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Die Mammografie der Zukunft

Medizin.- Die für Brustuntersuchungen genutzte Mammografie ist manchmal so ungenau, dass weitere Untersuchungen notwendig werden, zum Beispiel Ultraschall oder Magnetresonanztomografie. Jetzt haben Schweizer Physiker eine Methode entwickelt, die vielleicht in Zukunft die herkömmliche Mammografie ablösen könnte.

Von Sabine Goldhahn | 06.09.2011
    Röntgenstrahlen sind elektromagnetische Wellen. Sie sind unsichtbar, dringen in unseren Körper ein, gehen durch Gewebe und Organe hindurch und hinterlassen am Ende nur ein Schattenbild. Wie der Schatten aussieht, das hängt davon ab, wie viel Röntgenstrahlung vom Gewebe absorbiert wurde. Wenn die Röntgenstrahlung aber auf ein Hindernis trifft wie beispielsweise einen Tumor, dann passiert noch etwas anderes. Marco Stampanoni, Physiker am Paul-Scherrer-Institut im Schweizerischen Villigen.

    "Wenn Röntgenstrahlen durch die Materie gehen, werden sie nicht nur absorbiert, sondern auch gestreut. Also man spricht von Beugung oder Brechungsphänomenen. Und die gehen normalerweise mit der konventionellen Methode komplett verloren, also man hat die nie wirklich sichtbar machen können bis jetzt."

    Dabei scheint es physikalisch auf der Hand zu liegen, sich nicht nur die Abschwächung der Wellen zunutze zu machen, sondern auch ihre Brechung und Beugung. Wenn beispielsweise Wasserwellen auf eine Mole treffen, werden sie gebrochen. Das Hindernis wirkt wie eine Bremse. Dadurch entstehen aus einer großen gerade laufenden Wellenfront mehrere kleinere Wellen, die andere Richtungen einschlagen. Fast dasselbe passiert mit den Röntgenstrahlen, wenn sie in der Brust auf einen Widerstand wie einen Gewebeknoten treffen.

    "Wenn sie durch die Brust jetzt Röntgenstrahlen bringen, dann werden natürlich diese Wellen, die mit einem gewissen Phasenschwung produziert werden, schon absorbiert. Aber auch die Position von diesem Tal und Berg hat sich verschoben. Was man da misst, ist im Prinzip eine leichte Kippung, eine Änderung dieses Einfallswinkels, die ganz klein ist, aber immer noch messbar ist",

    erklärt Stampanoni. Diese Änderung nennt man Phasenkontrast. Dem Physiker ist es jetzt erstmals gelungen, den Phasenkontrast der Röntgenstrahlung auch für Untersuchungen von Brustgewebe zu nutzen. Dafür haben sie sogenannte frische Mastektomiepräparate verwendet, also Brüste, die Patientinnen mit Brustkrebs abgenommen werden mussten.

    "Man kann den Tumor, wenn ein Tumor da ist, besser abgrenzen, man kann kleine Tumoren besser visualisieren, und diese zusätzlichen Informationen hat man eigentlich in einem einzigen Bild zusammengefasst, so dass die diagnostischen Prozesse extrem vereinfacht werden."

    Das neue Verfahren ist so empfindlich, dass alle Strukturen viel detaillierter zu sehen sind als bei einer normalen Mammografie. So sieht man den Knoten auf einem Bild als unregelmässig runden Fleck mit einzelnen zackenartigen Ausstülpungen. Diese Ausläufer ragen wie kleine Spinnenfinger in die Umgebung hinein. Auf einem andern Bild, das Stampanoni bunt eingefärbt hat, erkennt man deutlich in verschiedenen Farben die einzelnen Hautschichten und wie der Tumor ganz breit in die unterste Schicht eingewachsen ist. Auch Narbengewebe zeichnet sich ab. Mit solchen genauen Bildern könnten Ärzte in Zukunft viel besser sagen, wie stark sich ein Tumor ausgebreitet hat – und ob eine Brust vollständig oder nur teilweise entfernt werden muss.

    "Das Ziel ist, dass man ein Mammografie-Gerät mit Phasenkontrasteigenschaften entwickelt, welches maximal die gleiche Strahlenbelastung hat wie das herkömmliche, aber natürlich mit einem viel besseren diagnostischen Inhalt. Das heisst, am Ende kann der Arzt im Prinzip noch entscheiden, will ich jetzt die gleiche Strahlenbelastung, um noch mehr diagnostischen Inhalt zu bekommen, oder kann ich natürlich ein bisschen weniger Dosis reinbringen und trotzdem eine bessere Diagnose bringen."

    Mit der Firma Philips arbeiten die Forscher derzeit daran, ein normales Mammografie-Gerät so umzubauen, dass das neue Messverfahren alltagstauglich wird. Dann könnte man es zur Kontrolle bei Brust-Patientinnen und in Zukunft auch zum Screening verwenden.