär's leicht. Nein! Er will's nicht erlauben
    Doch dieses Mal scheint es vollkommen,
    so nah er fühlt die ganze Welt,
    und er deswegen ganz benommen,
    die Fassung fast nicht mehr behält
    Gefunden ist das Bindeglied,
    auf einmal lässt sich Einklang schaffen;
    was in der Welt gar nie geschieht,
    ohne jedes Lückenklaffen
    Doch dann ein feiner Riss, entsprungen
    einer nicht beseh'nen Stell',
    macht sogleich alles zersprungen,
    was noch eben klar und hell
    Wollt' die Vollendung mir entgleiten,
    spricht er mit zittrig ruhiger Stimm',
    bleibt doch wenigstens; wird bleiben,
    ihr Nachklang da, für alle Zeiten.
    Christoph Smazcny, Jahrgang 1996
    Und hier zwei Beiträge "außer Konkurrenz":
    (Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
    nachklang
    herbstwind raubt
    zischend heulend pfeifend
    jedem baum
    jedem strauch
    sein grünes kleid
    frühling weckt
    kahle bäume
    sträucherfelder
    schatten braucht sonne
    um schatten zu werfen
    ebbe jagt flut
    flut verschlingt ebbe
    wellen brechen
    tosend sich am strand
    natur ewige wiederkehr
    kindmuttergroßmutter
    geburt leben tod
    einklang zweiklang nachklang
    werden sein vergehen
    ideengedanken erinnern
    ich weine
    ich lache
    manchmal ist meine mitte
    zu weit links
    zu weit rechts
    kein einklang – dissonant
    suche mich
    verliere mich
    finde mich
    im einklang
    tausend gedanken
    im zweiklang
    kollektivbewusstsein
    nachklang erinnern
    odinsraben flüstern
    bis in unsere zeit
    vergangenheitgegenwartzukunft
    leben
    nachklang
    erinnern
    der tag stirbt
    in den dunklen armen der nacht
    die nacht wiegt ihr kindlein - tag
    Lara-Sophie Cronhardt-Lück-Giessen, Jahrgang 2000
    Frühlingssymphonie
    Ich fall' auf deine Haut
    und das Nichts fällt herein,
    denn
    gemeinsam vergeht uns der Atem,
    wenn die Zeit uns verhüllt,
    dann erkenne ich dich,
    wenn die Jahre uns finden,
    dann findest du mich,
    mit den Augen
    der Leere,
    die voll ist von mir,
    deine Augen
    der Ferne,
    in denen ich wohne.
    Es klingt wie ein Lied
    aus vergangenen Tagen,
    wenn du deine Worte
    in meinen verschränkst,
    wir wissen zu kennen
    und nennen doch nicht,
    die ferne
    Bekannte,
    die Hände des Nichts,
    wir versuchen
    uns nicht zu erkennen.
    Du fällst aus der Sonne,
    und das Licht fällt mit dir,
    die fremde Vertraute
    sie kennt dich nicht mehr,
    Unendlichkeit tragen wir
    in unsrem Atem,
    und trinken das Nichts
    von den Lippen der Zeit.
    Julia Fourate, Jahrgang 1994