Samstag, 20. April 2024


Die »lyrix«-Gewinner im Mai 2014

Zum Monatsthema "Gottesteilchen" haben wir euch gefragt: Wie seht Ihr die Errungenschaften von Technik und Forschung? Sind sie Fluch oder Segen? Spielt der Mensch zunehmend Gott oder ist es die menschliche Neugier, die uns immer weiter und weiter treibt?

30.06.2014
    Im Mai haben uns spannende Gedichte zu dem komplexen Themengebiet rund um Forschung und Technik erreicht. Dabei stehen sich in einigen Texten Naturwissenschaft und Religion, Evolutionstheorie und Schöpfungsmythos als Spannungsfeld gegenüber. Kritisch sehen einige der Einsender den zunehmenden Eingriff des Menschen in die Natur, beispielsweise in Form der Gentechnologie. Vielen Dank für Eure Einsendungen zu diesem komplexen Monatsthema.Hier die Texte unserer Monatsgewinner: Ich binIch spreche nicht. Ich denke nicht. Ich bin.
    Ich träume nicht. Ich lebe nicht. Ich werde belebt.
    Ihr belebt mich mit euren großen Händen, die über das entscheiden, was ich bin.
    Ihr belebt mich mit jedem Atemzug, der mir nimmt, was ich gern hätte.
    Ihr belebt mich mit jeder Sekunde, in der ihr sterbt und geboren werdet.
    Ihr belebt mich mit jedem Wort, mit dem ihr entscheidet, was man von mir denken soll.
    Ihr belebt nicht.
    Ich scheine nicht. Ich strahle nicht. Ich bin.
    Ich wünsche nicht. Ich schlafe nicht. Ich drehe mich.
    Ich drehe mich um jeden Baum, den ihr beschließt zu fällen.
    Ich drehe mich um jedes Haus, das ihr beschließt zu bauen.
    Ich drehe mich um jeden Gedanken, mit dem ihr beschließt, mich zu stoppen.
    Ich drehe mich um jeden von euch, der erklären will, was ich kann.
    Ich verdrehe nichts.
    Ich halte nicht. Ich töte nicht. Ich bin.
    Ich sehe nicht. Ich sterbe nicht. Ich bleibe so.
    Ich bleibe so, egal wie oft ihr hofft, ich werde besser.
    Ich bleibe so, egal wie oft ihr denkt, ich wär` durchschaubar.
    Ich bleibe so, egal wie oft ihr glaubt, ein Gott zeigt mir die Wege.
    Ich bleibe so, egal wie oft ihr sucht, was es nicht zu finden gibt.
    Ich bleibe so lange ich kann.
    Ich spreche nicht. Ich scheine nicht. Ich halte nicht.
    Ihr belebt nicht. Ich verdrehe nichts. Ich bleibe so lange ich kann.
    Ich bin.
    Und wenn ihr auch meint,
    wissen zu müssen,
    wer ich bin,
    werdet ihr dennoch nichts weiter herausfinden,
    als dass ich nichts bin,
    als ein blauer, belebter Planet,
    der sich dreht und immer bleibt.
    Bleibt, wie er ist.
    Ich bin.
    werde ich
    ewig leben.(Victoria Bergemann aus Reinbek, Sachsenwaldschule Gymnasium Reinbek, Jahrgang 1997) ZerfallenSie sitzen
    Allein am See
    Die Sonne geht nieder
    Die Liebe spiegelt sich
    Im letzten Zug
    Sie spricht vom Anmut der Sonne
    Er von Strahlung und schwarzen Löchern
    Sie redet von der Schönheit des Augenblicks
    Er über die Zusammensetzung von Teilchen
    Sie nennt es Liebe
    Er präferiert die Wechselbeziehung von Botenstoffen
    Der Augenblick zerfällt
    Wie ein Atom(Jonas Labudda aus Ottersberg, Gymnasium in freier Trägerschaft Eichenschule Scheeßel, Jahrgang 1996) o.T.enormes potential. enorme veränderung. absolute verwirrung.
    kleinstes verständnis.
    kleinstes verständnis für neues, anderes, hochtrabendes.
    enormer aufschrei.
    keiner weiß nichts, jeder weiß etwas, viele denken einiges zu wissen.
    niemand kann diese dinge annähernd sicher behaupten.
    am ehesten vermutete es higgs.
    ist es nicht doch etwas absolut überirdisches?
    eine außerartige erscheinung, ähnlich unfassbar und ebenso unnachahmbar?
    verfilmt ist er dargestellt durch verschiedenste effekte-wie soll der irdische nachweis gelingen?
    kennen wir seine realen eigenschaften? was ist real, was fiktion, glaube?
    warum glauben wir zu wissen, wie überirdisch und doch existent diese winzigkeit sein könnte?
    denken wir etwas zu erfahren, bei dessen erscheinung wir ins wanken geraten?
    kennen wir gott?
    quantensprünge dienen der fortbewegung von informationen in ihrer vollster imperfektion.
    wir überprüfen und beanstanden so die theorien unserer vorgänger,
    zerreißen sie zu nichts,um sie stückweise bestätigen zu können.
    stückweise bestätigung, einhergehend mit partieller verleumdung.
    wir wollen es vielleicht nicht wahr haben.
    wissenschaftlich ist es ein mythos, religiös das reinste chaos.
    dieses winzige teilchen.(Burkhard Maaß aus Deutschenbora, Technische Universität Bergakademie Freiberg, Jahrgang 1996 fotosynthesezähne verbeißen sich in wolkenfabriken
    genmanipulierte fingerspitzen spritzen
    besseres blut gott weiß nicht mehr
    was er tut er mischt mehr farben
    wir wollen auf schnelleren wellen
    reiten brechen höchstgeschwindig-
    keiten wollen rattern wollen rollen
    es blitzt
    erinnerungsfotos entwickeln
    bei dm dauert es zu lange
    an der kasse
    ruft jemand:
    „nimm dir noch atem
    nach hause!“
    aber du wohnst nicht mehr(Benita Salomon aus Schriesheim, Jahrgang 1993) Thespis ein wettstreit zwischen
    wissenschaft und religion:
    die Schöpfung zu erklären.
    seht den alten griechen an
    der eure irrtümer aufklärt,
    über den Schöpfer, den keiner kennt.
    der große knall sein Parodos
    Protagonist: adam
    den Schöpfer zu verstehen: die Hybris der religion.
    ihn zu imitieren die Hamartia der wissenschaft.
    im großen bühnenstück,
    das Leben heißt.
    oh, Thespis,
    schenk uns Katharsis(Karen Schmitt aus Weinheim, Werner-Heisenberg-Gymnasium, Jahrgang 1996)