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Die mediale Seite des Glaubens

"Medium Religion", so heißt eine neue Ausstellung im Karlsruher ZKM, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Die von Peter Weibel und Boris Groys kuratierte Ausstellung ist nach Ansicht von Christian Gampert ein "absolutes Durcheinander". Dokumentarisches Material und künstlerische Positionen würden nicht ausreichend unterschieden.

Christian Gampert im Gespräch mit Diana Netz |
    Dina Netz: "Medium Religion", so heißt eine neue Ausstellung im Karlsruher ZKM, dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Und dieser Titel, der wirft gleich ein paar Fragen auf, denn Medium ist ja eigentlich ein Mittel der Informationsvermittlung, ein Informationsträger. Das Medium kann aber auch ganz unkommunikationswissenschaftlich einfach der Stoff sein zwischen Körpern. Danach wäre dann Religion schlicht die Verbindung zwischen Menschen. Jetzt haben wir viel herumgerätselt, klarer wird es nur, wenn wir uns von Christian Gampert aufklären lassen. Er hat die Ausstellung "Medium Religion" im ZKM gesehen. Kuratiert ist sie von Peter Weibel und Boris Groys. Frage an Christian Gampert, was ist das Konzept von "Medium Religion"?

    Christian Gampert: Wenn ich das wüsste, wäre ich glücklicher. Peter Weibel und Boris Groys, das sind die beiden Kuratoren der Ausstellung, machen ja nichts, ohne wenigstens einen theoretischen Schleier drüberzustülpen. Und die Pressekonferenz war wieder ein denkwürdiges Ereignis, weil da einfach die Theorie verbraten wurde, Religion an sich ist ein Verkündigungsmedium. Das hatten wir alles noch nicht geahnt. Auch in dem rituellen und in der gebetsmühlenartigen Wiederholung sehen die beiden eine Gemeinsamkeit mit der heutigen Mediengemeinschaft. Und Peter Weibel war es dann, der sagte, die heutige Massenmedien müsse man als Gottesdienste betrachten. Das ahnten wir alles schon, aber jetzt wissen wir es noch genauer. Die Frage ist nur, was bedeutet das denn nun alles für die Ausstellung, die die beiden so nebenbei ja nun auch kuratieren wollten.

    Netz: Ja genau, Herr Gampert, wenn man das genau nimmt, gibt es ja in vielen Religionen ein Bilderverbot. Eigentlich kann man gar nicht ausstellen.

    Gampert: Na ja, dann sagt Peter Weibel wieder, am Anfang war das Wort und auch das Wort ist auch Medium. Und die Religionen verbieten zwar das Bild, du sollst dir kein Bild machen, aber sie umgehen es dann natürlich, das Bilderverbot fällt. In der katholischen Kirche ist das Bild ja als Instruktionsmittel ganz beliebt, sogar im Islam ist es ja so, dass zwar die Produktion der Bilder verboten ist, aber nicht deren Benutzung und Verbreitung. Und die Ausstellung, die die beiden kuratiert haben, Boris Groys und Peter Weibel, ist ein absolutes Durcheinander, muss ich sagen, weil nicht unterschieden wird zwischen dokumentierendem Material und den künstlerischen Positionen, die dort dargeboten werden und die zum großen Teil eben von Künstlern stammen, die aus dem ZKM-Dunstkreis stammen. Keine Malerei, sondern Videokunst, zur Not noch Plastik, so ein Zwillingsjesus oder so was, aber in der Hauptsache will man doch der Videokunst die Stange halten.

    Netz: Und auf der anderen Seite dokumentarisches Material, sagen Sie. Was ist denn das?

    Gampert: Ja nun, man will sich schon mit religiöser Propaganda auch beschäftigen. Man kann aber eigentlich nur Dinge vorzeigen, die bekannt sind. Man sieht US-Fernsehprediger, man sieht den netten Opa Osama bin Laden vor seiner Höhle, wie er eine Botschaft an das Volk richtet. Man sieh Tom Cruise von Scientology. Dann haben wir noch künstlerische Positionen, die zur Religion und auch zu dem fundamentalistischen Anspruch der Religion natürlich ein ganz anderes Verhältnis entwickeln, nämlich ein ironisches, sarkastisches, oft auch blasphemisches. Da sieht man zum Beispiel eine Arbeit von Alexander Kosolapov, der eine Coca-Cola-Reklame verfremdet mit einem Jesusbild und darunter schreibt "This Is My Blood". Man sieht eine Arbeit von Christoph Büchel, der tausend Exemplare von "Mein Kampf" auf Arabisch ausgelegt hat und dazu feststellt, dass "Mein Kampf" ein absoluter Bestseller in der arabischen Welt ist. Ja, die etwas seriöseren Arbeiten versuchen eben dann auch, Religionen zu analysieren, Romuald Karmakar zum Beispiel, der Hasspredigten von Imamen auseinandernimmt.

    Netz: Sie haben gerade schon gesagt, das dokumentarische Material und die künstlerischen Positionen stehen so ein bisschen unverbunden nebeneinander. Kann man denn wenigstens einen inhaltlichen roten Faden entdecken, irgendeine These, irgendetwas, was diese Arbeiten alle miteinander verbindet?

    Gampert: Nein. Die These ist ganz diffus. Die These heißt einfach, Religion ist ein Medium, was schon in der Überschrift steht. Das heißt aber nicht dass es nicht auch wirklich interessante Arbeiten in dieser Ausstellung zu sehen sind. Ich will jetzt nicht nur vom Leder ziehen, es gibt schon auch was, was sich lohnt näher anzuschauen. Ich denke da an eine dokumentarische Arbeit, die versucht nachzuvollziehen, wie der Künstler Gregor Schneider versucht an mehreren Plätzen dieser Welt eine schwarze Kaaba, ein Würfel, der ja das Heiligtum in der Moschee von Mekka ist, nachzubilden und aufzustellen an verschiedenen Plätzen. Und wie das immer präventiv verhindert wird, ohne dass sich wirklich islamischer Protest vorher schon erhoben hätte, wie der Westen in vorauseilendem Gehorsam schon den Schwanz einzieht. Das ist ganz interessant zu beobachten. Das wird dort dokumentiert.

    Netz: In der Ausstellung "Medium Religion" im Karlsruher ZKM. Christian Gampert berichtete von dort.