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Die Mikrotransporter

So wie Bakterien in Kläranlagen bei der Abwasserreinigung helfen, sollen sie auch einmal Schadstoffe aus verseuchten Böden beseitigen. Beim Einsatz in freier Natur warten aber neue Hindernisse auf die Reinigungsbakterien. Um die zu überwinden, setzen Leipziger Wissenschaftler auf die Hilfe von Pilzen.

Von Manuel Waltz | 14.11.2012
    Auf dem Gelände einer ehemaligen Waffenfabrik in Leipzig befindet sich der Hauptsitz des UFZ, des Umweltforschungszentrums der Helmholzgemeinschaft. Hier, wo früher gefährliche und tödliche Stoffe hergestellt wurden, arbeiten Wissenschaftler wie Lukas Wick heute daran, wie diese unschädlich gemacht werden können. Dafür nutzt der Forscher verschiedene Arten von Bakterien, die im Boden Schadstoffe abbauen, bisher aber noch nicht effektiv genug.

    "Die Bakterien kommen nicht an die Chemikalien ran oder die Chemikalien kommen nicht in genügend großer Menge pro Zeit zu den Bakterien hin. Das heißt, sie haben eine physikalische Barriere."

    Der Wissenschaftler befasst sich vor allem mit PAKs, mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, die teilweise sehr giftig und krebserregend sind. Sie entstehen, wenn etwas verbrannt wird, und verteilen sich mit den Abgasen in der Umwelt. Meist finden sie sich nur in sehr geringer Konzentration, die Böden von Flughäfen oder um Kraftwerke herum können allerdings schwer verseucht sein. Während PAKs für den Menschen giftig sind, dienen sie einigen Bakterien als Nahrung. Sie bauen die gefährlichen Stoffe ab, werden dabei aber immer wieder von Luftblasen im Boden aufgehalten, durch die sie nicht hindurch wandern können. Lukas Wick hat nun untersucht, wie Pilze den Bakterien helfen könnten, die Luftbarrieren zu überwinden. Denn Pilze durchwachsen den Boden großflächig - auch durch Hindernisse hindurch, die für Bakterien undurchdringlich sind. Dabei hat er entdeckt,

    "dass Bakterien im Prinzip auf die Pilze aufspringen können, wenn man so will und entlang dieses Pilzgeflechtes sich wo auch immer im Boden bewegen können, unabhängig ob Luft da ist oder nicht."

    In der Folge haben die Leipziger Wissenschaftler sich genauer mit diesem Zusammenspiel von Pilzen und Bakterien beschäftigt. Gerade das großflächige Geflecht der Pilze im Boden kann für Bakterien äußerst nützlich sein.

    "Wir haben festgestellt, dass Bakterien nicht nur die Autobahnen verwenden, die Pilzautobahnen, sondern dass sie auf diesen Autobahnen navigieren."

    Im Labor-Versuch gaben die Forscher den Bakterien zwei Möglichkeiten, einen Pilz entlangzuwandern, links waren PAKs - ihre Nahrung - und rechts waren keine. Der Großteil von ihnen wanderte nach links und zersetzte die Schadstoffe. Bakterien sind winzige Einzeller, Pilze aber sind mit ihrem weitläufigen Geflecht die größten Lebewesen der Erde. Ihre Hyphen, wie die Arme des Geflechts heißen, können riesige, mehrere Hektar große Flächen durchwachsen und Wasser und Nährstoffe transportieren. Lukas Wick wollte nun untersuchen, ob sie das auch mit den PAK-Schadstoffen können.

    "Und wir haben festgestellt, dass diese Schadstoffe passiv in den Pilzschlauch hinein diffundieren, da mit Vakuolen im Inneren des Pilzes sich assoziieren und dann im Prinzip mit dem pilzlichen Blutstrom durch das Pilznetzwerk gepumpt werden. Bis 300 Mal schneller, als man das durch chemische Diffusion erwarten würde."

    Warum der Pilz die Schadstoffe in seinen Körper aufnimmt, wissen die Forscher nicht, sie schaden ihm aber auch nicht. Fest steht jedenfalls, dass Pilze als vielseitig einsetzbares Transportvehikel dienen können: Zum einen bringen sie die Bakterien zu den Schadstoffen und sie können Schadstoffe von einem Ort zu einem anderen transportieren, genauso wie sie es mit den Nährstoffen machen. Lukas Wick wollte schließlich noch herausfinden, ob sich die Bakterien von den Pilzen mit Nahrung in diesem Fall den PAKs versorgen lassen.

    "Und wir haben sogenannte Bioreporter-Bakterien verwendet, das sind Bakterien, die, wenn sie einen Schadstoff abbauen, exprimieren sie ein Protein, das fluoresziert. Und unter fluoreszierendem Licht konnte man plötzlich sehen, dass die Bakterien zu leuchten beginnen. Und die Bakterien leuchten aber nur, wenn sie genau den spezifischen Schadstoff abbauen."

    Die Leipziger Wissenschaftler sind nun zu einem Feldversuch übergegangen. Denn Ziel der Forschung ist es, verunreinigte Böden mit geringem Aufwand, kostengünstig und unter Einsatz von möglichst wenig Energie und Wasser von den giftigen und krebserregenden Schadstoffen zu reinigen. Lukas Wick und seine Kollegen untersuchen nun auf einem alten PAK-verseuchten Militärflughafen bei Berlin das Zusammenspiel von Bakterien und Pilzen in der Umwelt.