Sandra Schulz: Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit dem früheren BMW-Chefvolkswirt Helmut Becker. Er leitet das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation. Guten Morgen!
Helmut Becker: Guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Es gibt jetzt ja eine neue Ausgangslage. Können die Mitarbeiter zumindest vorläufig aufatmen?
Becker: Ja. Die Mitarbeiter können in jedem Fall aufatmen, denn jetzt haben wir immerhin zwei gleichwertige Bieter, wenn man so will, aus der Sicht jedenfalls von GM. Das heißt, das kommt den Mitarbeitern nur zugute. Wettbewerb ist immer sehr nützlich.
Schulz: Aber ruhen die Hoffnungen der Gewerkschaften und der Mitarbeiter denn zurecht auf Magna?
Becker: Das ist eine sehr schwierige Frage, muss ich sagen, denn man muss auf der anderen Seite auch die Position von GM neu erkennen. So wie sich das in der jetzigen Situation darstellt, kann GM ohne Opel auf die Dauer überhaupt nicht existieren. Das heißt, Opel kann zwar ohne GM, aber GM nicht ohne Opel, und ich finde, die deutsche Politik muss auf diese Belange von GM Rücksicht nehmen, denn hinter GM neu steht ja bekanntlich der amerikanische und der kanadische Staat. Das heißt, GM neu ist ja ein Staatsunternehmen. Hier geht es also um sehr hohe Politik.
Schulz: Und der GM-Verwaltungsrat muss jetzt auch eine Empfehlung abgeben. Womit rechnen Sie da?
Becker: Der GM-Verwaltungsrat wird sich für RHJ entscheiden. Das ist für mich ziemlich klar. Aus der Ausgangssituation heraus, dass GM neu auf Opel nicht verzichten kann, kann man eigentlich dem Verwaltungsrat nur unterstellen, dass er eben diese Lösung auch bevorzugt.
Schulz: Dann hat die Opel-Treuhand noch ein Vetorecht. Da sind dann auch Vertreter von Bund und Ländern drin. Kann es sein, dass man sich dann überhaupt nicht einigt?
Becker: Das kann durchaus sein, denn auch bis jetzt, bevor Magna ein äquivalentes Angebot zu RHJ vorgelegt hat, war ja schon in der Treuhand ersichtlich, dass die Treuhand eigentlich nicht für Magna ist, sondern eigentlich für das Angebot von RHJ. Das heißt, hier sind nach wie vor Dissensen und von einer Einigung kann noch überhaupt keine Rede sein.
Schulz: Und das liefe dann heraus auf eine Entscheidung auf politischer Ebene?
Becker: Das läuft meines Erachtens auf eine Entscheidung auf politischer Ebene hinaus, weil ja nun auch der russische Staat über die Share-Bank und Gaz da mit involviert sind; das ist ja der Partner auf der Magna-Seite. Infolgedessen steht die Bundesregierung oder die Frau Merkel nun zwischen allen Fronten. Sie muss sich mit irgendeinem festlegen und bei irgendeinem entscheiden, und ich glaube nicht, dass das vor der Wahl noch der Fall sein wird. Das heißt, die Hängepartie, die wir jetzt schon seit fast einem Jahr haben, wird vorerst vermutlich noch weitergehen.
Schulz: Wäre das nicht auch eine Gelegenheit für Wahlkämpfer, erfolgreiches Durchgreifen zu präsentieren?
Becker: Ja nun, aber wie? Erfolgreiches Durchgreifen kann man sicherlich versuchen zu präsentieren und sich dem Volk entsprechend als starker Mann darzustellen, aber man hat keine Eingriffsmöglichkeiten. Fakt ist: Opel gehört nach wie vor GM und ohne GM geht da gar nichts. Infolgedessen kann auch ein deutscher Wahlkämpfer oder ein deutscher Politiker zwar das Blaue vom Himmel versprechen, aber er kann es nicht einhalten.
Schulz: Was geht und was ja auch gemacht wird, das sind ja die Staatsbürgschaften. Die werden jetzt ihrerseits anlässlich dieses neuen Verhandlungsstandes noch mal kritisiert, zum Beispiel von Bernd Mattes, dem Deutschlandchef von Ford, als Wettbewerbsverzerrung. Zurecht?
Becker: Ja nun, natürlich ist das eine Wettbewerbsverzerrung, aber so wie jede staatliche Maßnahme. Ich bin Wirtschaftspolitiker, von meiner Auslegung her Volkswirt. Jede staatliche Maßnahme, die irgendeinen bevorzugt, benachteiligt irgendeinen anderen. Das bleibt gar nicht aus. Infolgedessen ist natürlich Ford in dieser Situation extrem benachteiligt, denn Ford muss sich am Markt bewähren, Ford muss wettbewerbsfähig sein auch gegenüber Opel, und eine Begünstigung von Opel schwächt natürlich indirekt Ford, im Übrigen genauso wie Volkswagen auch. Wir haben ja noch einen anderen Hersteller, der bisher aber still gehalten hat, muss man fairerweise sagen, und in das Verfahren hier nicht weiter eingegriffen hat. Aber im Grunde genommen sind alle anderen Wettbewerber am Markt durch die Förderung von Opel natürlich benachteiligt.
Schulz: Wenn wir noch auf die andere wichtige Entscheidung von gestern blicken, bei der ja auch die Politik ordentlich ihre Finger im Spiel hat: der Machtkampf zwischen Porsche und VW ist nun endgültig beigelegt. Die beiden Aufsichtsräte haben der Fusion zugestimmt. Jetzt noch mal die Frage: eine gute Nachricht für die Mitarbeiter?
Becker: Ja, in jedem Fall. In jedem Fall eine gute Nachricht für die Mitarbeiter, denn auch Porsche als Einzelunternehmen in dieser jetzigen Marktsituation, die wir erlebt haben, wo die Märkte um 20, 30 Prozent einbrechen, ist zu klein, um auf Dauer auch als Premium- oder als Nobelmarke Porsche überleben zu können. In einem Großkonzern wie dem Volkswagen-Konzern mit sechs Millionen Einheiten Autos, da hat man eine Überlebenschance, da ist man nicht für sich gefordert, sondern man kann die Hilfe und die Bereitstellung von Ressourcen des Mutterkonzerns in allen Belangen nutzen und im Grunde genommen damit seine eigene Position sichern. Die Arbeitsplätze von Porsche sind heute sicherer, als sie, wenn Sie so wollen, vor 14 Tagen oder vor einem halben Jahr gewesen sind.
Schulz: Wir beobachten, wenn wir das in der Gesamtschau sehen, jetzt bei gleich mehreren wichtigen deutschen Autobauern ganz fundamentale Veränderungen. Was steht uns da noch bevor?
Becker: Die Konsolidierung auf diesem Feld ist sicherlich nicht zu Ende und auch eine, wenn Sie so wollen, Verselbstständigung oder "Rettung" von Opel – Rettung von Opel heißt, Opel ist aus sich heraus wettbewerbsfähig, und zwar vor allen Dingen am westeuropäischen Markt, nicht in Russland, am westeuropäischen Markt; da muss sich Opel bewähren -, diese Konsolidierungsphase in dieser Industrie als ganzes ist mit Sicherheit nicht zu Ende. Wir haben zu viele Anbieter und die Märkte wachsen nicht mehr. Das ist seit vielen Jahren bekannt, aber jetzt in der Krise ist das besonders schmerzhaft deutlich geworden. Von daher muss man zu Übereinkommen kommen, wie man entweder die Anzahl der Wettbewerber reduziert – das ist der Wettbewerb; die Marktwirtschaft sorgt dafür von selber -, oder aber indem man über Kooperationen versucht, zu besseren Kostenstrukturen zu kommen und damit den Markt in Zukunft zu bedienen. Ein "weiter so" wie bisher wird es nicht geben.
Schulz: Der Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation, Helmut Becker, heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!
Becker: Frau Schulz, herzlichen Dank.
Helmut Becker: Guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Es gibt jetzt ja eine neue Ausgangslage. Können die Mitarbeiter zumindest vorläufig aufatmen?
Becker: Ja. Die Mitarbeiter können in jedem Fall aufatmen, denn jetzt haben wir immerhin zwei gleichwertige Bieter, wenn man so will, aus der Sicht jedenfalls von GM. Das heißt, das kommt den Mitarbeitern nur zugute. Wettbewerb ist immer sehr nützlich.
Schulz: Aber ruhen die Hoffnungen der Gewerkschaften und der Mitarbeiter denn zurecht auf Magna?
Becker: Das ist eine sehr schwierige Frage, muss ich sagen, denn man muss auf der anderen Seite auch die Position von GM neu erkennen. So wie sich das in der jetzigen Situation darstellt, kann GM ohne Opel auf die Dauer überhaupt nicht existieren. Das heißt, Opel kann zwar ohne GM, aber GM nicht ohne Opel, und ich finde, die deutsche Politik muss auf diese Belange von GM Rücksicht nehmen, denn hinter GM neu steht ja bekanntlich der amerikanische und der kanadische Staat. Das heißt, GM neu ist ja ein Staatsunternehmen. Hier geht es also um sehr hohe Politik.
Schulz: Und der GM-Verwaltungsrat muss jetzt auch eine Empfehlung abgeben. Womit rechnen Sie da?
Becker: Der GM-Verwaltungsrat wird sich für RHJ entscheiden. Das ist für mich ziemlich klar. Aus der Ausgangssituation heraus, dass GM neu auf Opel nicht verzichten kann, kann man eigentlich dem Verwaltungsrat nur unterstellen, dass er eben diese Lösung auch bevorzugt.
Schulz: Dann hat die Opel-Treuhand noch ein Vetorecht. Da sind dann auch Vertreter von Bund und Ländern drin. Kann es sein, dass man sich dann überhaupt nicht einigt?
Becker: Das kann durchaus sein, denn auch bis jetzt, bevor Magna ein äquivalentes Angebot zu RHJ vorgelegt hat, war ja schon in der Treuhand ersichtlich, dass die Treuhand eigentlich nicht für Magna ist, sondern eigentlich für das Angebot von RHJ. Das heißt, hier sind nach wie vor Dissensen und von einer Einigung kann noch überhaupt keine Rede sein.
Schulz: Und das liefe dann heraus auf eine Entscheidung auf politischer Ebene?
Becker: Das läuft meines Erachtens auf eine Entscheidung auf politischer Ebene hinaus, weil ja nun auch der russische Staat über die Share-Bank und Gaz da mit involviert sind; das ist ja der Partner auf der Magna-Seite. Infolgedessen steht die Bundesregierung oder die Frau Merkel nun zwischen allen Fronten. Sie muss sich mit irgendeinem festlegen und bei irgendeinem entscheiden, und ich glaube nicht, dass das vor der Wahl noch der Fall sein wird. Das heißt, die Hängepartie, die wir jetzt schon seit fast einem Jahr haben, wird vorerst vermutlich noch weitergehen.
Schulz: Wäre das nicht auch eine Gelegenheit für Wahlkämpfer, erfolgreiches Durchgreifen zu präsentieren?
Becker: Ja nun, aber wie? Erfolgreiches Durchgreifen kann man sicherlich versuchen zu präsentieren und sich dem Volk entsprechend als starker Mann darzustellen, aber man hat keine Eingriffsmöglichkeiten. Fakt ist: Opel gehört nach wie vor GM und ohne GM geht da gar nichts. Infolgedessen kann auch ein deutscher Wahlkämpfer oder ein deutscher Politiker zwar das Blaue vom Himmel versprechen, aber er kann es nicht einhalten.
Schulz: Was geht und was ja auch gemacht wird, das sind ja die Staatsbürgschaften. Die werden jetzt ihrerseits anlässlich dieses neuen Verhandlungsstandes noch mal kritisiert, zum Beispiel von Bernd Mattes, dem Deutschlandchef von Ford, als Wettbewerbsverzerrung. Zurecht?
Becker: Ja nun, natürlich ist das eine Wettbewerbsverzerrung, aber so wie jede staatliche Maßnahme. Ich bin Wirtschaftspolitiker, von meiner Auslegung her Volkswirt. Jede staatliche Maßnahme, die irgendeinen bevorzugt, benachteiligt irgendeinen anderen. Das bleibt gar nicht aus. Infolgedessen ist natürlich Ford in dieser Situation extrem benachteiligt, denn Ford muss sich am Markt bewähren, Ford muss wettbewerbsfähig sein auch gegenüber Opel, und eine Begünstigung von Opel schwächt natürlich indirekt Ford, im Übrigen genauso wie Volkswagen auch. Wir haben ja noch einen anderen Hersteller, der bisher aber still gehalten hat, muss man fairerweise sagen, und in das Verfahren hier nicht weiter eingegriffen hat. Aber im Grunde genommen sind alle anderen Wettbewerber am Markt durch die Förderung von Opel natürlich benachteiligt.
Schulz: Wenn wir noch auf die andere wichtige Entscheidung von gestern blicken, bei der ja auch die Politik ordentlich ihre Finger im Spiel hat: der Machtkampf zwischen Porsche und VW ist nun endgültig beigelegt. Die beiden Aufsichtsräte haben der Fusion zugestimmt. Jetzt noch mal die Frage: eine gute Nachricht für die Mitarbeiter?
Becker: Ja, in jedem Fall. In jedem Fall eine gute Nachricht für die Mitarbeiter, denn auch Porsche als Einzelunternehmen in dieser jetzigen Marktsituation, die wir erlebt haben, wo die Märkte um 20, 30 Prozent einbrechen, ist zu klein, um auf Dauer auch als Premium- oder als Nobelmarke Porsche überleben zu können. In einem Großkonzern wie dem Volkswagen-Konzern mit sechs Millionen Einheiten Autos, da hat man eine Überlebenschance, da ist man nicht für sich gefordert, sondern man kann die Hilfe und die Bereitstellung von Ressourcen des Mutterkonzerns in allen Belangen nutzen und im Grunde genommen damit seine eigene Position sichern. Die Arbeitsplätze von Porsche sind heute sicherer, als sie, wenn Sie so wollen, vor 14 Tagen oder vor einem halben Jahr gewesen sind.
Schulz: Wir beobachten, wenn wir das in der Gesamtschau sehen, jetzt bei gleich mehreren wichtigen deutschen Autobauern ganz fundamentale Veränderungen. Was steht uns da noch bevor?
Becker: Die Konsolidierung auf diesem Feld ist sicherlich nicht zu Ende und auch eine, wenn Sie so wollen, Verselbstständigung oder "Rettung" von Opel – Rettung von Opel heißt, Opel ist aus sich heraus wettbewerbsfähig, und zwar vor allen Dingen am westeuropäischen Markt, nicht in Russland, am westeuropäischen Markt; da muss sich Opel bewähren -, diese Konsolidierungsphase in dieser Industrie als ganzes ist mit Sicherheit nicht zu Ende. Wir haben zu viele Anbieter und die Märkte wachsen nicht mehr. Das ist seit vielen Jahren bekannt, aber jetzt in der Krise ist das besonders schmerzhaft deutlich geworden. Von daher muss man zu Übereinkommen kommen, wie man entweder die Anzahl der Wettbewerber reduziert – das ist der Wettbewerb; die Marktwirtschaft sorgt dafür von selber -, oder aber indem man über Kooperationen versucht, zu besseren Kostenstrukturen zu kommen und damit den Markt in Zukunft zu bedienen. Ein "weiter so" wie bisher wird es nicht geben.
Schulz: Der Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation, Helmut Becker, heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!
Becker: Frau Schulz, herzlichen Dank.
