Die Schweizer Fotografin Henriette Grindat ist zu ihren Lebzeiten eher unbekannt geblieben - was auch daran lag, dass in den 1950iger und 60iger Jahren Frauen in der Kunstfotografie nicht wirklich erwünscht waren. Die 1923 geborene Grindat hatte es zusätzlich schwer, weil sie als 13jährige an Kinderlähmung erkrankte und davon gezeichnet blieb. Das Reisen fiel ihr nicht leicht, doch ihr Werk ist ein einziges großes Unterwegssein - hin zum Mittelmeer, zum Licht, zu den Schatten, den Steinen, dem Wasser.
Grindats Frühwerk ist experimentell: Die Ausstellung zeigt surreal anmutende Fotogramme, Montagen, Mehrfachbelichtungen; man sieht Puppen und Tiere, Bäume in der Nacht, verschrammte Selbstportraits. Aber bald erweist sich die Landschaft als das wahre Thema. Das hat viel mit René Char und Albert Camus zu tun, die Grindat Ende der 1940iger Jahre in Paris kennenlernte. Grindats radikaler poetischer Subjektivismus gefiel Camus, der selber in den armen, kargen, sonnendurchfluteten Küsten-Landschaften seiner algerischen Heimat ja philosophische Bilder sah, Gleichnisse für die menschliche Existenz.
Von diesem literarischen Impetus leben auch Grindats Fotografien. 1951 erkundete sie zunächst in der südfranzösischen Vaucluse ausgetrocknete Flussläufe und Felsformationen; Camus schrieb die Texte dazu. Das sind bis ins Detail durchdachte wenige Bilder, die erst sehr viel später in kleiner Auflage als Buch herauskamen. 1952 geht es erstmals nach Algerien, und hier gibt es nur noch die (damals) leere Bühne der Küste: kleine Menschlein vor glitzerndem Sand und spiegelndem Wasser, das weite Meer, der fahle Himmel, Berge, Ruinen und Pflanzen. Die Kuratorin Sylvie Henguely:
- "Sie war nah an den Texten von Camus und hat sich von der Härte des Lichts in Algerien sehr beeinflussen lassen - und sie produzierte eine Serie von Bildern in Tipasa, ein Ort, den Camus sehr häufig besucht hat und wo er das Zusammenkommen von Mensch und Natur zelebrierte."
Das ehemals römische Tipasa, von Camus in der "Hochzeit von Tipasa" als magischer Ort beschrieben, ist aber nur eine Station auf Grindats Reisen, die bis weit in die 1960iger Jahre nach Venedig, Spanien, Ägypten und in den Sudan führen. Obwohl viele dieser Aufnahmen in Zeitschriften erschienen, ist das keine Reportage-Fotografie, sondern sorgsam komponierte, lakonische Inszenierung des Vorgefundenen. Die Menschen sind nur Statisten, es regieren der Stein, der Sand, das gleißende Licht, das ewige Meer; in Venedig natürlich auch die porösen Fassaden, die Morbidität, die Hinterhöfe, die sich in trüben Pfützen spiegeln.
Die adäquate Sprache für diese Sujets ist Schwarz-Weiß, und manche dieser Venedig-Bilder sind unfassbar perfekt geschnitten: die diagonal durchs Bild laufende Treppe, die blinden Scheiben in einem Rokoko-Salon, ein Efeu-überwuchertes Haus, wo man die Feuchtigkeit quasi riechen kann. Das aufgeraute Wasser der Kanäle wirkt hart wie eine Autokarosserie - so fotografiert heute Roni Horn. Die Brückenbilder, allesamt Spiegelungen auf der Wasseroberfläche, ziehen uns in eine verfließende, fragwürdig gewordene Realität.
Mit der Zeit werden Grindats Bilder graphischer und abstrakter, was vielleicht auch der Dürre in Spanien und Ägypten geschuldet ist: Es ist die Hitze, die diese Bilder ausmergelt, ausbeint, aufs Wesentliche beschränkt. Im Sudan springt die Erde vor Trockenheit auf, in Spanien schauen zwei Fenster in einer glatten Hauswand aus wie Augenhöhlen. In ägyptischen Luxor dagegen schlägt das schmutzige, morastige Wasser des Nil an Land, der Dreck, die Schlacke der Menschheit.
1986 hat sich Henriette Grindat in Lausanne das Leben genommen -die
Fotostiftung Schweiz feiert sie nun mit einer fein strukturierten Ausstellung. Grindats Sand- und Gesteinsformationen wirken in der Nahsicht wie Mondlandschaften. Bei manchen dieser Fotos glaubt man nicht mehr daran, dass die Erde ein bewohnbarer Planet ist; und trotzdem sind diese Bilder von kristalliner Schönheit.
Grindats Frühwerk ist experimentell: Die Ausstellung zeigt surreal anmutende Fotogramme, Montagen, Mehrfachbelichtungen; man sieht Puppen und Tiere, Bäume in der Nacht, verschrammte Selbstportraits. Aber bald erweist sich die Landschaft als das wahre Thema. Das hat viel mit René Char und Albert Camus zu tun, die Grindat Ende der 1940iger Jahre in Paris kennenlernte. Grindats radikaler poetischer Subjektivismus gefiel Camus, der selber in den armen, kargen, sonnendurchfluteten Küsten-Landschaften seiner algerischen Heimat ja philosophische Bilder sah, Gleichnisse für die menschliche Existenz.
Von diesem literarischen Impetus leben auch Grindats Fotografien. 1951 erkundete sie zunächst in der südfranzösischen Vaucluse ausgetrocknete Flussläufe und Felsformationen; Camus schrieb die Texte dazu. Das sind bis ins Detail durchdachte wenige Bilder, die erst sehr viel später in kleiner Auflage als Buch herauskamen. 1952 geht es erstmals nach Algerien, und hier gibt es nur noch die (damals) leere Bühne der Küste: kleine Menschlein vor glitzerndem Sand und spiegelndem Wasser, das weite Meer, der fahle Himmel, Berge, Ruinen und Pflanzen. Die Kuratorin Sylvie Henguely:
- "Sie war nah an den Texten von Camus und hat sich von der Härte des Lichts in Algerien sehr beeinflussen lassen - und sie produzierte eine Serie von Bildern in Tipasa, ein Ort, den Camus sehr häufig besucht hat und wo er das Zusammenkommen von Mensch und Natur zelebrierte."
Das ehemals römische Tipasa, von Camus in der "Hochzeit von Tipasa" als magischer Ort beschrieben, ist aber nur eine Station auf Grindats Reisen, die bis weit in die 1960iger Jahre nach Venedig, Spanien, Ägypten und in den Sudan führen. Obwohl viele dieser Aufnahmen in Zeitschriften erschienen, ist das keine Reportage-Fotografie, sondern sorgsam komponierte, lakonische Inszenierung des Vorgefundenen. Die Menschen sind nur Statisten, es regieren der Stein, der Sand, das gleißende Licht, das ewige Meer; in Venedig natürlich auch die porösen Fassaden, die Morbidität, die Hinterhöfe, die sich in trüben Pfützen spiegeln.
Die adäquate Sprache für diese Sujets ist Schwarz-Weiß, und manche dieser Venedig-Bilder sind unfassbar perfekt geschnitten: die diagonal durchs Bild laufende Treppe, die blinden Scheiben in einem Rokoko-Salon, ein Efeu-überwuchertes Haus, wo man die Feuchtigkeit quasi riechen kann. Das aufgeraute Wasser der Kanäle wirkt hart wie eine Autokarosserie - so fotografiert heute Roni Horn. Die Brückenbilder, allesamt Spiegelungen auf der Wasseroberfläche, ziehen uns in eine verfließende, fragwürdig gewordene Realität.
Mit der Zeit werden Grindats Bilder graphischer und abstrakter, was vielleicht auch der Dürre in Spanien und Ägypten geschuldet ist: Es ist die Hitze, die diese Bilder ausmergelt, ausbeint, aufs Wesentliche beschränkt. Im Sudan springt die Erde vor Trockenheit auf, in Spanien schauen zwei Fenster in einer glatten Hauswand aus wie Augenhöhlen. In ägyptischen Luxor dagegen schlägt das schmutzige, morastige Wasser des Nil an Land, der Dreck, die Schlacke der Menschheit.
1986 hat sich Henriette Grindat in Lausanne das Leben genommen -die
Fotostiftung Schweiz feiert sie nun mit einer fein strukturierten Ausstellung. Grindats Sand- und Gesteinsformationen wirken in der Nahsicht wie Mondlandschaften. Bei manchen dieser Fotos glaubt man nicht mehr daran, dass die Erde ein bewohnbarer Planet ist; und trotzdem sind diese Bilder von kristalliner Schönheit.