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Die Minderheiten-Lücke

Die Studie "Graduation Rate Watch" hat einen deutlichen Unterschied in den Absolventenquoten von weißen und afroamerikanischen Studierenden in den USA ausgemacht. Viele Eltern aus farbigen Familien können ihre Kinder auf der Hochschule weder finanziell noch beratend unterstützen, weil sie selbst nie ein College besucht haben.

Von Arndt Reuning |
    Die Studie "Graduation Rate Watch" hat einen deutlichen Unterschied in den Absolventenquoten von weißen und afroamerikanischen Studierenden in den USA ausgemacht. Viele Eltern aus farbigen Familien können ihre Kinder auf der Hochschule weder finanziell noch mental unterstützen, weil sie selbst nie ein College besucht haben.

    Die Misere beginnt nicht erst auf der Universität oder dem College, glaubt Dr. Kevin Carey von der Denkfabrik Education Sector. Eine typische Abbrecher-Karriere nehme schon in den Jahren zuvor ihren Anfang – auf der Highschool. Besonders schlecht sehe es an den öffentlichen Einrichtungen aus, sagt der Analyst aus Washington DC:

    " Die große, große Mehrheit der Schüler von der Highschool geht auch aufs College. Um die 70 Prozent der Abgänger besuchen anschließend ein zwei- oder vierjähriges College. Unglücklicherweise versäumen es die meisten Highschools, die Schüler darauf vorzubereiten, wie sie dort bestehen können. Die Schüler bekommen zwar eine Abschluss-Urkunde, aber ihre Lese- und Rechenfähigkeiten sind mangelhaft. Sie kommen dann an die Hochschule und haben dort Schwierigkeiten. Der Erfolg bleibt aus, und sie brechen ab. Das ist eines der großen Probleme. "

    Und weil besonders viele Afroamerikaner jene öffentlichen Highschools besuchen, wechseln sie dann nach ihrem Abschluss auch mit einem größeren Defizit an die Universität oder das College. Kein Wunder also, dass – prozentual gesehen – viel mehr weiße Studierende in angemessener Zeit ihren Abschluss an der Universität schaffen.

    Kevin Carey hat nun Zahlen vorgelegt, in seiner Studie "Graduation Rate Watch". Im Durchschnitt erreichen 70 Prozent der weißen Studierenden nach sechs Jahren ihren Abschluss, bei den Afroamerikanern sind es bloß 50 Prozent. Nicht nur eine mangelhafte Ausbildung auf der Highschool ist dafür verantwortlich. Viele Eltern aus farbigen Familien können ihre Kinder auf der Hochschule weder finanziell unterstützen noch mit ihrem Erfahrungsschatz, weil sie selbst oft kein College besucht haben. Aber auch die Lehranstalten selbst vernachlässigen das Problem meistens.

    " Die Universitäten mit einer großen Lücke bei den Abschlussquoten unterstützen ihre Studierenden nicht ausreichend. Studierende von einer schlechten Highschool bekommen keine Aufmerksamkeit und Förderung. Die Universitäten öffnen ihre Tore und sagen: ‚Kommt zu uns, wenn ihr wollt. Falls ihr erfolgreich seid, ist das gut. Wenn nicht, dann ist das nicht unserer Schuld.’ "

    Aber der Report von Education Sector hat auch einige Hochschulen finden können, die entgegen dem Trend annähernd gleiche Abschlussquoten von weißen und afroamerikanischen Studierenden vorweisen können. Zum einen sind das Eliteuniversitäten wie Yale, Harvard oder Cornell – wegen ihres harten Auswahlverfahrens. Denn egal ob schwarz oder weiß: Nur wer sowieso schon die besten Aussichten auf ein erfolgreiches Studium hat, wird dort überhaupt aufgenommen. Aber auch einige weniger privilegierte Universitäten konnte ihre Lücke schließen. Zum Beispiel die Florida State University in Tallahassee. Dort gibt es ein Zentrum, das sich speziell um Studierende kümmert, die aus Familien mit geringem Einkommen stammen, in denen die Eltern keine Hochschule besucht haben. Die Mehrheit davon sind Afroamerikaner. Dr. William E. Hudson Jr., stellvertretender Direktor am Center for Academic Retention and Enhancement, kurz CARE:

    " Die Studierenden erhalten in jeder Hinsicht Hilfe: akademisch, finanziell und sozial. So dass wir ihnen ein komplettes Bild vom Universitätsleben vermitteln können. Damit sie die verschiedenen Möglichkeiten kennen lernen, wie sie sich am College engagieren können und Erfolg haben können. "

    Dazu gehören Vorbereitungskurse schon während der Highschool-Zeit. Damit die angehenden Studierenden zum Beispiel ihre Bewerbungstermine nicht verpassen und den Aufnahmetest schaffen. Im Sommer, bevor das erste Studienjahr beginnt, erhalten sie eine spezielle Einführung in das Campusleben. Manche der Erstsemester können an zusätzlichen Mathematik-Kursen neben ihren regulären Mathe-Seminaren teilnehmen, denn gerade daran scheitern viele von ihnen. Während des Studiums werden die Leistungen der Studierenden regelmäßig kontrolliert. Sinkt ihr Notenschnitt, erhalten sie Zusatzunterricht. Offenbar mit großem Erfolg: Seit Beginn des Programms sind die Absolventenquoten der Afroamerikaner kontinuierlich gestiegen und liegen nun sogar leicht über den Zahlen ihrer weißen Kommilitonen.