Die musikalischen Jubilare des Jahres dürfen, ja: müssen auch in Salzburg einrücken: Joseph Haydn mit "Armida" in der Felsenreitschule und der wunderkräftigen Annette Dasch in der Titelpartie. Georg Friedrich Händels spätes Oratorium "Theodora" gelangte gleich zum Auftakt als Theater ins Große Festspielhaus (Mendelssohn allerdings kommt – anders als ein ganzes "Schumann-Camp" – nur ganz am Rande vor. Es ist, als hätt' ein Jud' aus Berlin an der Salzach noch immer nicht wirklich 'was verloren).
Dafür ein von Herzen bigottes protestantisches Gutmenschenwerk von 1750 – eben jene "Theodora", die (aus nachvollziehbaren Gründen) bei der Uraufführung als Peinlichkeit erschien und ein Flop wurde: Die Geschichte einer vorbildlich keuschen christlichen Märtyrerin aus dem vierten Jahrhundert, die sich dem vom Statthalter in Antiochia angeordneten Opfergebet für Jupiter verweigert, zur Strafe in ein Bordell verschleppt wird, dort aber nach Kleidertausch mit dem in sie verliebten Offizier Didymos fliehen kann, sich schließlich den Behörden stellt, hingerichtet und um ihrer Tugendhaftigkeit fortdauern gerühmt wird.
Mit dem Salzburger Bachchor und den Freiburger Barocksolisten gelingt Ivor Bolton eine hochrangige Interpretation der vorwiegend im Andante und in Moll gehaltenen Musik. Makellos intonieren die Instrumentalisten aus dem Südbadischen. Sie packen, wenn sie dazu animiert werden, hurtig, frisch und kernig zu, sind dann aber auch wieder zu seidenweichem Piano befähigt (sie verkörpern mithin auf mustergültige Weise in Sachen Musik die seit Jahren so etwas wie wohlfeile Biovitalität).
Als neukonvertierter Didymos ist Bejun Mehta auch in der riesigen Halle ein Counter von bemerkenswerter Durchschlagkraft sowie Energiebündel im Engagement für die zartbesaitete Theodora. Der verleiht Christine Schäfer eine womöglich absichtsvoll klein gehaltene Stimme und damit besondere Momente des Anrührenden.
Auf die Libretto-Lieferung von Thomas Morell wie für die alternde Diva Händel, die verstärkt Züge einer Betschwester entwickelte, trifft in vollem Umfang zu, was Heinrich Heine in seinem Poem "Deutschland. Ein Wintermärchen" in Verse brachte: "Sie sang das alte Entsagungslied,/ Das Eiapopeia vom Himmel,/ Womit man einlullt, wenn es greint,/ Das Volk, den großen Lümmel." Damit muss eine Inszenierung umgehen, wenn sie heute dieses Erbauungswerk aus der Versenkung holt.
Christoph Loy ließ sich von Annette Kurz eine Kirchen-Empore auf die Festspielhausbühne installieren: Mehrere breite Stufen führen zu einer alten Orgel hinauf, deren Pfeifen durch verstaubte Netze gegen Fledermausbesiedlung geschützt wurden. In dieser "Original"-Landschaft des geistlichen Oratoriums wird ein Stück weit der Sub-Text anglikanischer Besinnung auf eine altkirchliche Heilige inszeniert – nebst Rekurs auf viktorianische Moralität des 19. Jahrhunderts, in der Händel-Pflege exzessiv blühte. Der heiklen Frage des Märtyrer-Werdens und -Seins in heutiger Zeit stellte sich die Inszenierung nicht. Ebenso wich Loy der naheliegenden Idee aus, Morells Fabel zum Anlass für eine paradigmatische Auseinandersetzung einer Einzelnen und ihrer Glaubensgemeinschaft mit einer als zutiefst verkommen erachteten gesellschaftlichen Mehrheit zu nehmen.
In diesem zweiten Fall hätten sich womöglich (unfreiwillig) Anspielungen auf das Salzburger Festspiel-Regime und die Bewusstseinsformen im Hauptkontingent der Kartenkäuferschicht ergeben – und damit ein Verstoß gegen die unter neokonservativen Vorzeichen erzwungene Friedenspflicht. So ist der Versuch einer ernstgenommenen Wiederaneignung von Händels spätem Oratorium gründlich gescheitert. Eine engagiert-kritische "Kreation" auf der Basis des Werks in kleinerem Rahmen wäre produktiver gewesen; eine bilderlose konzertante Aufführung hätte die Konzentration auf die Musik nicht eingetrübt. So aber gab es weder Fisch noch Fleisch, sondern Fischstäbchen.
Dafür ein von Herzen bigottes protestantisches Gutmenschenwerk von 1750 – eben jene "Theodora", die (aus nachvollziehbaren Gründen) bei der Uraufführung als Peinlichkeit erschien und ein Flop wurde: Die Geschichte einer vorbildlich keuschen christlichen Märtyrerin aus dem vierten Jahrhundert, die sich dem vom Statthalter in Antiochia angeordneten Opfergebet für Jupiter verweigert, zur Strafe in ein Bordell verschleppt wird, dort aber nach Kleidertausch mit dem in sie verliebten Offizier Didymos fliehen kann, sich schließlich den Behörden stellt, hingerichtet und um ihrer Tugendhaftigkeit fortdauern gerühmt wird.
Mit dem Salzburger Bachchor und den Freiburger Barocksolisten gelingt Ivor Bolton eine hochrangige Interpretation der vorwiegend im Andante und in Moll gehaltenen Musik. Makellos intonieren die Instrumentalisten aus dem Südbadischen. Sie packen, wenn sie dazu animiert werden, hurtig, frisch und kernig zu, sind dann aber auch wieder zu seidenweichem Piano befähigt (sie verkörpern mithin auf mustergültige Weise in Sachen Musik die seit Jahren so etwas wie wohlfeile Biovitalität).
Als neukonvertierter Didymos ist Bejun Mehta auch in der riesigen Halle ein Counter von bemerkenswerter Durchschlagkraft sowie Energiebündel im Engagement für die zartbesaitete Theodora. Der verleiht Christine Schäfer eine womöglich absichtsvoll klein gehaltene Stimme und damit besondere Momente des Anrührenden.
Auf die Libretto-Lieferung von Thomas Morell wie für die alternde Diva Händel, die verstärkt Züge einer Betschwester entwickelte, trifft in vollem Umfang zu, was Heinrich Heine in seinem Poem "Deutschland. Ein Wintermärchen" in Verse brachte: "Sie sang das alte Entsagungslied,/ Das Eiapopeia vom Himmel,/ Womit man einlullt, wenn es greint,/ Das Volk, den großen Lümmel." Damit muss eine Inszenierung umgehen, wenn sie heute dieses Erbauungswerk aus der Versenkung holt.
Christoph Loy ließ sich von Annette Kurz eine Kirchen-Empore auf die Festspielhausbühne installieren: Mehrere breite Stufen führen zu einer alten Orgel hinauf, deren Pfeifen durch verstaubte Netze gegen Fledermausbesiedlung geschützt wurden. In dieser "Original"-Landschaft des geistlichen Oratoriums wird ein Stück weit der Sub-Text anglikanischer Besinnung auf eine altkirchliche Heilige inszeniert – nebst Rekurs auf viktorianische Moralität des 19. Jahrhunderts, in der Händel-Pflege exzessiv blühte. Der heiklen Frage des Märtyrer-Werdens und -Seins in heutiger Zeit stellte sich die Inszenierung nicht. Ebenso wich Loy der naheliegenden Idee aus, Morells Fabel zum Anlass für eine paradigmatische Auseinandersetzung einer Einzelnen und ihrer Glaubensgemeinschaft mit einer als zutiefst verkommen erachteten gesellschaftlichen Mehrheit zu nehmen.
In diesem zweiten Fall hätten sich womöglich (unfreiwillig) Anspielungen auf das Salzburger Festspiel-Regime und die Bewusstseinsformen im Hauptkontingent der Kartenkäuferschicht ergeben – und damit ein Verstoß gegen die unter neokonservativen Vorzeichen erzwungene Friedenspflicht. So ist der Versuch einer ernstgenommenen Wiederaneignung von Händels spätem Oratorium gründlich gescheitert. Eine engagiert-kritische "Kreation" auf der Basis des Werks in kleinerem Rahmen wäre produktiver gewesen; eine bilderlose konzertante Aufführung hätte die Konzentration auf die Musik nicht eingetrübt. So aber gab es weder Fisch noch Fleisch, sondern Fischstäbchen.