Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die Monroe beim Dreh

Die Kamera liebte Marilyn Monroe. Doch so sehr sich Simon Curtis auf die Unzuverlässigkeit der Monroe konzentriert und auch ihre Drogenprobleme und psychische Störungen durchscheinen lässt: Die Präsenz der Filmdiva vor der Kamera vermag er nicht abzubilden.

Von Josef Schnelle | 19.04.2012
    Man kann natürlich Britney Spears ein weißes Kleid umhängen, es von einem Gebläse hochwirbeln lassen und behaupten, das sei Marilyn Monroe gewesen. Auch Michelle Williams in diesem Film des britischen TV-Regisseurs Simon Curtis nach den Erlebnissen des dritten Regieassistenten von Sir Laurence Olivier bei seinem Film "Der Prinz uns die Tänzerin" 1956 wirkt manchmal so ratlos wie eine stolze Preisträgerin im Marilyn Monroe-Ähnlichkeitswettbewerb auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten um die Ecke.

    Aber nähert man sich so wirklich dem Vermächtnis einer der wahren Göttinnen des Kinos, die das größte und wichtigste Filmfestival der Welt in diesem Jahr in Cannes 50 Jahre nach ihrem Tod noch stolz mit einem nostalgischen Plakatmotiv feiert?

    Colin Clarks reichlich klischeehaftes und nicht sehr glaubwürdiges Büchlein, auf dem dieser Film basiert, erschien erst vor wenigen Wochen auf Deutsch, doch Hollywood-Produzent Harvey Weinstein hatte sich schon vor einiger Zeit die Rechte daran gesichert. Vorhang auf für eine Skandalgeschichte aus der Zeit, als Marilyn Monroe mit dem amerikanischen Großschriftsteller Arthur Miller liiert war.

    "Du bist wie eine griechische Göttin für mich."

    "Ich bin keine Göttin. Ich will nur wie ein ganz normales Mädchen geliebt werden."

    "Mister Miller liebt dich."

    "Nein ich habe sein Notizbuch gefunden. Er hat die furchtbarsten Dinge über mich gesagt."

    "Schriftsteller kritzeln alles mögliche hin. Das bedeutet gar nichts."

    "Nein, er wollte bestimmt, dass ich´s finde. Er sagt, er wünschte, dass er mich nie geheiratet hätte. Wieso werd ich immer von allen Menschen verlassen, die ich liebe?"

    "Ich werde dich nie verlassen."

    Aus der Zeit der Dreharbeiten zum Film im Film stammt ein berühmtes Porträtfoto, das Marilyn zeigt, wie sie in einem dicken Buch schmökert. Es handelt sich erkennbar um Ulysses von James Joyce. Nicht gerade leichte Kost. Nur noch wenige Seiten bleiben ihr offensichtlich bis sie das Buch durch hat. In dieser Pose hat sich die Monroe gerne stilisiert, weil ihr immer weniger daran gelegen war, für ihren Sex-Appeal bewundert zu werden, vielmehr als ernsthafte Darstellerin anerkannt zu werden.

    Auch die Arbeit mit dem berühmten britischen Edelmimen und Shakespeare-Spezialisten Sir Laurence Olivier an "Der Prinz und die Tänzerin", den ihre eigene Produktionsfirma herstellte, die sie zusammen mit Milton Greene gegründete hatte, sollte das untermauern. Zwei Schauspielstile stießen aufeinander. Sir Laurence Olivier wollte eine leichte, lockere Starkomödie nach einem Drehbuch von Terence Rattigan mit sich selbst in der überlegenen Hauptrolle inszenieren. Marilyn Monroe schwor auf die Methoden des Actors-Studios in New York, die sie bei Lee und Paula Strasberg gelernt hatte. Paula war sogar als Dialog-Assistentin bei den Dreharbeiten immer dabei. Lee Strasberg wurde sehr zu Laurence Oliviers Unbehagen manchmal sogar mitten in der Nacht noch konsultiert.

    "Bitte, sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann. Ich weiß nicht, wer Elsie ist und ich kann sie nicht spielen, wenn ich nicht weiß, wer sie ist."

    "Aber Sie haben sie doch schon. Sie verstehen sie in und auswendig. Ich habe Ehrfurcht vor ihrer Gabe. Die haben wir alle."

    "Marilyn, ich möchte nur, dass Sie versuchen, ein bisschen Sexy zu sein. Das machen Sie doch sonst auch."

    "Ich möchte Lee. Aber Sie haben doch schon Paula gekriegt. Es ist fünf Uhr morgens in New York."

    "Ich möchte Lee!"

    Der Film von Simon Curtis insistiert auf Marilyns sprichwörtlicher Unzuverlässigkeit und lässt die Drogenprobleme und psychischen Störungen der Filmdiva durchscheinen. Was er nicht abbildet ist jedoch Monroes unglaubliche Präsenz vor der Kamera, die nicht ohne Grund die ganze Welt verzauberte und sie zu einem Star größer als das Leben selbst werden ließ.

    Die Kamera liebte sie. Das sagten fast alle Regisseure, die mit ihr zusammen gearbeitet haben. Das ist in jedem ihrer Filme auch zu sehen. Aber kann man das Entstehen eines Mythos mit einer kleinen melodramatischen Liebesgeschichte darstellen? In diesem Film verschwindet die historische Figur, die fast jeden Drehort aufzumischen verstand hinter dem Schönheitsfleck, den sich Michelle Williams immerhin originalgetreu hat aufmalen lassen.