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Die Milchstraße schlägt Blasen

Astronomie.- In Boston hat die Sommertagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft begonnen. Bis Donnerstag diskutieren dort mehr als 2000 Experten die neuesten Erkenntnisse der Himmelsforschung. Heute Vormittag ging es um überraschende Entdeckungen in unserer Milchstraße.

Von Dirk Lorenzen |
    Meng Su analysiert Weitwinkelaufnahmen des NASA-Satelliten Fermi, der den Himmel im Bereich der hochenergetischen Gammastrahlung beobachtet. Dabei machten der Doktorand am Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in Cambridge, im US-Bundesstaat Massachusetts, und seine Kollegen eine erstaunliche Entdeckung:

    Man habe zwei Blasen gefunden, ober- und unterhalb des Zentrums unserer Milchstraße.

    Die Blasen, so erläutert Meng Su, haben jeweils Ausmaße von etwa 25.000 Lichtjahren, was schon ziemlich groß sei. Die Astronomen staunen, dass eine so gewaltige Struktur, deren Dimension fast dem Abstand unserer Sonne vom Milchstraßenzentrum entspricht, bisher unentdeckt geblieben ist. Doch erst der Fermi-Satellit hatte geeignete Instrumente an Bord, um diese gewaltigen Blasen energiereicher Strahlung zu erfassen.

    "Wir vermuten, dass die Blasen entstanden sind, als das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße mal ein "Bäuerchen" gemacht. Das Schwarze Loch hatte wohl große Gasmengen oder sogar ganze Sternhaufen verschluckt und dabei viel energiereiche Strahlung ins All gepustet. Das alles hat sich erst vor wenigen Millionen Jahren abgespielt – und die Aktivität im Zentrum der Milchstraße war sehr kurz. Sie dauerte womöglich nur einige tausend Jahre an."

    Im Zentrum der Milchstraße spielten sich dramatische Prozesse ab, die auf der astronomischen Zeitskala kaum mehr als ein Strohfeuer waren. Doch bis heute laufen Schockwellen aus energiereichen Teilchen nach oben und unten aus der Ebene der Milchstraße heraus und lassen so diese riesigen Blasen aus Gammastrahlung glühen. Bei anderen Galaxien haben Meng Su und seine Kollegen in aller Welt schon häufiger Materieströme oder Gasblasen entdeckt, die vom Zentrum aus weit in den umgebenden Weltraum reichen.

    "Aber man hat nicht geglaubt, dass es so etwas auch bei unserer Milchstraße gibt. Denn das Schwarze Loch bei uns im Zentrum hat eine recht geringe Masse. Es ist nur etwa vier Millionen mal schwerer als die Sonne. Verglichen mit anderen Galaxien ist das sehr wenig. Zudem hungert das Schwarze Loch derzeit, es verschlingt kaum Materie. Die Blasen aus Gammastrahlung sind der erste klare Hinweis darauf, dass das Zentrum unserer Galaxis vor recht kurzer Zeit sehr aktiv gewesen ist."

    Um die jetzt entdeckten Blasen entstehen zu lassen, war sehr viel Energie nötig. Die einzige Alternative zum, wie Meng Su es nennt, "Bäuerchen" des Schwarzen Lochs wäre die fast gleichzeitige Explosion von Zehntausenden von Supernovae. Aber das erscheint äußerst unwahrscheinlich. Neue Beobachtungen in anderen Wellenlängenbereichen sollen nun helfen, die Entstehung der Gasblasen genau zu klären.

    "Im September untersuchen wir die Blasen mit dem europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton. Weil das Blickfeld des Satelliten recht klein ist, blicken wir nur auf den Rand der Blasen. Ein sehr scharfer Rand spräche dafür, dass die Blasen durch eine gewaltige Schockwelle entstanden sind. Als Ursache käme dann nur ein Aufstoßen des Schwarzen Lochs in Frage. Sollte der Rand dagegen eher unscharf und fließend aussehen, so müsste eine ganze Reihe von Ereignissen die Blasen ins All gepustet haben."

    Was auch immer dort geschehen ist: Während das Galaktische Zentrum heute ein eher langweiliger Ort zu sein scheint, war es vor einigen Millionen Jahren kurzzeitig sehr aktiv. Die Spuren dieses Feuerwerks leuchten noch immer als gewaltige Gasblasen am Himmel.