Mittwoch, 08. Mai 2024


Die lyrix-Gewinner im Oktober

Unser Oktober-Leitmotiv "Veränderungen" war angelehnt an "Tag der Einheit" von Heinz Kahlau.

20.11.2009
    Veränderungen gehören zum Leben. Mal fassen wir sie als etwas Positives auf, mal kommen sie unerwartet und nicht immer freuen wir uns über das, was sie mit sich bringen. Eure Gedichte im Oktober haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem Thema befasst, sie handelten von gesellschaftlichen und politischen, aber auch von privaten Veränderungen.

    Im November lautet unser Leitmotiv: Der Mond

    Hier die Texte der Monatsgewinner, die unsere lyrix-Jury ausgewählt hat:


    Nun halt ich wieder deine Hand

    Stumm schlafen Gewehre im Schutt
    verlassen liegen sie jetzt unberührt
    erzählen leise ihre Geschichten
    von sich zitternd krümmenden Fingern

    Schlaff hängt abgenutzter Stacheldraht
    an nun toten Barrieren herab
    nutzlos erinnert er nur noch
    an die hier endenden Träume

    Lachend laufen Kinder durch jenen Streifen
    zwischen den zwei Mauern, spielen fangen
    doch Einschussstellen im harten Beton
    lassen Todesschreie nie verklingen

    Friedlich wächst aus grauem Stein
    von einer weißen Taube eingesät
    warnend eine blaue Blume
    und sendet ihre Nachricht aus

    Vergiss-Mein-Nicht!


    (Anna Neocleous aus Rietberg, Gymnasium Nepomucenum, Klasse/Jahrgangsstufe 11, Muttersprache: deutsch/griechisch)





    Asphalt

    Irgendwo
    Atmet ein Mädchenmund
    Verdampfende Zeilen ins Nichts.
    Irgendwo
    Wankt ein suchender
    In den Schwaden des ersten Lichts.
    Und irgendwo
    Dampft der Asphalt
    Noch von der Wärme der Nacht
    Wie kriechender Nebel
    Und mir wird kalt
    Weil der Morgen die Straßen verlacht.
    Irgendwo
    Wischt der erste Frost
    Das Lächeln von deinem Gesicht.
    Irgendwo
    Wird der letzte Hauch Sommer
    Zu klirrendem Eis und
    Zerbricht.

    Und irgendwo
    Dampft der Asphalt
    Noch von der Wärme der Nacht.
    Und kriechender Nebel dringt unter mein Kleid
    Und holt mich zurück in die Wirklichkeit
    Wo die Kälte die Träume verlacht.
    Irgendwo
    Vorm geschlossenen Kiosk
    Bellt ein vergessener Hund.
    Und Irgendwo
    Kurz vor Sonnenaufgang
    Kotzt ein zitternder Mädchenmund
    Seine Seele ins Bahnhofsklo.
    Und Irgendwo
    Dampft der Asphalt
    Noch nach vom nächtlichen Beben.
    Doch der Winter kommt näher
    In Nebelgestalt
    Und bebend
    Beugt sich das Leben.


    (Josefine Berkholz aus Berlin, Romain Rolland Oberschule, Klasse/Jahrgangsstufe 10, Muttersprache: deutsch)




    Schatzkarte

    berühre mich
    doch sei vorsichtig
    du hinterlässt die Spur
    auf meiner Haut
    wenn niemand sieht
    was auf mir geschieht
    es heilt mich keine Uhr
    es bleibt
    auf meiner Haut
    du zeichnest Flüsse
    und Hochgebirge
    die Küste und das Meer
    mit deinem Stift
    der wässrig ist
    den ich um All betör
    du zeichnest eine Welt
    die deine ist
    und mir volkommen fremd
    du baust auf mir ein Zelt
    welch deines ist
    und dich vom Leben trennt
    verfremdest mich
    und ich erkenne mich
    im Spiegel zweierlei
    denn ich bin ich
    und deine Karte
    ich weiß, bin ich auch frei
    hast du auf mir gemalt
    und mich gezeichnet
    als deines
    du bist auf mir gewandert
    und ich wusst doch
    du wirst
    -
    nicht meines


    (Martin Piekar aus Bad Soden, Friedrich- Dessauer- Gymnasium, Klasse/Jahrgangsstufe 13, Muttersprache: deutsch)




    Zustandsveränderung

    Wir sahen und es haben gesiegt
    zwei Herzen übereinander;
    So hab ich dich, du mich gekriegt,
    so fanden wir zueinander.
    Wir haben geliebt und wir haben gelebt,
    zwei Herzen miteinander;
    Wir sahen und es haben gestrebt
    zwei Seelen voneinander.
    So gingen dann auch Stück für Stück
    zwei Herzen auseinander;
    Wir sahen und es blieb zurück
    die Erinnerung aneinander.


    (Oliver Riedmüller aus Fürth, Heinrich-Schliemann-Gymnasium Fürth, Klasse/Jahrgangsstufe 12, Muttersprache: deutsch)




    Veränderungen

    Ich steh vor dem Spiegel und finde mich nicht
    Was ist mit mir los?

    Warum sind mir die Hosen zu eng?
    Warum muss ich einen BH tragen?
    Was sollen diese Pickeln in meinem Gesicht?
    Was ist mit mir los?

    Warum kaufe ich gerne Kleider?
    Warum sehe ich nicht schöner aus?
    Warum schaut dieser Junge immer zu mir?
    Was ist mit mir los?

    Meine Mutter sagt, ich streite nur
    Mein Vater sagt, ich schreie nur
    Mein Bruder sagt, ich denke nur an mich

    Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt
    Ich bin nicht mehr ich
    Wer bin ich?

    (Isabella Correa von Wallwitz aus São Paulo (Brasilien), Colegio Visconde de Porto Seguro, Klasse/Jahrgangsstufe 5, Muttersprache: portugiesisch)



    Blau

    Als ich dich sah,
    in deine Augen blickte
    waren sie blau,
    und dein Hemd war blau.

    Als ich dich liebte,
    wurde mein rotes Kleid blau.

    Jetzt wenn ich dich nicht mehr sehe
    und nicht mehr liebe
    sind nur noch die Wände meines Zimmers
    blau.

    (Renata Kocan aus Virovitica (Kroatien), Gymnasium "Petar Preradovic", Jahrgang 1993, Muttersprache: kroatisch)



    Der Tag

    Ein Tag wie jeder andere
    Ich hab' dich kennen gelernt
    Meine Augen... deine Augen
    Mein Lächeln... dein Lächeln
    Haben sich getroffen
    Bei mir hat sich alles verändert
    Es war nicht mehr
    Ein Tag wie der andere
    Sondern der Tag
    Den ich nie vergessen werde
    Es hat sich alles verändert
    Bei mir... Bei dir
    Bei uns

    (Felícia Marques aus Ramada Odivelas (Portugal), Deutsche Schule Lissabon, Klasse/Jahrgangsstufe 9, Muttersprache: portugiesisch)



    Veränderungen

    Ich dachte und machte,
    und ging wie ein König durch die Welt.
    Kein Berg zu hoch,
    kein Fluss zu lang,
    nein, für mich gab es kein Dach.
    Ich sah immer mehr als du und er,
    dachte ich sei besser.

    Jetzt bin ich neu, ein Mensch,
    die anderen wissen es besser.
    Den Stolz habe ich übersprungen,
    jetzt ist er dünner als in Messer.

    Es gibt nur zwei Wege.
    Der eine ist leichter,
    der andere besser.
    Den besseren gehe ich jetzt
    und achte auf jedes Gebot.
    Dies alles lehrte mich,
    nicht mehr und nicht weniger,
    nur der Tod.

    (Haris Poturkovic aus Zenica (Bosnien und Herzegowina), Erstes Gymnasium in Zenica, Jahrgang 1993, Muttersprache: bosnisch)