Donnerstag, 25. April 2024


Die lyrix-Gewinner im Oktober

Im Oktober, dem Monat der deutschen Einheit, drehte sich alles um "Mein Land?!". Hier sind die Gedichte der fünf Gewinner.

10.11.2008
    "Mein Land?!" hat für jeden Einzelnen eine andere Bedeutung. Viele Gedichte haben uns erreicht, in denen das eigene Land mit den unterschiedlichsten Motiven in Verbindung gesetzt wurde. Mal lag "Mein Land?!" düster im grauen Nebel, dann wieder ging es um eine fröhliche, globale und gemeinsame Welt.

    Einige von euch bezogen sich auf die Beschaffenheit der Erde, die Farben der Natur, für andere bedeutete die Beschäftigung mit dem Thema "Mein Land?!" eine Frage der Identität und Zugehörigkeit sowie der inneren Zerrissenheit zwischen zwei Nationen.

    Hier sind die Namen der Oktober-GewinnerInnen, deren Vorstellung von ihrem Land die Jury überzeugt hat. Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch!
    Im November lautet das lyrix-Leitmotiv übrigens: "Bauchgefühl" .


    Deutsch-Land

    Schwarzrotgolden weht die Fahne
    Himmel über Deutschland? blau
    Wege aschig, ockerfarben
    Alte Menschen, weiß und grau

    Kleine Kinder? rosa Finger
    Fahren durch den Lockenschopf
    Helle Fasern, schwarze Strähnen
    Lichtermeer auf deutschem Kopf

    Blasse Haut ziert grüne Augen
    Dunkle Iris, braungebrannt
    Afrikanisch, völkerfarben
    Reicht sich eine Welt die Hand

    Helle Finger, beige Kuppen
    Falten, tief, geschichtenreich
    Bahnen sich den Pfad des Lebens
    Durch Gesichter, dunkel, bleich

    Land der Deutschen, deutsche Lande
    Banner der Vielfältigkeit
    Spannen unsre Landesgrenzen
    Von Monotonie befreit

    Laute voller Farbenfreude
    Schwingen sich von Mund zu Mund
    Malen uns Momentaufnahmen
    Fotoalbum Deutschland? bunt.


    (Judith Gerten aus Pulheim, Geschwister-Scholl-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache deutsch)


    Salzwind und Andennebel

    Ich bin das unaufhaltsame, nasskalte Grau,
    dass unter die Kleider dringt und in die Gemüter,
    die sich nicht zur Wehr zu setzen wissen.

    Ich bin der Dönergeruch in den U-Bahn-Schächten
    und das Abendgold in den Hafenkränen
    wo mich nach langer Reise
    der Salzwind hin zurück trug.

    Mit Eukalyptusduft
    und Andennebel im Herzen
    sah ich mich zum ersten Mal im Spiegel.
    Mit Sommersprossen
    und ungekämmten Haaren
    und lächelte mir zu


    (Lou Zucker aus Hamburg, Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache deutsch)


    Ins Kristall
    Wie einen grauen Mantel
    Leg ich mein Tagwerk ab
    Im stillen Weltenwandel
    Senkt sich die Nacht herab
    Es regen sich die Träume
    Geflüster steigt ins All
    Und formt die engen Räume
    Zu atmendem Kristall
    Kristall’ne Zaubergründe –
    Die Lande kristallin
    Kristalldunst netzt die Winde
    Die seicht durchs Nachtreich zieh’n
    Durch schattenlose Wälder
    Bedeckt mit klarem Schnee
    Durch bunte Spiegelfelder
    Bis in die weite See
    Sich mit dem Mondlicht einend
    Zieh’n Geisterschar’n umher
    Und ihre Blicke scheinen
    Aufs silberblaue Meer
    Als wollten sie mich leiten
    Entdecken sie sich mir
    Durchströmen rasch die Weiten
    Und bringen mich zu
    dir

    (Kai-Oliver Gutacker aus Niddatal, Sankt Lioba Schule, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache deutsch)


    Landflucht

    Vermatscht grüne Grasstücke, im Sommer waren hier Gänseblümchen stationiert Nachts lichterlose, blättergeflutete, verdächtig stille Stadtteilparks Schrumpfende Tierwelt, nur noch ein paar zwitschernde Vögel auf den kargen Ästen Igel und Mäuse, verstecktes Wimmeln im Unterholz, jährlich leiser werdend

    Wege in meinem Land sind holprige Reifenqual, wenig befahren Baustellen überall, wandern ganz langsam die Straßen entlang Straßenbahnrillen werden von Zeit zu Zeit zur Fahrradfalle Weltoffene, verschlossene, glückliche oder traurige Individuen leben hier

    Häuser, mal hoch mal niedrig, nur zum Teil bewohnt Der zentrale Ort für vollkommen isolierte Menschen Ihr Anteil erkennbar an der traurigen Leere der Geschäfte Einsame Seen, verpasste Spiegelungen der Sonnenuntergänge

    Glücklos umherstreifende Verlassene suchen die traute Zweisamkeit Beleuchtete Springbrunnen sind Ausdruck illusionärer Verschönerungsversuche Industrieschornsteine sorgen für schleichend ansteigende Luftverschmutzung Muss noch hier bleiben, dann abwägen, wahrscheinlich wohl wegziehen


    (Jonas Kohnen aus Ludwigshafen, Heinrich-Böll-Gymnasium, Jahrgangsstufe 10, Muttersprache deutsch)


    DIE INSEL

    In einem kristallklarem See,
    Mittendrin,
    Liegt, geformt wie ein springendes Reh,
    Die Insel.

    Schroffe, kalkweiße Felsengebilde
    sind neben grünen Wäldern zu finden.
    Die Japanische Anemone, die wilde,
    Wiegt sich hier im Wind,
    Wo Licht und Schatten verschmolzen sind.

    Umsäumt von einem breiten Strand,
    Ist sie eine Pforte,
    Das Tor zu einem Unentdeckten Land,
    Welches umsäumt von magischen Saum,
    Nur zu finden ist in einem Traum.

    Also schließe die Lider,
    Träume,
    Dann findest du dich wieder
    In meinem Land.


    (Sandra Mehrens aus Himbergen, Fritz-Reuter-Schule Bad Bevensen, Jahrgangsstufe 9, Muttersprache deutsch)


    Außer Konkurrenz, da bereits zweimal unter den Monatsbesten:

    Mein Land

    Land ist dort, wo das Wasser aufhört
    und das Pflanzen beginnt
    wo die Bäume hoch den Himmel wachsen
    und tief ihre Wurzeln verknoten

    doch im Grunde
    sind sie alle im Wasser verankert

    mein Land ist dort, wo das Wasser beginnt und das Pflanzen aufhört wo die Traumgewächse ins Leere wachsen und Verknoten vergeblich ist

    doch im Grunde
    ist da Nichts

    Was für ein fades Ende.
    Gib mir Spielzeug, gib mir Farben, gib mir Atem und ich bastle mir ein Land das vielleicht ein bisschen hält bis es bröckelt und irgendwann wird ein Neues werden vielleicht


    (Theresa Pleitner aus Blaubeuren, evangelisches Seminar Blaubeuren, Jahrgangsstufe 13, Muttersprache deutsch)


    Meine Länder - Zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust

    Hügel wird Berg.
    Wald wird See.
    Bach wird Mozart.
    Regen wird Schnee.

    Sahne wird Obers.
    Hupe wird Glockerl.
    Schwarzwald wird Sacher.
    Keks wird Nockerl.
    Nelke wird Edelweiß.
    Brötchen wird Semmel.
    Neckar wird Salzach.
    Und Januar Jänner.

    Viel wird sich ändern.
    Bin zwischen zwei Ländern.
    Deutschland und Öst’reich -
    ich liebe euch gleich!


    (Julia Frick aus Lambsheim, Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12, Muttersprache deutsch)